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Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.06.1992, Az.: XII ZR 119/91

Berufung auf den Wegfall der Bereicherung; Ausgleich bei nicht geschuldeten Unterhaltsleistungen über dem Selbstbehalt; Zahlungen aufgrund eines Prozessvergleichs; Anspruch auf Rückzahlung des rechtsgrundlos Geleisteten; Vorliegen einer verschärften Haftung; Verknüpfung von Bereicherung und dadurch eingetretenem bleibenden Vermögensvorteil; Beweislastverteilung bei rechtsvernichtender Einwendung; Rechtshängigkeit der Klage auf Herausgabe des Erlangten

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
17.06.1992
Aktenzeichen
XII ZR 119/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 14647
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Koblenz - 22.04.1991
AG Neuwied

Fundstellen

  • BGHZ 118, 383 - 394
  • FamRZ 1992, 1152-1155 (Volltext mit amtl. LS)
  • FuR 1992, 302 (red. Leitsatz mit Anm.)
  • JR 1993, 151-155
  • JuS 1993, 75-76 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1992, 1060-1061 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJ 1992, 519 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1992, 2415-2418 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1992, 1959-1962 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Hat der Unterhaltsgläubiger mit zuviel erhaltenem Unterhalt Schulden getilgt und dadurch einen bleibenden Vermögensvorteil erzielt, so kann er dem Rückforderungsbegehren des Unterhalts Schuldners den Einwand des Wegfalls der Bereicherung entgegenhalten, wenn die Überzahlung für den Vermögensvorteil nicht ursächlich ist. Hierfür genügt der Nachweis, daß er auf die Schulden auch bei geringeren Unterhaltsbezügen unter Einschränkung seines Lebenstandards gleichhohe Zahlungen geleistet hat.

  2. b)

    Zu den Voraussetzungen einer verschärften Haftung nach den §§ 818 Abs. 4, 819, 820 (Fortführung von BGHZ 93, 183 undSenatsurteil vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 49/85 - FamRZ 1986, 793).

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Wurden Unterhaltsleistungen nicht geschuldet, so findet ein Bereicherungsausgleich statt.

  2. 2.

    Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalles, z.B. Verwendung des Geldes zur Schuldentilgung, abzustellen.

  3. 3.

    Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine verschärfte Bereicherungshaftung nach §§ 818 Abs. 4, 819, 820 Abs. 1 BGB anzunehmen.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 1992
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Dr. Krohn, Dr. Zysk, Nonnenkamp und Dr. Hahne
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. April 1991 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger, dessen Ehe mit der Beklagten rechtskräftig geschieden ist, fordert von ihr die Rückzahlung zuviel bezahlten Unterhalts aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Im Prozeßvergleich vom 8. November 1985 hatte er sich zu einer monatlichen Unterhalts Zahlung von 1.800,00 DM verpflichtet. Mit der Behauptung, seine Einkünfte als Transportunternehmer seien erheblich zurückgegangen, hatte er die Abänderung des Prozeßvergleichs und Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf monatlich 850,00 DM ab dem 1. September 1986 begehrt. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf seine Berufung hatte das Oberlandesgericht mit Urteil vom 19. Dezember 1988 den Unterhalt auf monatlich 1.620,00 DM für die Zeit vom 1. September 1986 bis 1. (richtig: 31.) August 1987, 1.351,00 DM für die Zeit vom 1. September 1987 bis 31. Juli 1988 und 1.546,00 DM für die Zeit ab 1. August 1988 herabgesetzt. Dabei hatte es zwar einen höheren Unterhaltsbedarf der Beklagten als monatlich 1.800,00 DM ermittelt, ihr aber fiktive Einkünfte aus einer Teilzeitbeschäftigung, die ihr neben der Betreuung des gemeinsamen Kindes möglich sei, angerechnet. Während des Abänderungsverfahrens hatte das Amtsgericht mit Beschluß vom 10. Oktober 1986 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich bis auf 1.000,00 DM monatlich gegen Sicherheitsleistung des Klägers vorläufig eingestellt, diesen Beschluß aber am 13. März 1987 wieder aufgehoben. Ein Rechtsmittel des Klägers und ein erneuter Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung waren erfolglos geblieben. Die geleistete Sicherheit hat der Kläger am 25. März 1987 freigegeben.

