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Windenergieanlage - Nachbarschutz

 Normen 

§ 249 BauGB

§ 35 BauGB

§§ 17 Abs. 1, 20 Abs. 1 BImSchG

 Information 

1. Allgemein

Rechtliche Problematiken ergeben sich bei Windenergieanlagen nicht nur im Hinblick auf die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes, sondern auch hinsichtlich der Beachtung des für Windenergieanlagen geltenden Nachbarschutzes.

Von behördlicher Seite müssen die Belange der Nachbarn einer Windenergieanlage im Baugenehmigungsverfahren beachtet werden. Eine Genehmigung darf dann nicht erteilt werden, wenn die Windkraftanlagen zu unzumutbaren Störungen mit Blick auf die benachbarten schutzwürdigen Nutzungen (vor allem Wohnhäuser) führen können.

Neben der Störung durch Lärmimmissionen kommen als weitere nachbarrechtliche Beeinträchtigungen, ausgelöst durch die sich permanent drehenden Rotorblätter in Betracht:

  • störende Licht- / Schattenreflexe (auch Disco-Effekt genannt)

  • Eiswurf

  • optisch bedrängende Wirkung

Nach dem Urteil OVG Niedersachsen 31.03.2011 - 12 KN 187/08 muss "die Abwägungsentscheidung des zuständigen Organs des Planungsträgers bei der Flächenauswahl im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle durch die Begründung bzw. Erläuterung der Planung und die Aufstellungsunterlagen bzw. Verfahrensakten hinreichend dokumentiert und nachvollziehbar sein."

Zudem ist in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben gegenüber einer dort bereits ausgeübten, genehmigten Nutzung auch dann rücksichtslos sein kann, wenn diese einen Privilegierungstatbestand nach § 35 BauGB für sich nicht in Anspruch nehmen könnte (BVerwG 23.12.2010 - 4 B 36/10).

Aber:

Der Nachbarschutz von Windenergieanlagen wurde bzw. wird durch neue Regelungen zur Sicherung der Energieversorgung sehr stark eingeschränkt. Mit dem am 01.02.2023 in Kraft getretenen § 245e BauGB wird z.B. geregelt, dass wenn in einem Flächennutzungsplan oder Raumordnungsplan zusätzliche Flächen für die Nutzung von Windenergie dargestellt werden, die Abwägung auf die Belange beschränkt werden kann, die durch die Darstellung der zusätzlichen Flächen berührt werden. Dabei kann von dem Planungskonzept, das der Abwägung über bereits dargestellte Flächen zu Grunde gelegt wurde, abgewichen werden, sofern die Grundzüge der Planung erhalten werden.

2. Privilegierung im Außenbereich

Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ist im Außenbereich ein Windenergievorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient.

3. Mindestabstände zu Wohngebäuden

Optisch bedrängende Wirkung:

Die zum 01.01.2023 neu in § 249 Abs. 10 BauGB eingefügte Regelung konkretisiert und begrenzt die aus dem sogenannten "Verbot der optisch bedrängenden Wirkung" folgenden Anforderungen für Windenergieanlagen. Das Verbot der optisch bedrängenden Wirkung ist bislang gesetzlich nicht geregelt, sondern wird aus dem planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot abgeleitet. Die auf dieser Grundlage geforderten Abstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung sind optisch und nicht durch Erwägungen des Gesundheitsschutzes begründet.

Die Regelung stellt klar, dass der optische Schutz allein den Nahbereich um die Windenergieanlagen erfasst. Bei einem Abstand von über 300 Metern ist eine optische Bedrängung regelmäßig nicht anzunehmen. Die Regelung lässt jedoch Raum, den besonderen Verhältnissen im Einzelfall Rechnung zu tragen. Eine optisch bedrängende Wirkung von weiter als 300 Meter entfernten Anlagen kommt jedoch nur ausnahmsweise in Betracht, wenn an-derenfalls die Schwelle der Zumutbarkeit aufgrund besonderer Umstände überschritten würde. Hiervon unberührt bleiben die immissionsschutzrechtlich begründeten Abstandsvorgaben, die dem Lärm- und Gesundheitsschutz der Anwohner dienen.

