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Windenergieanlage

 Normen 

Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)

§ 249 BauGB

Landesbauordnungen der einzelnen Bundesländer, so z.B. § 6 Abs. 13 BauO NRW 2018,NW

Erlasse und Richtlinien der Länder

WindSeeG

1. WindSeeV

 Information 

1. Planungsrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen

1.1 Allgemein

Eine Windenergieanlage ist eine bauliche Anlage i.S.d. Bauplanungsrechtes, insoweit sind die §§ 29 ff. BauGB anwendbar. Zu prüfen sind die materiellen Voraussetzungen im Baugenehmigungsverfahren. Bei drei und mehr Windenergieanlagen bedarf es aufgrund von § 4 BImSchG eines immissionsschutzrechlichen Genehmigungsverfahrens.

Eine große Bedeutung hat neben dem Natur- und Umweltschutz der Nachbarschutz einer Windenergieanlage.

Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ist ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht widerspricht. Zu prüfen ist zunächst, ob es sich bei der Windkraftanlage um eine Haupt- oder Nebenanlage handelt.

Aktuell:

Der Ausbau der Windenergie wird von der Bundes- und den Landesregierungen derzeit verstärkt vorangetrieben und durch den Abbau von juristischen Hemmnissen erleichtert.

Gemäß der Neufassung von § 2 EEG 2023 liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen und Nebenanlagen der erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.

Die Definition der erneuerbaren Energien als im überragenden öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit dienend muss im Fall einer Abwägung dazu führen, dass das besonders hohe Gewicht der erneuerbaren Energien berücksichtigt werden muss. Die erneuerbaren Energien müssen daher bis zum Erreichen der Treibhausgasneutralität als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung eingebracht werden. Konkret sollen die erneuerbaren Energien damit im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u.a. gegenüber seismologischen Stationen, Radaranlagen, Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz oder im Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht nur in Ausnahmefällen überwunden werden.

Besonders im planungsrechtlichen Außenbereich, wenn keine Ausschlussplanung erfolgt ist, muss dem Vorrang der erneuerbaren Energien bei der Schutzgüterabwägungen Rechnung getragen werden. Öffentliche Interessen können in diesem Fall den erneuerbaren Energien als wesentlicher Teil des Klimaschutzgebotes nur dann entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Artikel 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind oder einen gleichwertigen Rang besitzen. Im planungsrechtlichen Außenbereich mit Ausschlussplanung ist regelmäßig bereits eine Abwägung zugunsten der erneuerbaren Energien erfolgt.

Mit dem neuen § 245e BauGB sind am 01.02.2023 Überleitungsvorschriften aus Anlass des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land in Kraft getreten.

1.2 Flächenbedarf

Mit dem am 01.02.2023 in Kraft getretenen Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) werden den Ländern verbindliche Flächenziele (sogenannte Flächenbeitragswerte) vorgegeben.

Die Flächenbeitragswerte leiten sich aus den EEG-Ausbauzielen her und bilden damit die energiewirtschaftlichen Flächenbedarfe ab. Ebenfalls berücksichtigt sind die erforderlichen Realisierungszeiträume für Genehmigung und Bau von Windenergieanlagen an Land nach Inkrafttreten entsprechender Flächenausweisungen. Um die rechtzeitige Erreichung der im EEG 2023 vorgesehenen Ausbaumengen für Windenergie an Land sicherzustellen, müssen die dafür notwendigen Flächen mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf von mindestens drei bis vier Jahren bereitgestellt werden. Das Gesamtziel von 2 % der Bundesfläche wird durch einen Verteilungsschlüssel sachgerecht und transparent zwischen den Ländern verteilt. Dabei werden die vorhandenen Flächenpotenziale für den Ausbau der Windenergie an Land in den Ländern berücksichtigt.

1.3 Zulässigkeit von Windenergieanlagen an Land

§ 249 BauGB enthält Sonderregeln für Windenergie an Land:

In Absatz 1 wird geregelt, dass § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB für Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nicht mehr gilt. Eine Ausschlusswirkung nach dieser Vorschrift soll für die genannten Anlagen durch Planung, also durch Ziele der Raumordnung oder Darstellungen in Flächennutzungsplänen, nicht mehr erzielt werden können. An dessen Stelle tritt die Sonderregelung des § 249 Absatz 2 BauGB.

Absatz 2:

Werden die Flächenbeitragswerte bzw. die aus diesen abgeleiteten Teilflächenziele erreicht oder überschritten, besteht für den Fortbestand der gesetzlichen Privilegierung außerhalb der nach dem WindBG anrechenbaren Windenergiegebiete kein Bedürfnis mehr. Daher soll im Sinne des Außenbereichsschutzes dort die Privilegierung entfallen, wenn das Erreichen oder Überschreiten eines Flächenziels gemäß § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 WindBG festgestellt wurde.