2

Der Kläger hat seine Überzahlung für die Zeit vom 1. September 1986 bis 31. Dezember 1988 mit 8.189,00 DM beziffert, wobei er auf Grund des Schreibfehlers im Tenor des Urteils vom 19. Dezember 1988 den Monat August 1987 übersehen hat. Unter Aufrechnung gegen einen Kostenerstattungsanspruch der Beklagten hat er einen Betrag von 7.130,40 DM eingefordert. Die Beklagte hat die Höhe der Zuvielzahlung nicht bestritten, sich aber auf Wegfall der Bereicherung berufen. Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Berücksichtigung ihrer Hilfsaufrechnung mit einem weiteren Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 499,48 DM zur Zahlung von 6.630,92 DM nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen.

3

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage ganz abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Er hat klargestellt, daß er für den Monat August 1987 keinen Unterhalt zurückfordert.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg, da die Beklagte sich zu Recht auf den Wegfall der Bereicherung beruft.

5

I.

Zutreffend ist das Berufungsgericht von einer Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative BGB ausgegangen. Bei erbrachten, aber nicht geschuldeten Unterhaltsleistungen findet ein Ausgleich grundsätzlich nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung statt. Das hat der Senat bisher unter anderem bei Unterhaltsleistungen aufgrund einer einstweiligen Anordnung im Scheidungsverfahren angenommen, wenn diese über Bestand oder Höhe des materiell geschuldeten Unterhalts hinausgeht (vgl. BGHZ 93, 183 ff.;Senatsurteil vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 7/83 - FamRZ 1984, 767 ff.), ferner bei Unterhalts Zahlungen des Scheinvaters an das Kind, wenn dessen Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt worden und die zunächst bestehende Unterhaltspflicht rückwirkend weggefallen ist (BGHZ 78, 201 ff.;Senatsurteil vom 20. Mai 1981 - IVb ZR 571/80 - FamRZ 1981, 764 ff.). Entsprechendes gilt für Unterhalts Zahlungen, die aufgrund eines Prozeßvergleichs erbracht werden. Soweit dieser gemäß § 323 ZPO rückwirkend zugunsten des Unterhaltsschuldners abgeändert wird, entfällt nachträglich die Rechtsgrundlage für den bisher geleisteten Unterhalt (§ 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative BGB). Der Unterhaltsschuldner kann dann grundsätzlich Herausgabe des Erlangten bzw. Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB verlangen. Da der Kläger während der genannten Zeit mehr an die Beklagte gezahlt hat, als er nach dem Abänderungsurteil des Oberlandesgerichts verpflichtet war, steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung des rechtsgrundlos Geleisteten zu.

6

II.

Der Anspruch scheitert jedoch daran, daß die Beklagte nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB) und auch keiner verschärften Haftung gemäß §§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB unterliegt.

7

1.

Zur Frage der Entreicherung hat das Berufungsgericht anhand der von der Beklagten vorgelegten Kontenauszüge und Kreditunterlagen festgestellt, daß sie - mit Ausnahme von Schuldtilgungsraten - sämtliche Unterhalts Zahlungen des Klägers für ihre laufenden Lebensbedürfnisse aufgebraucht habe. Abbuchungen, die auf die Ansammlung von Sparvermögen schließen ließen, seien nicht ersichtlich. Anderweitige Mittel, die sie infolge des Verbrauchs der Unterhaltszahlungen hätte sparen können, hätten ihr im fraglichen Zeitraum nicht zur Verfügung gestanden. Auch die Mittel aus einem im Jahre 1980 aufgenommenen und im Mai 1986 aufgestockten Darlehen habe sie bereits im Juni 1986, also noch vor September 1986, für den Kauf eines gebrauchten Pkw ausgegeben. Aus dem Eigentum am Pkw ergebe sich keine fortbestehende Bereicherung, da nichts dafür spreche, daß die Beklagte ihn bei geringeren Unterhaltszahlungen des Klägers zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts wieder veräußert hätte. Allerdings habe die Beklagte seit 1980 und auch im fraglichen Zeitraum auf das Darlehen gleichbleibend monatlich 267,00 DM gezahlt. Um den Wert der getilgten Schuld sei sie aber von vornherein nicht bereichert, weil sie diese Raten unter Einschränkung ihrer übrigen Bedürfnisse auch in der Zeit bezahlt habe, als sie wegen der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung nur einen geringeren Unterhalt erhalten habe. Sie habe die Zahlungen daher nicht aus den überzahlten Teilbeträgen, sondern aus dem Sockelbetrag des Unterhalts erbracht und die rechtsgrundlose Überzahlung selbst für eine aufwendigere Lebenshaltung verbraucht. Damit fehle es an der notwendigen kausalen Verknüpfung zwischen der Überzahlung und der Schuldtilgung.

