Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.10.1991, Az.: III ZR 100/90
Billigkeit; Billigkeitskontrolle; Abwasserentgelt; Benutzungsverhältnis; Öffentlich – rechtlicher Zweckverband
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 10.10.1991
- Aktenzeichen
- III ZR 100/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 14206
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 315 Abs. 3 BGB
- § 6 KAG SchlH
Fundstellen
- BGHZ 115, 311 - 323
- BB 1991, 2471-2474 (Volltext mit amtl. LS)
- DVBl 1992, 369-372 (Volltext mit amtl. LS)
- DÖV 1992, 583-585 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1992, 84 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1992, 171-174 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1991, 2071-2075 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle tariflicher Abwasserentgelte, die ein öffentlich-rechtlicher Zweckverband im Rahmen eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses festgesetzt hat.
Tatbestand:
Die Beklagte war Inhaberin des Campingbetriebes "Europa-Camping" in M. Im Jahre 1971 wurde das Baugebiet F.Strand, zu dem mehrere Campingplätze, darunter derjenige der Beklagten, gehörten, durch eine Schmutzwasserleitung an das Klärwerk der Stadt B. a.F. 4angeschlossen. Trägerin dieser Baumaßnahme war die damalige Gemeinde M., jetzt B.
Im Vertrag vom 21. Oktober 1971, der eine Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 1990 hatte, verpflichtete sich die Stadt B. a.F. gegenüber der Gemeinde M., das anfallende Schmutzwasser abzunehmen und die Reinigung, Unterhaltung und Instandsetzung der Entwässerungsanlagen der Gemeinde zu übernehmen. Diese hatte für die Mitbenutzung der städtischen Entwässerungsanlagen ein "kostenechtes Entgelt i. S. des § 6 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz" zu zahlen. Damit sollten auch die Reinigungs-, Unterhaltungs-, Instandsetzungs- und Verwaltungskosten der in der Gemeinde vorhandenen Entwässerungsanlagen abgegolten werden. Weiter heißt es in dem Vertrag, daß im Stadt- und Gemeindegebiet möglichst einheitliche Gebührensätze gelten sollten.
Durch Vertrag vom 24. November 1971 verpflichteten sich die Betreiber der Campingplätze, die sog. Zwischenlieger, gegenüber der L. & S. KG, welche die Kosten der Entwässerungsmaßnahme übernehmen sollte, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Der Vater und Rechtsvorgänger der Beklagten sollte dazu einen Betrag von 300.000 DM leisten, der ihm in der Weise gestundet wurde, daß bis einschließlich 1990 jährlich 25.000 DM, insgesamt mithin 500.000 DM, zu zahlen waren. Am Abschluß dieses Vertrages war auch ein Vertreter der Gemeinde M. beteiligt.
Da die Gemeinde zunächst keine eigene Gebührensatzung hatte, rechnete das Amt F. für sie die Benutzung der Abwasseranlagen in Anwendung der Gebührensatzung der Stadt B. a.F. ab. Nach Erlaß der gemeindlichen Gebührensatzung vom 3. Juli 1978 nahm das Amt F. in seinen Abrechnungsbescheiden ausdrücklich Bezug auf den Vertrag zwischen der Stadt B. a.F. und der Gemeinde M. vom 21. Oktober 1971.
Das Amt F. trat durch Vertrag vom 13./26. November 1980 dem Kläger bei, dem als Zweckverband die Beseitigung des Abwassers in seinem Verbandsgebiet obliegt. Gemäß einer vom Amt F. und dem Kläger unterzeichneten Protokollnotiz vom 1./23. Dezember 1982 trat der Kläger in den Vertrag zwischen der Stadt B. a.F. und der früheren Gemeinde M. vom 21. Oktober 1971 ein. Er erhebt ab 1. Januar 1982 die Entgelte nach seinen Benutzungsbedingungen. Durch den 1. Nachtrag zum Beitrittsvertrag vom 1./23. Dezember 1982 wurde die Zuständigkeit des Klägers auf das Gebiet der Gemeinde B. (früher M.) mit der Maßgabe erstreckt, daß der Nachtrag am 1. Januar 1982 in Kraft treten sollte.