Die Rechtsfolge des Wegfalls der Privilegierung bei Feststellung der Zielerreichung tritt in dem Gebiet ein, auf das sich das jeweils erreichte Flächenziel bezieht. Handelt es sich um den Flächenbeitragswert selbst, gilt die Rechtsfolge gemäß Satz 1 im gesamten Bundesland. Hat das Land Teilflächenziele festgelegt und bezieht sich die Feststellung auf diese Ziele, greift die Rechtsfolge gemäß Satz 2 nur in der Region bzw. Gemeinde, für die das jeweilige Teilflächenziel gilt.

1.4 Zulässigkeit von Windkraftanlagen im Wald

Das Bundesverfassungsgericht hat § 10 Abs. 1 S. 2 des Thüringer Waldgesetzes (ThürWaldG) in der damaligen Fassung für unwirksam erklärt, dessen Bestimmungen jede Änderung der Nutzungsart von Waldgebieten zur Errichtung von Windenergieanlagen verboten hatten (BVerfG 27.09.2022 - 1 BvR 2661/21):

"Für die Zuweisung von Flächen zur Errichtung von Windenergieanlagen im Außenbereich hat der Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht im Baugesetzbuch Gebrauch gemacht. Eine Öffnung, aus der der Landesgesetzgeber eine Kompetenz für einen generellen Ausschluss von Windenergieanlagen auf Waldflächen herleiten könnte, enthält das Baugesetzbuch nicht. Gegen eine Durchbrechung der in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB geregelten Privilegierung der Windkraft im Außenbereich durch pauschale landesrechtliche Verbote von Windenergieanlagen im Wald spricht auch, dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leistet und zugleich die Sicherung der Energieversorgung unterstützt."

1.5 Keine entgegenstehenden öffentlichen Belange

"§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verlangt für die Ausschlusswirkung nicht, dass ausschließlich Flächen für jedenfalls drei Windenergieanlagen dargestellt werden. Flächen, die weniger Anlagen aufnehmen können, sind daher nicht stets als harte Tabuzonen bei der gesamträumlichen Planung auszuscheiden" (BVerwG 13.12.2018 - 4 CN 3/18).

1.6 Repowering

Repowering ist die Ersetzung älterer, oft vereinzelt stehender Windenergieanlagen durch moderne, leistungsfähigere Windenergieanlagen, vorzugsweise in Windparks ("Aufräumen der Landschaft").

§ 245e Abs. 3 BauGB enthält eine besondere Überleitungsvorschrift zum Repowering von Windenergieanlagen und eine Rückausnahme von Absatz 1. Danach können die gemäß Absatz 1 fortbestehenden Wirkungen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Vorhaben zum Zweck des Repowering von Windenergieanlagen in der Regel nicht entgegengehalten werden, sofern die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.

Hierbei handelt es sich um eine Umkehr des ansonsten gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Verbindung mit § 245e Absatz 1 BauGB bestehenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Die Vorschrift soll es erleichtern, trotz einer planerischen Ausschlusswirkung das sogenannte Repowering von Bestandsanlagen zuzulassen, ohne den Bestandsplan aufzuheben oder zu ändern. Zur Definition des Repowering wird auf § 16b Abs. 1 und 2 BImSchG verwiesen.

Die Voraussetzungen im Natur- und Artenschutz für die Zulässigkeit eines Repowering sind seit dem 29.07.2022 in § 45c BNatSchG geregelt.

1.7 Planung der Gemeinde in Abweichung von den Zielen der Raumordnung

Am 14.01.2024 wird der folgende Absatz 5 in § 245e Abs. 5 BauGB angefügt:

Plant eine Gemeinde, die nicht zuständige Planungsträgerin nach § 249 Abs. 5 BauGB in Verbindung mit § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WindBGist, vor dem in § 245e Abs. 1 S. 2 BauGB genannten Zeitpunkt ein Windenergiegebiet gemäß § 2 Nr. 1 WindBG auszuweisen, das mit einem Ziel der Raumordnung nicht vereinbar ist, soll ihrem Antrag auf Abweichung von diesem Ziel abweichend von § 6 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes stattgegeben werden, wenn der Raumordnungsplan an der von der Gemeinde für Windenergie geplanten Stelle kein Gebiet für mit der Windenergie unvereinbare Nutzungen oder Funktionen festlegt.

1.8 Beschleunigung des Gerichtsverfahrens

Mit dem am 10. Dezember 2020 in Kraft getretenen § 48 Abs. 1 Nr. 3a VwGO wird die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte für Streitigkeiten über die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern begründet. Der Ausbau der Windenergie an Land ist unter anderem deshalb zurückgegangen, weil oftmals Rechtsstreitigkeiten über Genehmigungen geführt werden. Die Verkürzung des Instanzenzugs beschleunigt die Erwirkung einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung. Dies hilft, Ausbauziele für Windenergie an Land zu erreichen, was von zentraler Bedeutung für die Energiewende ist.

Zudem ist seit dem 10.12.2020 mit dem neuen § 63 BImSchG geregelt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern haben keine aufschiebende Wirkung haben.

2. Natur- und Umweltschutz

Dem Bau und dem Betrieb von Windenergieanlagen können gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB Anforderungen des Natur- und Artenschutzes entgegenstehen. Diese ergeben sich aus dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), aus den Naturschutzgesetzen der Länder sowie aus dem dazu erlassenen Ausführungsrecht, wie beispielweise aus Schutzgebietsverordnungen.