8

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

9

a)

Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist eine Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten oder zum Wertersatz ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Die Vorschrift dient dem Schutz des "gutgläubig" Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf das (Fort-)Bestehen des Rechtsgrundes verbraucht hat und daher nicht über den Betrag einer wirklichen (bestehengebliebenen) Bereicherung hinaus zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet werden soll (BGHZ 55, 128, 134 [BGH 07.01.1971 - VII ZR 9/70]; BGH Urteil vom 28. Juni 1956 - II ZR 78/54 - LM Nr. 7 zu § 818 Abs. 3; Senatsurteil vom 9. Mai 1984 a.a.O. S. 768). Bei der Überzahlung von Unterhalt kommt es daher darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht oder sich damit noch in seinem Vermögen vorhandene Werte oder Vorteile verschafft hat (Senatsurteile vom 9. Mai 1984 a.a.O. und vom 20. Mai 1981 a.a.O. S. 765). Letzteres ist etwa der Fall bei anderweitigen Ersparnissen oder Anschaffungen. Auch die infolge Tilgung eigener Schulden mittels des rechtsgrundlos erlangten Geldes eintretende Befreiung von Verbindlichkeiten zählt zu den bestehenbleibenden Vermögensvorteilen, die einem Wegfall der Bereicherung grundsätzlich entgegenstehen (Senatsurteil vom 9. Mai 1984 aaO; BGH Urteil vom 18. April 1985 - VII ZR 309/84 - NJW 1985, 2700; BVerwGE 28, 68, 75) [BVerwG 12.10.1967 - II C 71/67]. Die rechtsgrundlose Zahlung muß jedoch für diesen Vermögensvorteil ursächlich gewesen sein (BGB-RGRK/Heimann-Trosien 12. Aufl. § 818 Rdn. 40 m.w.N.). Das wird besonders deutlich, wenn gerade die Zahlung selbst zu der Befreiung von der Verbindlichkeit geführt hat, sei es, daß infolge einer Fehlüberweisung ein Soll-Konto des Bereicherungsschuldners aufgefüllt worden ist, sei es, daß der Bereicherungsschuldner selbst die erlangte Summe dazu genutzt hat. Schulden zu tilgen, die er andernfalls nicht getilgt haben würde. Denn dann setzt sich der rechtsgrundlos erhaltene Betrag in der bestehenbleibenden Schuldbefreiung gleichsam fort. Umgekehrt kann sich der Bereicherungsschuldner aber auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er die Schulden mit einem anderen als dem rechtsgrundlos erhaltenen Betrag, etwa mit von dritter Seite geschenktem Geld zahlt und das Erhaltene ersatzlos verbraucht. Denn ein Bereicherungsschuldner, der Verbindlichkeiten aus anderen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln tilgt, kann nicht schlechter stehen als ein Bereicherungsschuldner, der nur über die Bereicherung verfügt und diese aufzehrt.

10

b)

Gegen das Erfordernis der ursächlichen Verknüpfung von Bereicherung und dadurch eingetretenem bleibenden Vermögensvorteil des Bereicherungsschuldners wendet sich die Revision ersichtlich nicht. Sie meint jedoch, nur bei Unterhaltszahlungen im Bereich des notwendigen Selbstbehalts sei davon auszugehen, daß sie restlos für den laufenden Lebensbedarf aufgezehrt werden. Dagegen seien die Anforderungen an den Verwendungsnachweis durch den Unterhaltsgläubiger in Fällen, in denen die Unterhaltszahlung über dem notwendigen Selbstbehalt liegt, höher anzusetzen. Für eine interessengerechte Lösung müsse zugunsten des Unterhaltsschuldners die konkret zu widerlegende Vermutung gelten, daß der Unterhaltsgläubiger noch vorhandene Vermögenswerte oder die Tilgung eigener Schulden mit Beträgen finanziert habe, die aus der Überzahlung stammten. Es gebe keinen Erfahrungssatz, daß Kreditschuldner bei Schmälerung ihrer Bezüge sofort säumig würden. Andernfalls könne der Bereicherungsschuldner dem Bereicherungsgläubiger immer entgegenhalten, daß er unabhängig von der Höhe des gezahlten Unterhalts sich in jedem Falle einen bestimmten Vermögensgegenstand angeschafft oder Schulden getilgt hätte.

