Um Urheberrechtsverletzungen wegen Filesharing abzumahnen, ist die Musikindustrie darauf angewiesen, anhand der ermittelten IP-Adresse den Anschlussinhaber namhaft zu machen. Hierzu bedient sich die Musikindustrie des Umweges über die Stellung einer Strafanzeige gegen unbekannt wegen Urheberrechtsverletzung, um im Wege eines nachherigen Akteinsichtsgesuchs Name und Anschrift des Anschlussinhabers zu erfahren.
Dies führte zu einer totalen Überlastung der Staatsanwaltschaften. Daher verweigern bereits zahlreiche Staatsanwaltschaften in Deutschland und einige der auf die Beschwerde der Rechteinhaber angerufenen Landgerichte seit Juli 2008 den Rechteinhabern bzw. den beauftragten Rechtsanwälten das Recht auf Akteneinsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (so Beschluss LG München vom 12.03.2008; LG Krefeld - 21 AR 2/08). So hatte auch das Landgericht Frankenthal in seiner Entscheidung vom 21.05.2008 ein Akteneinsichtsgesuch der Musikindustrie zurückgewiesen mit der Begründung, dass es sich bei dynamischen IP-Adressen, welche nach dem Verbindungsende erneut an einen anderen Nutzer vergeben werden, so dass viele Nutzer - häufig sogar im Verlauf eines Tages - die gleiche IP-Adresse nacheinander nutzen, nicht um so genannte Bestandsdaten, sondern um Verkehrsdaten handelt. Da Verkehrsdaten dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, so das Gericht, dürfen auch dynamische IP-Adressen nur dann herausgegeben werden, wenn der Verdacht auf Verübung einer schweren Straftat i. S. d. § 100 a Abs. 2 StPO besteht, was auf Grund der geltend gemachten Urheberrechtsverletzung (Filesharing) nicht gegeben ist.
Die Entscheidung des LG Frankenthals ist durch das OLG Zweibrücken mit Beschluss vom 26.09.2008 ( Az.: 4 W 62/08) aufgehoben worden.
In einem aktuellen Beschluss vom 09.10.2008 (Az.: 9 Qs 490/08) hat sich nun auch das Landgericht Darmstadt der Ansicht des OLG Zweibrücken angeschlossen und bejahte ein Akteneinsichtsgesuch der anzeigenden Musikverlage im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Filesharing nach § 406 e Abs. 1 StPO. Das Gericht schloss sich zunächst der Ansicht an, dass es sich bei dynamischen IP-Adressen um Bestandsdaten handelt, und daher § 100 a Abs. 2 StPO nicht anwendbar, d.h. ein richterlicher Beschluss für die Datenherausgabe nicht erforderlich ist. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung führte das Gericht an, dass der Datenherausgabe keine schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten entgegenstehen. Dies bereits deshalb, da der Teilnehmer an einem Filhesharingsystem seine IP-Adresse selbst preisgibt und nunmehr lediglich die Namhaftmachung des Anschlussinhabers anhand der bereits bekannten IP-Adresse begehrt wird. Hierbei handele es sich lediglich um einen milden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Daneben, so das Gericht, sei auch die Stärke des Tatverdachts in die Interessenabwägung einzubeziehen, die im vorliegenden Fall ebenfalls für das Akteneinsichtsrecht der Musikverlage sprach. In diesem Zusammenhang verwies das Gericht darauf, dass der erforderliche hinreichende Tatverdacht auch dann bejaht werden kann, wenn man berücksichtigt, dass nicht der Anschlussinhaber, sondern Dritte, seien es nun Kinder oder Bekannte, die in Rede stehenden Urheberverletzungen begangen haben könnten, da nach der überwiegenden Rechtsprechung auch der Anschlussinhaber als Störer haftet, wenn er ihm obliegende Überwachungs- und Aufklärungspflichten nicht erfüllt (so das OLG Düsseldorf, OLG Frankfurt, OLG Köln).
Abschließend wies das Gericht daraufhin, dass der begehrten Akteneinsicht auch nicht der zum 01.09.2008 in Kraft getretene § 101 Abs. 1 und 9 UrhG entgegensteht, der einen Auskunftsanspruch des Verletzten gegen Provider im Falle von Urheberrechtsverletzungen von gewerblichem Ausmaß vorsieht; dies insbesondere, da auch dessen Voraussetzungen, insbesondere das gewerbliche Ausmaß, erfüllt seien. Das Gericht ließ aber ausdrücklich offen, ob bei der Auslegung des § 406 e StPO die Vorschrift des § 101 UrhG als einschränkendes Kriterium zu berücksichtigen sei.
Es bleibt also abzuwarten, wie die Gerichte über ein Akteneinsichtsgesuch entscheiden, wenn eine Rechtverletzung "in gewerblichem Ausmaß" im Sinne des § 101 UrhG nicht bejaht werden kann.
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