Das Amt F. teilte den Benutzern mit Schreiben vom 17. Januar 1983 mit, daß der Kläger ab 1. März 1983 die Abrechnungen übernehmen werde, und zwar einschließlich derjenigen für das Jahr 1982. Die Gemeinde B. gab daraufhin die Aufhebung ihrer Gebührensatzung mit Wirkung vom 31. Juli 1982 bekannt.
Der Kläger stellte der Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 30. Juni 1986 insgesamt 113.998,20 DM für die Abwasserbeseitigung in Rechnung. Die Beklagte zahlte weiterhin nur das Entgelt, das ihrer Meinung nach aufgrund der Satzung der Gemeinde B. vom 3. Juli 1978 zu erheben war, insgesamt 34.699,65 DM.
Der Kläger hat mit der Klage für den genannten Zeitraum rückständige Abwasserentgelte in Höhe von 79.298,55 DM sowie einen Verzugszinsschaden von 16.977,78 DM, insgesamt also einen Betrag von 96.276,33 DM, geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger sein Begehren hilfsweise auf weitere, nach dem 12. Juni 1986 angefallene Abwasserentgelte (19.053,81 DM) sowie 6.204,88 DM Verzugszinsen gestützt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch nach Maßgabe der im zweiten Rechtszug gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Für den geltend gemachten Anspruch ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben (§ 13 GVG).
Es steht im Ermessen der öffentlichen Hand, die Abwasserbeseitigung als Maßnahme der Daseinsvorsorge entweder mit den Gestaltungsmitteln des öffentlichen Rechts oder in den Formen des Privatrechts zu betreiben (std.Rspr:, zuletzt Senatsurteil vom 28. Februar 1991 - III ZR 49/90 - BGHR GVG § 13 Daseinsvorsorge 1 = WM 1991, 1394, 1396 m.w.Nachw.). Das gilt unabhängig davon, ob - wie auch im vorliegenden Fall - die Leistungsgewährung mit einem (öffentlich-rechtlichen) Anschluß- und Benutzungszwang verknüpft ist (Senatsurteil aaO. m.w.Nachw.).
Der Kläger hat sein Leistungsverhältnis zu den Benutzern der Abwasserbeseitigungsanlage privatrechtlich ausgestaltet. Nach § 15 Nr. 2 seiner Satzung vom 22. Dezember 1981 wird der Inhalt des Benutzungsverhältnisses, auch soweit es um die Berechnung der Mengen, Tarife und Leistungsentgelte geht, in einem privatrechtlichen Entsorgungsvertrag festgelegt, dem die Allgemeinen Bedingungen des Zweckverbandes 0. für den Anschluß an die Abwasseranlagen und deren Benutzung (AEB Abwasser) in ihrer jeweils gültigen Fassung zugrunde liegen, soweit der Vertrag keine Sonderregelung enthält. Näheres über das Zustandekommen des Entsorgungsvertrages und seine inhaltliche Ausgestaltung ist in Teil I §§ 1 ff. AEB Abwasser vom 22. Dezember 1981 geregelt. Aus diesen Rechtsgrundlagen leitet der Kläger den Klageanspruch her.
II. 1. Zu Unrecht bezweifelt die Revisionserwiderung das Zustandekommen eines Entsorgungsvertrages zwischen den Parteien. Die Beklagte hat die vom Kläger angebotene Leistung, die Abwasserbeseitigung, durch Nutzung der vom Kläger zur Verfügung gestellten Einrichtungen konkludent angenommen. Eines schriftlichen Vertragsabschlusses bedurfte es - auch nach der Regelung in § 2 AEB Abwasser - nicht (Senatsurteile vom 25. März 1982 - III ZR 159/80 - NVwZ 1983, 58, 59 und vom 28. Februar 1991 aaO.). Unerheblich ist, in welchem Zeitpunkt die Beklagte Kenntnis davon erlangt hat, daß der Kläger die Abwasserbeseitigung übernommen hatte. Der Vertrag ist auch dann zwischen den Parteien zustande gekommen, wenn die Beklagte ursprünglich angenommen haben sollte, diese Aufgabe werde (noch) von der Gemeinde B. bzw. dem Amt F. erfüllt. Vertragspartner des Benutzers ist in derartigen Fällen grundsätzlich derjenige, der die Abwasserbeseitigungsanlage betreibt. Der vorliegende Fall weist keine Besonderheit auf, die eine abweichende Beurteilung gebietet. Daß das Amt F. vor Übernahme der Anlage durch den Kläger die Abrechnung aufgrund der Beitrags- und Gebührensatzung vom 3. Juli 1978, also auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, vorgenommen hatte, steht dem nicht entgegen.
2. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Kläger die Abwasserbeseitigung aufgrund des 1. Nachtrags vom 1./23. Dezember 1982 zum Beitrittsvertrag vom 13./26. November 1980 i.V.m. der Protokollnotiz vom 1./23. Dezember 1982 erst mit Wirkung vom i. Januar 1983 übertragen worden, so daß im Jahre 1982 ein Vertragsverhältnis noch nicht bestanden hat. Die Revision beruft sich demgegenüber auf Art. 2 des 1. Nachtrags, wonach dieser bereits am 1. Januar 1982 in Kraft getreten ist. Diese Frage bedarf indessen keiner weiteren Erörterung, weil - wie noch auszuführen sein wird der Klageanspruch jedenfalls aus anderen Gründen insgesamt unbegründet ist.
3. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beklagte nicht darauf beschränkt, ihre Einwendungen gegen die Entgeltansprüche des Klägers im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen.
a) Die Regelung in Teil II AEB Abwasser, auf dessen § 11 Nr. 1 sich die Revision insoweit beruft, betrifft die Erhebung anteiliger Anlagekosten und die Erstattung von Anschlußkosten, also Kosten für Baumaßnahmen. Darum geht es hier nicht.
b) Nach § 30 Nr. 1 des am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen 3. Nachtrags zu den AEB Abwasser berechtigen Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen. Das Berufungsgericht legt diese B dahin aus, daß sie dem Benutzer nicht auch Einwendungen gegen die Anwendbarkeit des Tarifsystems als solches abschneidet; mit Einwendungen gegen die wesentlichen Grundlagen der Abrechnung könne der Benutzer nicht auf den Rückforderungsprozeß verwiesen werden. Diese tatrichterliche Würdigung, die in der Sache den Ausführungen des Senatsurteils vom 24. März 1988 (III ZR 11/87 - BGHR Berl.StraßenreinigungsG § 1 Abs. 1 - Geschlossene Ortslage 1) entspricht, bindet das Revisionsgericht, mag auch die Annahme des Berufungsgerichts Bedenken begegnen, daß in Fällen, in denen der Kläger seinen Abrechnungen zu Unrecht seine Tarife zugrunde lege, regelmäßig ein "offensichtlicher" Fehler i. 5. des § 30 Nr. i aaO. gegeben sei. Anhaltspunkte dafür, daß sich der Geltungsbereich der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen des Klägers über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 549 Abs. 1 ZPO) und deshalb die Bedingungen vom Revisionsgericht selbständig ausgelegt werden können, liegen nicht vor.
4. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Beklagte das Recht, das mit der Klage verlangte Entgelt zu verweigern, weder aus dem zwischen der Gemeinde M. und der Stadt B. a.F. am 21. Oktober 1971 geschlossenen Vertrag noch aus dem Erschließungsvertrag vom 24. November 1971 herleiten. § 6 des Vertrages vom 21. Oktober 1971 enthalte keine Regelung zugunsten der Zwischenlieger. Dem Vertrag vom 24. November 1971 sei eine Verpflichtung der Gemeinde, die Benutzungsgebühren künftig denjenigen der Stadt B. a.F. anzugleichen, nicht zu entnehmen. Wenn der damalige Bürgermeister der Gemeinde vor Abschluß des Erschließungsvertrages geäußert habe, die Zeltplatzbetreiber könnten bei Beteiligung an den Investitionskosten sicher sein, für die nächsten 20 Jahre keine höheren laufenden Abwassergebühren zahlen zu müssen als die Einwohner der Stadt B. a.F., so stelle dies nur eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung dar. Diese Ausführungen nimmt die Revision als ihr günstig hin. Sie werden auch von der Revisionserwiderung nicht angegriffen.