11

Damit hat die Revision jedoch keinen Erfolg.

12

Der Bereicherte hat den Wegfall der Bereicherung zu beweisen, da es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt (BGH Urteil vom 19. März 1958 - V ZR 62/57 - NJW 1958, 1725). Für die Überzahlung von Gehalts- oder Versorgungsbezügen von Beamten, die nach ihrem Wesen und Zweck einer Unterhaltsrente gleichkommen, hat die Rechtsprechung Beweiserleichterungen geschaffen, wenn aus der Überzahlung in der fraglichen Zeit keine besonderen Rücklagen oder andere Vermögensvorteile gebildet worden sind. Auch ohne besonderen Verwendungsnachweis spricht dann aufgrund der Lebenserfahrung - insbesondere bei unteren und mittleren Einkommen - zugunsten des Empfängers die Vermutung, daß er die Überzahlung zur Verbesserung seines Lebensstandards ausgegeben hat (RGZ 83, 161, 163; BGH Urteil vom 20. Oktober 1958 - III ZR 101/57 - MDR 1959, 109, 110; BVerwGE 13, 107, 110 [BVerwG 10.10.1961 - VI C 25/60]; MünchKomm/Lieb BGB 2. Aufl. § 818 Rdn. 83; BGB-RGRK/Heimann-Trosien a.a.O. Rdn. 40).

13

Aber auch, wenn ein bleibender Vermögensvorteil geschaffen worden ist, ist die Entreicherung nicht von vornherein ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 15, 15, 18) [BVerwG 30.08.1962 - II C 90/60] hat einen Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB auch dann angenommen, wenn der Beamte mit dem überzahlten Betrag Schulden getilgt hat, die er ohne die Überzahlung unter Einschränkung seines Lebensstandards ebenso getilgt hätte. Denn die Zuvielzahlung bewirke lediglich, daß der Beamte seine Lebenshaltung in Anpassung an den zur Verfügung stehenden Mehrbetrag weniger einschränke, als er es bei Schuldentilgung aus dem ihm zustehenden geringeren Gehalt getan hätte. Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, kommt es für den Nachweis der Entreicherung nicht darauf an, ob der bestehengebliebene Vermögensvorteil aus dem rechtsgrundlos gezahlten Mehrbetrag oder aus dem mit Rechtsgrund gezahlten Sockelbetrag erworben worden ist. Aus welchem der beiden Beträge eine Schuld getilgt wird, läßt sich meist nicht feststellen, weil geschuldeter und nicht geschuldeter Betrag in der Regel in einer Gesamtsumme gezahlt werden und der Empfänger nicht unterscheidet, aus welchem Teilbetrag er seine laufende Lebenshaltung einerseits und die Schuldtilgung oder Anschaffung von Vermögensgegenständen andererseits finanziert (MünchKomm/Lieb a.a.O. Rdn. 83). Entscheidend ist vielmehr der Nachweis, daß der Bereicherte den Vermögensvorteil in jedem Fall auch ohne die Überzahlung - notfalls unter Einschränkung des Lebensstandards - erworben hätte, so daß die Überzahlung für den Vermögensvorteil nicht ursächlich war.