Die Vorgaben im Naturschutz wurden angesichts des beschlossenen verstärkten Ausbaus der Windenergie zum 29.07.2022 detaillierter gefasst.

Einige Aspekte des Umweltschutzes sind gleichzeitig vom Nachbarschutz erfasst.

Schutz des Rotmilans:

Mit dem Urteil VGH Bayern 23.01.2020 - 22 CS 19.2297 hat der VGH eine Abschaltanordnung für den Tagbetrieb einer Windenergieanlage, aufgrund des erhöhten Tötungsrisikos für einen im engeren Prüfbereich einer Windenergieanlage brütenden Rotmilan für rechtmäßig erklärt.

3. Zulässigkeit im Braunkohletagebau

Die zum 01.01.2023 eingefügte Verordnungsermächtigung in § 249b Abs. 1 BauGB soll es Ländern mit Braunkohletagebau ermöglichen, die innerhalb der durch die Abbaugrenzen definierten Abbaubereiche eines Braunkohlen- oder Sanierungsplans gelegenen Flächen ganz oder teilweise für Windenergieanlagen durch Rechtsverordnung zu aktivieren, ohne dass es hierfür einer Änderung entgegenstehender Raumordnungs- oder Flächennutzungsplanung oder einer planerischen Ausweisung von Windenergiegebieten bedürfte. Die Verordnung bewirkt in ihrem Geltungsbereich, dass Darstellungen in Flächennutzungsplänen oder Ziele der Raumordnung Windenergieanlagen nicht mehr entgegenstehen; die Rekultivierungsziele des Braunkohlen- oder Sanierungsplans sind aber bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens angemessen zu berücksichtigen.

Hierbei wird angenommen, dass es sich bei den Braunkohle-Abbaubereichen aufgrund der Inanspruchnahme der Flächen für den Tagebau um große, vergleichsweise konfliktarme Flächen handelt, die sich deswegen besonders für die Belegung mit EE-Anlagen eignen. Zudem können die Bereiche wegen der vorherigen Braunkohlenutzung regelmäßig leicht an die Energienetzinfrastruktur angeschlossen werden. Durch eine beschleunigte Bereitstellung dieser Flächen mittels einer Rechtsverordnung des Landes wird dieses Flächenpotenzial schneller erschlossen.

Die Landesregierung kann sich dazu entscheiden, pauschal alle innerhalb der Abbaugrenzen gelegenen Flächen für eine Belegung mit Windenergie- oder Photovoltaikanlagen zu öffnen. Der Geltungsbereich der Verordnung kann jedoch auch auf bestimmte Teile des Abbaubereichs beschränkt werden. So ist es beispielsweise möglich, – soweit vorhanden – im Braunkohlen- oder Sanierungsplan speziell ausgewiesene Renaturierungs- oder Erholungsflächen vom Geltungsbereich der Verordnung auszunehmen.

 Siehe auch 

Energieeinsparungsgesetz

Energieversorgungsunternehmen

Energiewirtschaftsrecht

Erneuerbare Energien

Geräuschimmissionen

Immissionen

TA Lärm

Windenergieanlage - Nachbarschutz

BGH 15.04.2011 - BLw 12/10 (Genehmigung des Erwerbs eines landwirtschaftlichen Grundstücks zur Errichtung einer Windkraftanlage)

BGH 02.12.2010 - III ZR 251/09 (Berücksichtigung von Darstellungen in einem in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplan als entgegenstehende öffentliche Belange bei der Zulassung der Errichtung von Windkraftanlagen)

BVerwG 24.01.2008 - 4 CN 2/07 (Festsetzung von Konzentrationszonen)

Bauer/Kappes: Best-Practice: Bürgerbeteiligung in der Windenergie; Verwaltungs-Rundschau - VR 2017, 407

Dazert: Statthaftigkeit der Normenkontrolle gegen Darstellungen von Konzentrationszonen für Windenergie im Flächennutzungsplan; Baurecht - BauR 2007, 657

Ehlers/Böhme: Windenergie in der Landesplanung. Rechtliche und politische Aspekte der Landesplanung zur Windenergie unter besonderer Berücksichtigung des "Sonderfalls Baden-Württemberg"; Natur und Recht - NuR 2011, 323

Gädtke/Johlen/Wenzel/Hanne/Kaiser/Koch/Plum: BauO NRW. Kommentar; 14. Auflage 2023

Hanne: Das öffentliche Baurecht in der Praxis; 2. Auflage 2021

Külpmann: Von Feigenblättern und Tabuzonen: Entwicklungen des Bauplanungsrechts am Beispiel der Windenergie; Deutsches Verwaltungs-Blatt - DVBl. 2019, 608

Peters: Windparks. Finanzierungen und deren Besicherung: unter Einordnung des BGH-Urteils vom 07.04.2017 - V ZR 52/16; Wertpapier-Mitteilungen - WM 2019, 811

Salje: EEG 2023. Kommentar; 10. Auflage 2023