Zusatzurlaub für Schwerbehinderten verfällt nicht bei Krankheit

Arbeit Betrieb
29.05.20127266 Mal gelesen
Der einem Schwerbehinderten nach dem Gesetz zustehende Zusatzurlaub ist ebenso wie der Mindesturlaub nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses durch Geldleistung abzugelten, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden konnte, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass der (Rest-)Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern vollständig verfällt, wenn diese ihren Urlaub bis zum Übertragungszeitraum (31.3. des jeweiligen Folgejahres) nicht mehr nehmen konnten, z.B. weil sie arbeitsunfähig erkrankt waren. Gleiches sollte auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Urlaubsabgeltungsanspruch gelten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat hierzu entschieden, dass diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mit Europarecht vereinbar ist (vgl. EuGH vom 20.01.2009 -  C-350/06). Daraufhin hatte das BAG seine Rechtsprechung aufgegeben und sich bzgl. des gesetzlichen Mindesturlaub der Auffassung des EuGH angeschlossen (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2009 - Az.: 9 AZR 983/07).

Diese neue Rechtsprechung des BAG, wonach Arbeitnehmer auch dann einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, wenn sie im ganzen Urlaubsjahr und über den Übertragungszeitraum hinaus arbeitsunfähig krank waren, gilt nach dem Urteil des BAG vom 23.03.2010 nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den Zusatzurlaubsanspruch für schwerbehinderte Menschen gemäß § 125 SGB IX von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr (BAG, Urteil vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09). Etwas anderes gilt hingegen für den Urlaubsanspruch, der sich aus einem geltenden Tarifvertrag, Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergibt und der den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen (§ 3 Abs. 1 BUrlG) übersteigt. Dieser den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsanspruch kann bei Vereinbarung etwaiger Verfallklauseln erlöschen, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums nicht wieder arbeitsfähig wird.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger verfolgte mit seiner im November 2005 erhobenen Klage Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, des Schwerbehindertenzusatzurlaubs und des tariflichen Mehrurlaubs für die Jahre 2004 bis 2005. Der schwerbehinderte Kläger war seit 1971 bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galt ein Tarifvertrag. Dieser sah über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub vor. Der Kläger war von Anfang September 2004 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 wegen eines schweren Bandscheibenleidens arbeitsunfähig erkrankt. Im Mai 2005 verlangte der Kläger erfolglos, ihm den Urlaub für das Jahr 2004 zu gewähren.

Der Kläger hat mit seiner Klage Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, des Schwerbehindertenzusatzurlaubs und des tariflichen Mehrurlaubs für die Jahre 2004 und 2005 geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitgeber zur Abgeltung der Mindesturlaubsansprüche in zweiter Instanz verurteilt. Das hat dieser hingenommen. In der Revision ging es nur noch um die Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs und des den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigenden Tarifurlaubs.

Das BAG hat der Klage wegen des Schwerbehindertenzusatzurlaubs stattgegeben, nicht aber wegen des tariflichen Zusatzurlaubs. Nach Auffassung des BAG muss der gesetzliche Mindesturlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann finanziell abgegolten werden, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig krank ist. Der Anspruch auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs sei genauso zu behandeln wie der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch. Er bestehe bei Arbeitsunfähigkeit deshalb ebenso wie der Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs weiter.

Davon abweichend könnten die Tarifvertragsparteien dagegen bestimmen, dass der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende tarifliche Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch wegen der Krankheit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden kann. Diese Ansprüche gingen dementsprechend nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien am Ende des tariflichen Übertragungszeitraums unter.

 

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