Im betrieblichen Altersvorsorgesystem ist ein Eingriff in die dienstzeitabhängige Steigerungsrate unzulässig

Im betrieblichen Altersvorsorgesystem ist ein Eingriff in die dienstzeitabhängige Steigerungsrate unzulässig
02.05.2013278 Mal gelesen
Soweit eine Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung geändert wird, muss der Arbeitgeber nachvollziehbar belegen, dass durch diese Änderung in das System der betrieblichen Altersversorgung nicht unzulässig eingegriffen worden ist, meint das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg.

Ein Mitarbeiter arbeitete seit März 1987 bei einer Elektrizitätsversorgungs-AG. Dort bestand eine Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung, die BV 1997. Im März 1997 wurde dem Mitarbeiter die Unverfallbarkeit der bereits erdienten Ansprüche in der betrieblichen Altersversorgung bestätigt.

Das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters ging durch eine Betriebsteil-Ausgliederung im Jahr 2002 auf die N. Kraftwerke AG & Co KG über und im Jahre 2003 durch weitere betriebliche  Umstrukturierungen auf seinen jetzigen Arbeitgeber. Hier kam es im Jahre 2004 zu einer neuen Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung, die BV 2004.

Die nach der BV 2004 vorgenommene Berechnung der künftigen Altersversorgung bewirkt, dass der bis zum 31.12.2004 erdiente Teilwert erhalten bleibt und durch die daraus resultierende Bestimmung des individuellen Versorgungsprozentsatzes unmittelbar in die Höhe des späteren Ruhegeldes einfließt. Damit wird die von der Dienstzeit abhängige Steigerungsrate der künftigen Versorgungsansprüche beeinflusst.

Mitarbeiter mit längeren Dienstzeiten bekommen, was die künftig erdienten Ansprüche betrifft, somit im Vergleich zur Berechnung nach der BV 1987 eine geringere Steigerung.

Unsere Mitarbeiter hält die neue Betriebsvereinbarung für unzulässig, Durch die BV 2004 liege ein Eingriff in die erdiente Dynamik vor. Eingriffe in die erdiente Dynamik seien jedoch nur aus triftigem Grund möglich, die indes nicht vorlägen.

Er beantragt daher vor Gericht, dass sein Arbeitgeber bei der Berechnung seiner künftigen Altersversorgung nicht die BV 2004, sondern die BV 1997 zugrunde legen möge.

Der Arbeitgeber meint, die Anpassung der betrieblichen Regelungen zur Altersversorgung zu Recht vorgenommen zu haben. Es handle sich hierbei um eine zulässige Abkoppelung der betrieblichen Altersversorgung von der Entwicklung der gesetzlichen Sozialversicherung unter Aufrechterhaltung des individuell erdienten Besitzstandes und Gewährleistung der in der Altersversorgung angelegten Dynamik. Der dynamische Mindestbesitzstand werde ja hierdurch nicht angetastet. Die BV 2004 greife nur in die noch nicht erdiente Zuwachsrate in Form der dienstzeitabhängigen Steigerungsrate ein. Der Eingriff in die noch nicht erdiente Zuwachsrate sei jedoch sachlich gerechtfertigt.

Das Gericht gibt unserem Mitarbeiter Recht

Betriebspartner können eine Angelegenheit, die sie durch eine Betriebsvereinbarung geregelt haben, mit Wirkung für die Zukunft in einer neuen Betriebsvereinbarung regeln. Diese tritt dann an die Stelle der bisherigen und löst diese ab. Dies gelte auch für eine Regelung, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sei. Ein Eingriff in die auf der Grundlage der früheren Betriebsvereinbarung bereits begründeten Ansprüche sei jedoch nur gemessen an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gerechtfertigt. Dies gelte auch für den Bereich der Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung.

Die Neuregelung der Betriebsvereinbarung 2004 nehme im Vergleich zur vorangehenden BV 1997 einen Eingriff in noch nicht erdiente Zuwachsraten in Form der dienstzeitabhängigen Steigerungsbeträge vor.

Der Eingriff in die dienstzeitabhängige Steigerungsrate durch die Betriebsvereinbarung 2004 sei jedoch nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Ein Absinken des Rentenniveaus vermindere zwar die Anrechnungsfälle und wirke sich als Verteuerung der betrieblichen Altersversorgung aus, daraus folge jedoch nicht ohne weiteres, dass dies durch Leistungskürzungen ausgeglichen werden dürfe. Es fehle hier an einer konkreten Darstellung der Angemessenheit von Regelungsanlass und Neuregelung.

Der konkrete Anlass und die daraus resultierende Maßnahme müssten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies habe der Arbeitgeber nicht hinreichend dargelegt. Die Beteiligung des Betriebsrats enthebe den Arbeitgeber nicht von seiner Pflicht, die Grundlagen für die Verteilung der Einsparmaßnahmen und deren Proportionalität darzulegen. Allein durch das Einverständnis des Betriebsrats mit der Regelung sei er von dieser Pflicht nicht befreit.

Da der Arbeitgeber keine überzeugenden sachlichen Gründe für die Neureglung dargelegt habe, ist der Eingriff durch die BV 2004 als nicht gerechtfertigt anzusehen und der Klage somit stattzugeben.

 

(Quelle:  Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.2013;  17 Sa 85/11

Vorinstanz: Arbeitsgericht Stuttgart , Urteil vom 06.10.2011; 17 Ca 2548/11)

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