5. Das Berufungsgericht begründet die Klageabweisung im wesentlichen wie folgt:
Die Berechnung des von der Beklagten dem Kläger geschuldeten Entgelts unterliege der gerichtlichen Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB. Diese ergebe, daß die Beklagte dem Kläger über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus kein weiteres Entgelt schulde. Der zwischen der Gemeinde M. und der Stadt B. a.F. geschlossene Vertrag vom 21. Oktober 1971 sei im Zusammenhang mit dem Erschließungsvertrag vom 24. November 1971 zu sehen. Das Amt F. habe die von den Zwischenliegern zu entrichtenden Abwassergebühren auf der Grundlage des an die Stadt gezahlten Entgelts errechnet. Der Rechtsvorgänger der Beklagten habe durch seine Erschließungsbeiträge die Herstellung der Kanalisation mit ermöglicht, so daß der Kläger in das bestehende Nutzungsverhältnis habe eintreten können. Die Investitionen des Rechtsvorgängers der Beklagten müßten dieser zugute kommen. Ihr könnten danach nur die an die Stadt B. a.F. gezahlten Nutzungsentgelte zuzüglich eines angemessenen Aufschlags auferlegt werden. Der Kläger müsse also auf der Grundlage der §§ 6 bis 8 des zwischen der Gemeinde M. und der Stadt B. a.F. geschlossenen Vertrages abrechnen. Ihm stehe somit nur dasjenige Entgelt zu, das zuletzt das Amt F. berechnet habe. Daß für den hier maßgebenden Zeitraum ein höheres Entgelt als 1,03 DM/cbm an die Stadt B. a.F. gezahlt worden sei, habe der Kläger nicht dargetan.
Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß die Tarife von Unternehmen, die - im Rahmen eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses - Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (RGZ 111, 310, 313; BGHZ 73, 114, 116; BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 - KZR 16/70 - WM 1971, 1456, 1457; Urteil vom 27. Oktober 1972 - KZR 9/71 - LM LuftVZO Nr. 2; Senatsurteil vom 24. November 1977 - III ZR 27/76 - LM LuftVZO Nr. 5; BGH, Urteil vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 81/82 - WM 1983, 341, 342; Senatsurteil vom 3. November 1983 - III ZR 227/82 MDR 1984, 558; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - VII ZR 77/86 - BGHR AVBGasV § 9 - Verwaltungsprivatrecht 1 = WM 1987, 295, 296; BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 - VII ZR 209/89 - BGHR BGB § 315 Abs. 3 - Stromversorgung 1).
b) Die Erwägungen, aus denen die Revision im Streitfall die Zulässigkeit einer Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB verneint, greifen nicht durch.
aa) Es trifft zwar zu, daß der Kläger die Abwasserbeseitigung als öffentliche Aufgabe wahrnimmt. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 des Wassergesetzes des Landes Schleswig-Holstein (Landeswassergesetz - LWG -) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landeswassergesetzes vom 7. Mai 1979 (GVOBl. S. 328) sind grundsätzlich die Gemeinden Träger der Abwasserbeseitigungspflicht; dabei handelt es sich um eine gemeindliche Pflichtaufgabe im Rahmen der Selbstverwaltung (dazu Kollmann, Wassergesetz des Landes Schleswig-Holstein § 35 Erl. 1; s. auch Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht 2. Aufl. Rn. 303), welche die Gemeinden auf Zweckverbände - nach § 4 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit (GkZ) i. d. F. vom 11. November 1977 (GVOBl. S. 455) Körperschaften des öffentlichen Rechts - übertragen können (§ 35 Abs. 6 LWG i.V.m. den Vorschriften des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit).
Die Rechtsnatur der Abwasserbeseitigungspflicht als öffentliche Aufgabe, deren Charakter und Inhalt durch Normen des öffentlichen Rechts geprägt ist, zwingt jedoch nicht zu der Folgerung, die die Entgeltpflicht der Benutzer regelnde Tarifordnung und die Festsetzung der Entgelte seien einer gerichtlichen Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB entzogen. Wie oben ausgeführt, kann die öffentliche Hand Leistungsverhältnisse im Rahmen der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Form regeln. Entscheidet sie sich für diese Möglichkeit, so muß sie es hinnehmen, daß der privatrechtliche Gehalt solcher Benutzungsverhältnisse der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach den für das Privatrecht maßgebenden Rechtssätzen unterliegt. Daß bei der Festsetzung der Tarife und Entgelte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind, schließt die richterliche Inhaltskontrolle nicht grundsätzlich aus (vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I 9. Aufl. § 23 II b). Auch die vorgeschriebene Bestätigung durch den Innenminister (§ 14 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein - KAG - i. d. F. vom 17. März 1978 CGVOBl. S. 71)) entzieht die Festsetzung nicht der Nachprüfung durch die ordentlichen Gerichte (zur Bedeutung der Genehmigungsbedürftigkeit in diesem Zusammenhang vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1972 aaO. und Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO.).