14

Die Revision macht ohne Erfolg geltend, bei Überzahlung von Unterhalt, der über dem notwendigen Selbstbehalt liege, müßten zum Schutz des Unterhaltsschuldners strengere Beweisregeln gelten. Die zu den Beamtenfällen entwickelten Beweisgrundsätze sind vielmehr auch auf privatrechtliche Lohn- oder Unterhaltszahlungen übertragbar. Denn die Situation ist mit derjenigen bei Beamtenbezügen vergleichbar (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 394 BGB; RGZ 63, 38, 41; BGB-RGRK/Heimann-Trosien a.a.O. Rdn. 42). Das trifft gerade auch auf den vorliegenden Fall zu. Der Unterhalt der Beklagten liegt mit monatlich 1.800,00 DM im Bereich eines unteren bis mittleren Beamtengehalts. Daß das Ausgabeverhalten eines Beamten sich von dem eines Unterhaltsgläubigers unterscheidet, ist nicht ersichtlich. Auch sonst liegen keine Gründe vor, die eine Differenzierung rechtfertigen könnten. Das Interesse des Bereicherungsgläubigers erfordert auch keine Vermutung des Inhalts, daß ein beim Bereicherungsschuldner vorhandener Vermögensvorteil mit dem Überzahlungsbetrag finanziert worden ist mit der Folge, daß diese Vermutung nur durch einen konkreten Nachweis der anderweitigen Verwendung des streitigen Betrags widerlegt werden kann. Sie würde im Gegenteil die Beweisanforderungen überspannen und im Widerspruch zu dem Gesetzeszweck stehen, der die Ersatzpflicht des Bereicherungsschuldners an die echte Vermögensmehrung aufgrund des rechtsgrundlosen Empfangs knüpft (BGHZ 55, 128, 134) [BGH 07.01.1971 - VII ZR 9/70]. Das gilt umsomehr, als in diesen Einkommensbereichen größere Anschaffungen wie Hausrat oder ein Pkw in der Regel mittels Krediten finanziert und die hierfür nötigen Zins- und Tilgungsraten unter Verzicht auf andere Ausgaben erbracht werden. Andernfalls wäre der Entreicherungseinwand in nahezu allen diesen Fällen ausgeschlossen. Es genügt daher der Nachweis, daß die Beklagte auch ohne die Überzahlung ihre Schulden bezahlt hätte.

15

Diesen Nachweis hat die Beklagte erbracht. Unstreitig hat sie die Rate von monatlich 267,00 DM seit 1980 bis in die jüngste Zeit unverändert weiter bezahlt, und zwar unter Einschränkung ihres laufenden Lebensbedarfs auch während der Monate, in denen sie wegen der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung nur einen Unterhalt von 1.000,00 DM monatlich zur Verfügung gehabt hat. Das Berufungsgericht hat außerdem unangegriffen festgestellt, daß die Beklagte keine größeren Abbuchungen vorgenommen hat, die auf anderweitige Ersparnisse schließen lassen, ferner, daß sie auch über keine anderen Mittel verfügt hat, die sie für ihren Unterhalt hätte einsetzen können. Daraus konnte das Berufungsgericht den Schluß ziehen, daß die Darlehenstilgung schon zuvor als fester Bestandteil ihrer vorweg zu bestreitenden monatlichen Ausgaben eingeplant war und daß darüber hinausgehende Mittel wie die Überzahlung dazu gedient haben, ihren Lebensstandard zu verbessern.

16

Auch hinsichtlich des Pkw kann sich die Beklagte auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da sie ihn bereits zuvor aus anderen, nämlich aus Darlehensmitteln finanziert hatte.

17

2.

Eine verschärfte Haftung der Beklagten nach §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 820 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.

18

a)

Gemäß § 818 Abs. 4 BGB kann sich der Empfänger einer rechtsgrundlosen Leistung vom Eintritt der Rechtshängigkeit an nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen, sondern haftet nach den allgemeinen Vorschriften. Wie der Senat bereits entschieden hat, knüpft diese verschärfte Haftung nicht an die Rechtshängigkeit eines beliebigen Prozesses an, in dem über Grund und Höhe der fraglichen Leistung gestritten wird, sondern an die Rechtshängigkeit der Klage auf Herausgabe des Erlangten (§ 812 BGB) oder auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB). Für eine erweiternde Auslegung der Vorschrift hat er weder bei einer Feststellungsklage gegen Unterhaltspflichten aufgrund einer einstweiligen Anordnung (BGHZ 93, 183 ff.) noch bei einer Unterhaltsabänderungsklage gemäß § 323 ZPO (Senatsurteil vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 49/85 - FamRZ 1986, 793) Raum gesehen, weil die Regelung des § 818 Abs. 4 BGB eine eng zu sehende Ausnahme von dem Grundsatz ist, daß der Bereicherte auf Ersatz nur bis zur Grenze einer noch vorhandenen Bereicherung haftet, und weil der Unterhaltsschuldner wegen der Möglichkeit der Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht schutzlos ist.

