Gründungsgesellschafter des Fonds müssen Schadensersatz leisten!

Gründungsgesellschafter des Fonds müssen Schadensersatz leisten!
01.05.2013409 Mal gelesen
Dr. Jürgen Klass II: OLG München, Urteil vom 20.03.2013 - 3 U 4364/11 - "Beteiligung an der DOBA Grund Beteiligungs GmbH & Co. Objekte MTC München und Berlin, Rhinstr. 100 KG: Gründungsgesellschafter des Fonds müssen Schadensersatz leisten!"

Der Anleger beteiligte sich mit einer Einlage in Höhe von rund EUR 50.000,- über einen Treuhandkommanditisten (Dr. Gerhard M.) an der Fonds-KG ( DOBA Grund Beteiligungs GmbH & Co. Objekte MTC München und Berlin, Rhinstr. 100 KG). Es handelt sich um einen geschlossenen Immobilienfonds, dessen Zweck der Erwerb, der Neubau, die Sanierung und der Betrieb von Gewerbeimmobilien in München und Berlin war. Der Beteiligung lag ein Emissionsprospekt zugrunde. Der Anleger macht eine Reihe von Prospektfehlern geltend und behauptet insbesondere, dass die Darstellung der Berechnung des endgültigen Kaufpreises für die Immobilien in Berlin irreführend und unklar war. Er verlangt deshalb von den Gründungsgesellschaftern des Fonds im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung der Beteiligungssumme. Ferner macht der Anleger Finanzierungsaufwendungen in Höhe von rund EUR 15.000,- geltend.

Orientierungssätze des Gerichts (zusammengestellt von RA Dr. Jürgen Klass II):

1. Gründungsgesellschafter eines Fonds haben unter dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) für die Richtigkeit und Vollständigkeit des in den Verkehr gebrachten Prospekts einzustehen. Diese Haftung besteht auch gegenüber Kapitalanlegern, die über einen Treuhandkommanditisten der Gesellschaft beitreten, wenn der Gesellschaftsvertrag der Fonds-KG die über einen Treuhandkommanditisten nur mittelbar beteiligten Anleger im Innenverhältnis unter den Gesellschaftern so stellt, als seien sie Kommanditisten.

2. Gründungsgesellschafter sind verpflichtet, Anlageinteressenten über Prospektfehler als regelwidrige Auffälligkeit zu informieren, insbesondere über den Versuch, die wahre Methode für die Berechnung des Kaufpreises, den die Fonds-KG für eine Immobilie zu entrichten hat, zu verschleiern.

3. Der Prospekt hat über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dabei müssen die Darstellungen auch hinreichend eindeutig sein. Da der Prospekt Erklärungen an einen unbestimmten Personenkreis enthält, ist für das Verständnis des Inhalts nicht das individuelle Verständnis der konkret Beteiligten maßgeblich, sondern in erster Linie der Text. Abgesehen von Wortlaut, Sinn und Zweck der Erklärung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die für die Allgemeinheit erkennbar sind.

4. Der Gesamteindruck des Prospekts muss dem durchschnittlich informierten Anleger ein klares Bild vermitteln. Es mag sein, dass Anleger mit überdurchschnittlichem wirtschaftlichen Verständnis und besonderer Erfahrung im Lesen von Kapitalanlageprospekten diesen im Sinne des Fondsanbieters verstehen, indes kommt es darauf nicht an. Abzustellen ist auf die Verständnismöglichkeit eines in betriebswirtschaftlichen und juristischen Angelegenheiten nicht besonders vorgebildeten Anlegers.

5. Bei einem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds wird die Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung grundsätzlich vermutet. Zwar gilt diese Vermutung nicht, wenn eine gehörige Aufklärung beim Vertragspartner einen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte, weil es vernünftigerweise nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens gab.

6. Bei Immobilien, bei denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit und Rentabilität geht, ist das Bestehen von Handlungsvarianten nicht geeignet, die auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung zu entkräften. Von einem Immobilienfonds erwartet der durchschnittliche Anleger Werthaltigkeit. Deshalb verbietet sich bei einer derartigen Anlageform im Regelfall die Annahme, eine gehörige Aufklärung über wichtige, für eine werthaltige Anlage abträgliche Umstände hätte bei dem Anlageinteressenten allein schon deshalb, weil er mit erheblichen Steuervorteilen geworben wurde, vernünftigerweise mehrere Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet, also einen "Entscheidungskonflikt" begründet. Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Anleger bei richtiger Aufklärung dem Fonds nicht beigetreten wäre. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht, zu denen die Investition in einen Immobilienfonds jedoch nicht gehört.

7. Bei der Verletzung einer Beratungs- oder Aufklärungspflicht ist ein Vermögensschaden des Anlegers, der sich bei zutreffender Unterrichtung nicht an dem Anlagemodell beteiligt hätte, schon immer dann zu bejahen, wenn die Anlage - aus welchen Gründen auch immer - für ihn den gezahlten Preis nicht wert ist.

8. Dem Anleger zugeflossene Steuervorteile sind nicht schadensmindernd anzurechnen, wenn der - ausgeurteilte - Rückfluss der Beteiligungssumme als steuerpflichtige Rückerstattung von Werbungskosten zu qualifizieren ist und dieser Zufluss dann zu einer Besteuerung führt, die dem geschädigten Anleger die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Dieser Grundsatz ist auch bei Rückabwicklung des Erwerbs einer treuhänderischen Beteiligung an einem Immobilienfonds anzuwenden.

9. Den Anleger trifft generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners schon am Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben. Ihm obliegt zwar eine gründliche Lektüre des Prospekts. Er handelt jedoch nicht schon dann grob fahrlässig, wenn er den Inhalt eines Prospekts anhand des in den auf seinen Beitritt folgenden Jahren gewechselten Schriftverkehrs, insbesondere der Geschäftsberichte und der Protokolle der Gesellschafterversammlungen, nicht auf Fehler überprüft. Je komplizierter die Kapitalanlage gestaltet ist, desto weniger kann vom durchschnittlichen Anleger erwartet werden, die tatsächliche Durchführung der im Rahmen der Kapitalanlage erforderlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Transaktionen am Prospekt zu messen. Bei einer komplexen Fondskonstruktion kann vom Anleger nicht erwartet werden, stets das gesamte Vertragswerk und alle über Jahre hinweg zu seiner Kenntnis gelangenden Schriftstücke im Zusammenhang mit der Kapitalanlage in einer Gesamtschau gegenwärtig zu haben, um eventuell Abweichungen zwischen der Durchführung der Kapitalanlage und dem Prospekt festzustellen.

Mehr Infos: www.forum-anlegerschutz.de

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Dr. Jürgen Klass II ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und auf die Beratung von Anlegern im Falle von fehlgeschlagenen Kapitalanlagemodellen spezialisiert. Dr. Klass vertritt geschädigte Verbraucher und Investoren insbesondere gegen Finanzgesellschaften, Bankinstitute und Anlagevermittler. Die Mandanten werden im gesamten Bundesgebiet an allen Amts-, Land- und Oberlandesgerichten unterstützt.