bb) Zu Unrecht verweist die Revision für ihren gegenteiligen Standpunkt auf das Senatsurteil BGHZ 91, 84 [BGH 05.05.1984 - III ZR 12/83]. Dort hat der Senat zwar entschieden, daß in Fällen, in denen die Verwaltung in den Formen des Privatrechts öffentliche Aufgaben wahrnimmt, die privatrechtlichen Normen durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert werden (sog. Verwaltungsprivatrecht). Dabei hat die Verwaltung außer den Grundrechten jedenfalls die grundlegenden Prinzipien öffentlicher Finanzgebarung zu beachten (aaO. S. 96 f.). Sie ist also im vorliegenden Zusammenhang insbesondere an die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung gebunden (Wolff/Bachof aaO.; Salzwedel in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht 8. Aufl. S. 463 ff., 474 ff.).
Daraus läßt sich indessen gegen die Zulässigkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle privatrechtlicher Tarifordnungen und Entgeltfestsetzungen nichts herleiten. Die Revision berücksichtigt insoweit nicht, daß jene Ausführungen ihrem Gesamtzusammenhang und ihrer Zielsetzung nach die Schutzbedürftigkeit des einzelnen Bürgers gegenüber der Erschließung illegaler Finanzquellen durch die öffentliche Verwaltung herausstellen sollten. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Aussage, daß es durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen würde, wollte man durch Allgemeine Geschäftsbedingungen dem Bürger Entgelte für Leistungen abverlangen, für die bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses Abgaben nicht erhoben werden dürften (aaO. S. 971. Dieser am Schutzbedürfnis des betroffenen Bürgers orientierten Erwägung kann nicht entnommen werden, Unbilligkeiten, die sich aus der einseitigen Festsetzung privatrechtlich geregelter Entgelte für Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge ergeben, müßten ohne gerichtliche Nachprüfung hingenommen werden. Demgemäß hat der Senat schon im Urteil vom 24. November 1977 (aaO.) hervorgehoben, die von Unternehmen der Daseinsvorsorge im Privatrechtsverkehr mit ihren Benutzern verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätten sich einer willkürlichen Differenzierung zu enthalten, wenn sie noch als "billig" angesehen werden sollten. Die Bindung an die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns schließt also die Billigkeitskontrolle nicht grundsätzlich aus; sie kann vielmehr, jedenfalls soweit es dabei um die Beachtung von Prinzipien geht, denen - wie dem Gleichbehandlungsgebot und dem Äquivalenzgrundsatz - ihrerseits ein Gerechtigkeits- und Billigkeitsgehalt immanent ist, im konkreten Fall wesentlich zur Rechtfertigung der Billigkeitsentscheidung beitragen.
Ob der Kläger bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses berechtigt und verpflichtet wäre, von der Beklagten die bezeichneten Entgelte in derselben Höhe als Gebühren zu verlangen, kann dahinstehen. Nachdem er sich dafür entschieden hat, die Abwasserbeseitigung in privatrechtlicher Form zu betreiben, ist er insoweit auch der Kontrolle durch die ordentliche Gerichtsbarkeit unterworfen.
cc) Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß mit der Bindung der Tariffestsetzungen an das Kostendeckungsprinzip der Umfang der zu zahlenden Entgelte (auch) an einem objektiven Beurteilungsmaßstab ausgerichtet ist. Ungeachtet dessen verbleibt dem Kläger für die Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist.
Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG sollen Benutzungsgebühren so bemessen werden, daß sie die Kosten der laufenden Verwaltung und Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung decken. Dieses Gebot, das ohnehin nur den Regelfall in Gestalt einer Sollvorschrift erfaßt und für den Fall des Anschluß- und Benutzungszwanges durchbrochen werden darf (§ 6 Abs. 3 KAG), besagt lediglich, daß das zu veranschlagende Gesamtgebührenaufkommen der betreffenden Einrichtung die Gesamtkosten der angebotenen Leistungen einerseits erreichen, andererseits nicht übersteigen soll (Hempel, Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein § 4 Rn. 19; Bauernfeind/Zimmermann, Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. § 6 Rn. 11). Der Kostendeckungsgrundsatz gilt also nicht auch für die einzelne Gebührenveranlagung (Bauernfeind/Zimmermann aaO.). Er stellt, da bei der Kalkulation die genauen Kosten noch nicht bekannt sind, nur eine die voraussichtlichen Kosten erfassende "Veranschlagungsmaxime" dar (Bauernfeind/Zimmermann aaO.).