19

Die Revision hält letzterem entgegen, daß es in der Praxis nur in seltenen Fällen zur Einstellung der Zwangsvollstreckung komme und das Risiko der Entreicherung dadurch ganz auf den Unterhaltsschuldner abgewälzt werde.

20

Dieser Einwand gibt zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung keinen Anlaß. Bei einem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung hat das Gericht immer zu prüfen, ob die in der Abänderungsklage vorgetragenen Gründe eine Einstellung rechtfertigen. Es hat dabei besonders mit Blick auf die Schwierigkeiten, die einer Rückforderung zuviel gezahlten Unterhalts im Falle einer rückwirkenden Abänderung entgegenstehen, die Interessen von Unterhaltsgläubiger und Unterhalts Schuldner gegeneinander abzuwägen (Senatsurteil vom 7. Mai 1986 a.a.O. S. 794). Wenn die Praxis dem nicht immer gerecht wird, vermag dies an der Rechtslage selbst nichts zu ändern. Dem Kläger ist außerdem entgegenzuhalten, daß seine in erster Instanz gestellten Einstellungsanträge wiederholt daran gescheitert sind, daß er die behauptete Einkommensverschlechterung nicht hat darlegen können. Der Gefahr des Entreicherungseinwandes hätte er auf verschiedene Weise begegnen können. Es war ihm unbenommen, die Bereicherungsklage alsbald nach der Unterhaltsleistung ohne Rücksicht auf die vorherige Abänderung des Unterhaltstitels zu erheben, wodurch er die Wirkungen des § 818 Abs. 4 BGB jedenfalls hinsichtlich noch nicht verbrauchter Zahlungen hätte auslösen können (BGHZ 93, 183, 189) [BGH 19.12.1984 - IVb ZR 51/83]. Möglich wäre auch gewesen, bereits die Abänderungsklage im Wege der Klagehäufung mit einer Klage auf künftige Rückzahlung des während der Dauer des Abänderungsverfahrens zuviel gezahlten Unterhalts zu verbinden (§ 258 ZPO), und zwar zur Vermeidung eines Kostenrisikos hilfsweise für den Fall, daß das Abänderungsbegehren Erfolg hatte. § 260 ZPO steht nicht entgegen. Schließlich hätte er der Beklagten die Überzahlungen als zins- und tilgungsfreies Darlehen anbieten können, verbunden mit der Verpflichtung, im Falle der Abweisung des Abänderungsbegehrens auf die Rückzahlung zu verzichten. Der Senat hat in Fällen, in denen Unterhalt geleistet werden muß, nachdem der Unterhaltsberechtigte einen Rentenantrag gestellt hat, in einer darlehensweisen Unterhaltsgewährung einen Weg gesehen, dem Unterhaltsschuldner einen Rückzahlungsanspruch für den Fall zu sichern, daß die Rente rückwirkend bewilligt wird. Dem Unterhaltsberechtigten obliegt es dann nach Treu und Glauben, einen in solcher Weise angebotenen Kredit anzunehmen (Senatsurteilevom 23. März 1983 - IVb ZR 358/81 - FamRZ 1983, 574, 575 undvom 15. Februar 1989 - IVb ZR 41/88 - BGHR BGB § 242 Ausgleichsanspruch 1 = FamRZ 1989, 718, 719). Das erscheint auch in einem Fall wie hier möglich.

21

b)

