Die Mär von der Unkündbarkeit

Arbeit Betrieb
07.08.20095671 Mal gelesen

Arbeitnehmer denen Sonderkündigungsschutz zusteht, werden vielfach als "unkündbar" bezeichnet. Tatsächlich sind diese Arbeitnehmer allerdings nicht unkündbar. Dies ist abhängig davon, ob der Sonderkündigungsschutz, der in der Regel bedeutet, dass die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, einzelvertraglich vereinbart oder durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt ist. Erfasst werden hiervon auch Arbeitnehmer, die nach gesetzlichen Regelungen ordentlich nicht kündbar sind, so etwa Betriebsratsmitglieder nach § 15 Abs. 3 KSchG vergleichbare Interessenvertreter, Schwerbehinderte gem. §§ 85 ff. SGB IX und schwangere Frauen nach § 9 MuSchG und § 18 BErzGG bzw. in Elternzeit befindliche Eltern.

 
Soweit geregelt ist, dass diese Arbeitnehmer ordentlich nicht kündbar sein sollen, bedeutet dies aber nicht, dass sie nicht außerordentlich gekündigt werden können, d.h. somit sind auch diese Arbeitnehmer keineswegs vor einer Kündigung absolut geschützt. Die Rechtsprechung hilft dem Arbeitgeber bei der Beendigung dieser Arbeitsverhältnisse damit, als ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zugelassen wird, an das geringere Anforderungen gestellt werden als dies bei einer außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB, die umgangssprachlich als fristlose Kündigung bezeichnet wird, sonst der Fall ist. Dies bedeutet, dass die Arbeitnehmer auch unterhalb der Schwelle eines sog. wichtigen Grundes gekündigt werden können. Dies nicht nur dann, wenn schwerwiegende Gründe im Verhalten des Mitarbeiters oder seiner Person vorliegen, sondern auch dann, wenn betriebsbedingte Gründe vorliegen, die es dem Arbeitgeber unmöglich machen, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu das berühmte Beispiel des Heizers auf der Elektro-Lok gebraucht, für dessen Arbeitskraft es aufgrund der technischen Veränderung schlicht keine Verwendung mehr gibt. In solchen Fällen soll es dem Arbeitgeber möglich sein, auch die sog. Unkündbaren, d.h. die ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer mit einer sozialen Auslauffrist, welche durch die ordentliche Kündigungsfrist gebildet wird, zu kündigen.
 
Hierbei ist zwar zu beachten, dass nach der Rechtsprechung strenge und hohe Anforderungen gestellt werden. Dies kann in bestimmten Fällen dazu führen, dass etwa bei Betriebsratsmitgliedern sogar Arbeitsplätze "freigekündigt" und insgesamt erhebliche Anstrengung unternommen werden müssen, ggf. den Mitarbeiter für eine andere freie Stelle zu qualifizieren bzw. Überbrückungszeiträume in Kauf genommen werden müssen, d.h. dass gewartet werden muss, bis ein Arbeitsplatz frei wird, wenn dies absehbar ist.
 
Hat ein Arbeitgeber einen unkündbaren Mitarbeiter tatsächlich außerordentlich bzw. fristlos gem. § 626 BGB gekündigt, so steht und fällt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht damit, dass die wichtigen Gründe bestätigt oder widerlegt werden, sondern es wird vom BAG eine entsprechende Umdeutung der außerordentlichen Kündigung grundsätzlich für möglich gehalten, allerdings wird eine entsprechende Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats nach den für die ordentliche Kündigung geltenden Vorschriften vorausgesetzt.
 
Maßstab für die Prüfung der Unzumutbarkeit der Fortbeschäftigung der tariflich Unkündbaren durch den Arbeitgeber ist hierbei das Erreichen des Pensionsalters. Prüfungsmaßstab für die allein aufgrund des Betriebsratsmandats Unkündbaren ist das Auslaufen des Kündigungsschutz, d.h. ein Jahr über das Ende der Amtszeit hinaus. Dem Arbeitnehmer kommt in solchen Fällen der strenge Prüfungsmaßstab nicht nur in Gestalt gesteigerter Anforderungen an die Bemühungen zur Vermeidung der Kündigung zu Hilfe, sondern auch im Hinblick auf die prozessuale Situation, d.h. dass in einem etwaigen Klageverfahren der Arbeitgeber noch mehr als im sonstigen Kündigungsschutzverfahren die Darlegungs- und Beweislast trägt. Während der Arbeitgeber sich bei der ordentlichen (normalen Kündigung) darauf beschränken kann, die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers in Abrede zu stellen und der Arbeitnehmer dann darlegungs- und beweispflichtig ist, muss der Arbeitgeber in den Fällen der Kündigung der Unkündbaren die gesamte Beschäftigungssituation in betrieblicher Hinsicht darstellen und selbst ggf. darlegen und beweisen, dass keine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht.
 
Fazit: Den unkündbaren Beschäftigten gibt es nicht. Lediglich der Weg zur wirksamen Kündigung ist für den Arbeitgeber ungleich schwieriger: Dies bedeutet, dass im Rahmen entsprechender arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen dem erhöhten Risiko des Arbeitgebers Rechnung zu tragen ist, d.h. dass sich bspw. für den Arbeitnehmer deutlich höhere Abfindungen durchsetzen lassen. Damit ist es letztlich einfach teurer, sich von einem sogenannten Unkündbaren zu trennen. Vor die Wahl gestellt, einen nicht mehr zu beschäftigenden Arbeitnehmer ggf. weiter vergüten zu müssen oder aber über die Zahlung eines einmaligen, wenn auch hohen Abfindungsbetrags das Arbeitsverhältnis beenden zu können, dürfte nicht zuletzt betriebswirtschaftlich die Abfindungslösung für den Arbeitgeber immer noch attraktiv und darstellbar und die vernünftigste Lösung sein. Dies gilt es im Rahmen entsprechender Auseinandersetzungen zu beachten.