Daraus folgt: Das Kostendeckungsprinzip beläßt dem Kläger bei der Festsetzung der Tarife und Entgelte einen Spielraum. Das gilt sowohl für die Wahl von Bemessungsmaßstäben und "Gebühren"-Arten als auch für sachgerechte Differenzierungen zwischen verschiedenen Benutzergruppen. Das Prinzip der Kostendeckung hindert deshalb den Kläger nicht, innerhalb des ihm verbleibenden Spielraums dem Gesichtspunkt billigen Ermessens Rechnung zu tragen.
Dies gilt in besonderem Maße für die hier zu beurteilende Fallkonstellation. Die Beklagte stellt nicht etwa das Tarifsystem des Klägers als solches in Frage; sie bekämpft vielmehr nur dessen uneingeschränkte Anwendung auf die Zwischenlieger. Damit erstrebt sie eine einzelfallbezogene Differenzierung, die dem Gebot der Kostendeckung nicht zuwiderläuft und die, sofern sie sachgerecht ist, auch mit sonstigen Grundsätzen der öffentlichen Finanzgebarung, insbesondere dem Gleichbehandlungsgebot und dem Äquivalenzprinzip im Einklang steht.
dd) Das vom Kläger zur inhaltlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses geschaffene Regelwerk schließt eine solche Differenzierung in Form von Individualvereinbarungen mit einzelnen oder Gruppen von Benutzern nicht aus (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 aaO.). § 15 Nr. 2 der Satzung räumt ihm vielmehr ausdrücklich die Möglichkeit zum Abschluß von Entsorgungsverträgen ein, die eine von den AEB Abwasser abweichende Sonderregelung enthalten. Bei solcher Sachlage kann die Zulässigkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nicht grundsätzlich verneint werden.
ee) Dem Kläger kommt in seinem Leistungsbereich eine Monopolstellung zu, in deren Rahmen er die Tarife und Entgelte mit bindender Wirkung für die Benutzer einseitig festsetzt. Das ergibt sich aus dem in § 7 der Satzung normierten Anschluß- und Benutzungszwang. Die abweichende Auffassung der Revision entbehrt der tatsächlichen und rechtlichen Grundlage.
c) Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt (BGH, Urteil vom 21. März 1961 - I ZR 133/59 - NJW 1961, 1251, 1252), ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ballhaus in BGB-RGRK 12. Aufl. § 315 Rn. 20; Söllner aaO. Rn. 28) und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
aa) Nachdem die Zwischenlieger - in Verbindung mit der L. & S. KG - nach Maßgabe des Erschließungsvertrages vom 24. November 1971 die (gesamten) Kosten der Errichtung der Schmutzwasserleitung zwischen dem Baugebiet F.-Strand und der Stadt B. a.F. übernommen hatten, durften sie darauf vertrauen, daß der Kläger als Betreiber der Abwasseranlage sie nicht erneut zur Beteiligung an diesen Kosten, dem Herstellungsaufwand, heranziehen würde. Das ergibt sich schon aus Ziffer 2.43 des Vertrages zwischen dem Amt F. und dem Kläger vom 13:/26. November 1980, dessen Bestimmungen auch für den Beitritt der Gemeinde B. gelten (1. Nachtrag zum Beitrittsvertrag vom 1./23. Dezember 1982). Danach ist der Kläger "nicht berechtigt, von den Eigentümern der Grundstücke, für die anteilige Investitionskosten an das Amt gezahlt sind, erneut eine Kostenbeteiligung für Straßenkanäle und Hausanschlüsse zu fordern".