Gemäß § 819 Abs. 1 i.V. mit § 818 Abs. 4 BGB tritt eine verschärfte Haftung des Bereicherungsempfängers bereits ab dem Zeitpunkt ein, zu dem er den Mangel des rechtlichen Grundes erfährt. Hierfür muß der Bereicherungsempfänger das Fehlen des rechtlichen Grundes selbst und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gekannt haben; die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht, reicht nicht aus (MünchKomm/Lieb a.a.O. § 819 Rdn. 2; Palandt/Thomas BGB 51. Aufl. § 819 Rdn. 3; BGB-RGRK/Heimann-Trosien a.a.O. § 819 Rdn. 3). Das Berufungsgericht hat zwar offengelassen, ob die Beklagte Kenntnis von den die Abänderung des Unterhaltsvergleichs tragenden tatsächlichen Verhältnissen hatte, so daß für dieses Revisionsverfahren zugunsten des Klägers von dieser Kenntnis auszugehen ist. Es hat aber eine Bösgläubigkeit mangels Kenntnis der Rechtsfolgen verneint, weil die Beklagte angesichts der wiederholten Zurückweisung der Anträge des Klägers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung und der Abweisung der Klage in erster Instanz bis zum Erlaß des Berufungsurteils vom 19. Dezember 1988 darauf habe vertrauen dürfen, daß ihr weiterhin monatlich 1.800,00 DM zuständen. Das ist nicht zu beanstanden. Die Ungewißheit des Prozeßausgangs spricht für die Beklagte. Wenn die Revision demgegenüber meint, daß ein Unterhaltsgläubiger bereits ab Erhebung der Abänderungsklage keinen Vertrauensschutz mehr verdiene, so daß er als bösgläubig angesehen werden müsse, so verkennt sie, daß ein solches Ergebnis den in § 818 Abs. 4 BGB zum Ausdruck kommenden Schutz des Bereicherungsempfängers unterlaufen würde (vgl. oben zu a). Denn er wäre gezwungen, bereits ab diesem Zeitpunkt den Unterhalt für Rückforderungen bereitzuhalten, obwohl § 818 Abs. 4 BGB dies von ihm erst ab dem Zeitpunkt fordert, zu dem er mit der Bereicherungsklage des Unterhaltsschuldners konfrontiert wird.

22

c)

Auch eine verschärfte Haftung nach der allein in Betracht kommenden zweiten Alternative des § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB greift nicht ein. Danach muß die Leistung aus einem Rechtsgrund erfolgt sein, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde und der später tatsächlich wegfällt. Sinn der Regelung ist, daß ein Empfänger, der von vornherein mit seiner Rückgabeverpflichtung rechnet, sich so einrichten muß, als müsse er die empfangene Leistung zurückgeben. Dabei muß sich bereits aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ergeben, daß beide Parteien sich die Möglichkeit des Wegfalls des Rechtsgrundes nicht nur beiläufig, sondern besonders vergegenwärtigt haben (BGH Urteil vom 10. Juli 1961 - II ZR 258/59 - LM Nr. 1 zu § 820 BGB; Senatsurteil vom 9. Mai 1984 a.a.O. S. 768; Palandt/Thomas a.a.O. § 820 Rdn. 2).

23

Die Revision will diese Voraussetzungen als gegeben ansehen, weil nach dem Prozeßvergleich der vereinbarte Unterhalt auf der Grundlage des Gewinns des Klägers im Jahre 1984 berechnet worden sei und die Beklagte daher in besonderem Maße damit habe rechnen müssen, daß wirtschaftliche Einbußen des Klägers zu einer Verminderung ihres Unterhalts führen würden. Damit begibt sie sich jedoch auf das ihr verschlossene Gebiet der tatrichterlichen Würdigung. Aus der im Vergleichstext weiter enthaltenen Regelung, daß eine eventuelle Neuberechnung nach der Düsseldorfer Tabelle ohne Bindung an die Vergleichsgrundlagen erfolgen solle, hat das Berufungsgericht geschlossen, die Parteien hätten sich durch den Vergleich für den Fall einer künftigen Abänderung nicht festlegen wollen. Darüber hinaus besage der Vergleichsinhalt aber nichts darüber, daß sie - ähnlich wie bei einer auflösenden Bedingung - schon konkret ins Auge gefaßt hätten, der Vergleich könne seine Wirkung verlieren. Diese Auslegung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit dem Wortlaut der Vereinbarung, die nichts anderes enthält als die bei Unterhaltsvergleichen oft gebräuchliche Regelung, daß sich aus dem Verhältnis zwischen dem zugrunde gelegten Einkommen des Unterhaltspflichtigen und der Höhe des vereinbarten Unterhalts keine mit Bindungswirkung für künftige Unterhaltsberechnungen festgelegte Quote ergeben soll.

24

Ob die verschärfte Haftung gemäß § 820 BGB nach ihrem Sinn und Zweck überhaupt auf Unterhaltsvereinbarungen, die immer unter dem Vorbehalt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage stehen, anwendbar ist, kann danach dahinstehen.

Lohmann
Krohn
Richter Dr. Zysk ist im Urlaub und kann nicht unterschreiben. Lohmann
Nonnenkamp
Hahne