Gesonderte Abstandsregelungen in den Ländern:

Gemäß § 249 Abs. 9 BauGB können die Länder durch Landesgesetze bestimmen, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie bestimmte Mindestabstände zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken einhalten (sog. Länderöffnungsklausel).

Jedoch wird nunmehr in § 249 Abs. 9 BauGB vorgegeben, dass der von den Ländern festgesetzte Mindestabstand höchstens 1.000 m betragen darf.

In Nordrhen-Westfalen hat der landtag am 25.08.2023 einem Gesetzentwurf zugestimmt, mit dem der pauschale 1.000-Meter-Mindestabstand zu Wohnflächen abgeschafft wird. Damit ist NRW eines der dann drei Bundesländer ohne eine pauschale Abstandsvorgabe (Stand August 2023).

Begriffsbestimmung Mindestabstand: 

Der Mindestabstand wird gemessen von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zur nächstgelegenen im Landesgesetz bezeichneten baullichen Nutzung zu Wohnzwecken.

Kein Mindestabstand für Flächen nach dem WindBG: 

Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes muss auf der Grundlage dieses Absatzes neu erlassenes Landesrecht vorsehen, dass die Mindestabstände auf Flächen in Windenergiegebieten nach § 2 Nr. 1 WindBG keine Anwendung finden. Dies gilt sowohl für wirksam ausgewiesene Gebiete in Bestandsplänen als auch für Ausweisungen von Flächen für die Windenenergie an Land in neuen Raumordnungs- und Bauleitplänen. Bestehende Landesgesetze, die auf Grundlage des § 249 Abs. 3 BauGB in einer vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung erlassen wurden, mussten bis zum Ablauf des 31. Mai 2023 entsprechend angepasst werden. Seit dem 1. Juni 2023 ist landesgesetzlichen Regelungen, die der Verpflichtung des Satzes 5 nicht genügen, die Kompetenzgrundlage entzogen.

Das bedeutet, dass die Abstandsregelungen für Anlagen in Windenergiegebieten im Sinne des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und für Repoweringvorhaben aufgehoben ist. Das gilt jedoch nicht für die Abstandsgebote aufgrund anderer Rechtsgrundlagen, so z.B. nach dem Immissionsschutz (Schall, Schattenwurf etc.).

4. Lärmschutz

Welche Lärm-Immissionswerte für Windenenergieanlagen gelten, ergibt sich aus der TA Lärm.

Hinweis

Bei der Beurteilung von Lärmimmissionen, die von einer Windkraftanlage ausgehen, darf bei Anwendung der TA Lärm nicht auf ältere - für den Bauherrn günstigere Fassungen - abgestellt werden. Es ist stets das aktuellste Regelwerk zugrunde zu legen.

Als Maßnahme bei Nichteinhaltung der einschlägigen Immissionsrichtwerte kommt nicht automatisch die Versagung der Genehmigung der Anlage in Betracht; vielmehr kann dem Betreiber auferlegt werden, durch Drosselung der Drehzahl die zulässigen Lärm-Immissionsrichtwerte einzuhalten.

In jedem Einzelfall ist deshalb eine gutachterliche Schall- und Schattenwurfprognose vom Antragsteller vorzulegen. Hierbei sind Vorbelastungen durch bereits vorhandene Anlagen zu berücksichtigen. Im Baugenehmigungsverfahren erfolgt die Beurteilung der Unterlagen unter Hinzuziehung des Staatlichen Amtes für Umweltschutz.

 Siehe auch 

Bauordnungsrecht und Nachbarschutz

Bauplanungsrecht und Nachbarschutz

Windenergieanlage

Hanne: Das öffentliche Baurecht in der Praxis; 2. Auflage 2021

Salje: EEG 2023. Kommentar; 10. Auflage 2023