Gegen diese Vertragsbestimmung, der ersichtlich drittschützende Wirkung zugunsten der betroffenen Benutzer und damit auch der Zwischenlieger zukommt, hat der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen (insbesondere Schriftsätze vom 24. März 1987 S. 5 und 6 sowie vom 8. Januar 1990 S. 14) verstoßen. Danach ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Der Kläger hat seinerzeit den Wert der von ihm übernommenen Abwasseranlage mit dem von der Gemeinde B. geschuldeten Beitrittsentgelt verrechnet, die Anlage also "bezahlt". Die ihm dadurch erwachsenen Kosten sowie den weiteren; nach der Übernahme entstandenen Investitionsaufwand legt er in der Weise auf die Benutzer um, daß er diese Aufwendungen in die von den Benutzern zu zahlenden tariflichen Entgelte einrechnet. Die Umlage erfaßt die Abschreibung und Verzinsung des Investitionsaufwandes. Dabei werden die durch den Grundpreis nicht gedeckten Kosten "auf andere Weise", u.a. über den Arbeitspreis, hereingeholt.
Hiernach muß davon ausgegangen werden, daß in den tariflichen Entgelten, deren Zahlung der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit verlangt, auch nicht näher aufgeschlüsselte anteilige Kosten in Gestalt der Abschreibung und Verzinsung des für die Herstellung des Schmutzwasserkanals zwischen dem Baugebiet F.-Strand und der Stadt B. a.F. anzusetzenden Aufwandes enthalten sind. In Höhe dieses Anteils hat das Berufungsgericht eine Zahlungspflicht der Beklagten rechtsfehlerfrei verneint.
bb) Soweit die der Beklagten in Rechnung gestellten Abwasserentgelte Anteile sonstigen Investitionsaufwandes und laufender Kosten enthalten, fehlt es dagegen an einer vergleichbar eindeutigen Grundlage für eine Billigkeitsentscheidung zugunsten der Beklagten. Insoweit brauchte der Senat aber nicht zu prüfen, ob das Berufungsgericht aus Rechtsgründen gehindert war, die Erwartung der Zwischenlieger, die von ihnen zu zahlenden Abwasserentgelte würden für eine gewisse Zeit an den von der Stadt B. a.F. für die Mitbenutzung der städtischen Entwässerungsanlage berechneten "kostenechten" Entgelten ausgerichtet, nach billigem Ermessen als schutzwürdig anzusehen. Selbst wenn nämlich das angefochtene Urteil in diesem Punkt rechtsfehlerhaft wäre, würde das der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, weil weder die tatrichterlichen Feststellungen noch das Parteivorbringen eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung bieten, inwieweit sich die vom Kläger verlangten Abwasserentgelte aus in diesem Zusammenhang berücksichtigungsfähigen und nicht zu berücksichtigenden Kostenanteilen zusammensetzen. Dies im einzelnen vorzutragen, oblag dem Kläger, den die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, daß seine Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht (BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteile vom 30. Juni 1969 - VII ZR 170/67 - LM BGB § 315 Nr. 9; vom 20. Oktober 1980 - II ZR 190/79 - NJW 1981, 571, 572; vom 4. Dezember 1986 - VII ZR 77/86 - aaO.). Er hat jedoch nicht einmal substantiiert dargelegt, aus welchen Elementen sich die von ihm berechneten Grund- und Arbeitspreise zusammensetzen. Vor allem aber ermöglicht sein Sachvortrag dem Richter nicht die Prüfung, in welchem Umfang in die Preisberechnung einerseits anteilige Kosten (Abschreibung und Verzinsung) der Errichtung der Schmutzwasserleitung zwischen F.-Strand und B. a.F. und andererseits sonstiger Investitionsaufwand sowie laufende Kosten eingeflossen sind. Auch für eine Schätzung nach § 287 ZPO fehlt insoweit jegliche Grundlage. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers, über die Zusammensetzung seiner tariflichen Abwasserentgelte keinen Aufschluß geben zu müssen, ist nicht ersichtlich. Daß das Berufungsgericht es unterlassen hat, auf den Mangel im Klägervortrag hinzuweisen (§ 139 ZPO), hat die Revision nicht gerügt. Im übrigen hätte es eines solchen Hinweises schon deswegen nicht bedurft, weil in diesem Rechtsstreit die Darlegung, aus welchen Kostenelementen sich die der Beklagten in Rechnung gestellten Abwasserentgelte im einzelnen zusammensetzen, zu den selbstverständlichen prozessualen Pflichten des Klägers gehörte.