Rechtswörterbuch

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Urkundenbeweis

 Normen 

§§ 415 ff. ZPO

§§ 249 ff. StPO

§ 98 VwGO

VO 2016/1191

§§ 1118 - 1120 ZPO

§ 438 ZPO

 Information 

1. Allgemein

Der Beweis durch Vorlage von Urkunden ist ein Beweismittel des Strengbeweises.

Beide Urkundenformen unterscheiden sich in der Beweiskraft:

  • Die Beweiskraft von Privaturkunden erstreckt sich gemäß § 416 ZPO darauf, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller der Urkunde abgegeben wurden.

  • Die Beweiskraft öffentlicher Urkunden streckt sich gemäß § 415 ZPO auf den vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs.

Eine prozessordnungsgemäße Einführung einer Urkunde in die Hauptverhandlung kann erfolgen durch Verlesung gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 StPO sowie im Wege des Selbstleseverfahrens. Nach der Entscheidung BGH 30.08.2011 - 2 StR 652/10 ist "der an verschiedenen Stellen des Hauptverhandlungsprotokolls enthaltene Eintrag, Bankordner seien "zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht und in richterlichen Augenschein" genommen worden, nicht geeignet, eine förmliche Verlesung der Urkunden zu beweisen. (...) Die Inaugenscheinnahme einer Urkunde beinhaltet im Übrigen nur dann eine zureichende Beweiserhebung, wenn es nicht auf ihren Inhalt, sondern auf ihr Vorhandensein oder ihren Zustand ankommt."

2. Beweis mit ausländischen öffentlichen Urkunden

Rechtsgrundlage ist die VO 2016/1191.

Gemäß dem Rundschreiben des Bundesinnenministeriums (RdSchr. d. BMI v. 24.1.2019 - V II 1 - 20103/77#9) bestehen u.a. folgende Weisungen zur Ausführung der Verordnung:

"Gegenstand der Verordnung 2016/1191 (EU-Apostillenverordnung) ist zum einen die Befreiung von der Legalisation oder einer ähnlichen Förmlichkeit (...), insbesondere auch der Verzicht auf eine Apostillierung von Urkunden aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union (...), soweit diese für die in Artikel 2 Absatz 1 und 2 genannten Sachverhalte ausgestellt werden. Zum anderen sieht die Verordnung gem. Artikel 1 Absatz 1 Buchst. b die Vereinfachung sonstiger Förmlichkeiten nebst der Einführung mehrsprachiger Formulare (Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung) vor. Hierbei geht es ausschließlich um Vereinfachungen bei der Übersetzung öffentlicher Urkunden. Übersetzungen dürfen u.a. regelmäßig dann nicht verlangt werden, wenn einer in der Verordnung hierfür "zugelassenen" öffentlichen Urkunde ein mehrsprachiges Formular als Übersetzungshilfe beigefügt ist (Artikel 6 Absatz 1 Buchst. b, Artikel 7 - 12 der Verordnung). Die öffentlichen Urkunden, denen auf Wunsch eine Übersetzungshilfe beigefügt werden kann, sind in dem beigefügten Informationsschreiben des Bundesamtes für Justiz unter Nummer 3 aufgeführt. Die beiden Regelungsbereiche sind getrennt voneinander zu sehen. Eine in den Anwendungsbereich von Artikel 2 der Verordnung fallende öffentliche Urkunde ist grundsätzlich von der Legalisation/Apostille befreit. Dies gilt auch, wenn keine Übersetzungshilfe beigefügt ist. Umgekehrt ist eine Behörde nicht gehindert, eine nationale Urkunde zur Vorlage in einem anderen EU-Mitgliedstaat auch ohne Übersetzungshilfe auszustellen, wenn eine solche nicht beantragt wird, oder bei berechtigten Zweifeln an der Echtheit einer ausländischen Urkunde trotz beigefügter Übersetzungshilfe eine Überprüfung über das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) anzustrengen."

Hinweis:

Das Verfahren nach dieser EU-Apostillen-Verordnung sieht dabei nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/4851) im Einzelnen folgende Schritte vor:

Zunächst ist die nationale Urkunde, deren Vorlage im Ausland beabsichtigt ist, z. B. eine Geburtsurkunde, von der hierfür zuständigen Stelle auszufertigen. Diese Urkunde unterfällt gemäß Artikel 2 dem Anwendungsbereich der Verordnung; damit ist sie gemäß Artikel 4 von der Pflicht zur Apostillierung und gemäß Artikel 6 von der Pflicht zur Beifügung einer Übersetzung befreit, sofern die Voraussetzungen dieser EU-Verordnung erfüllt sind. Als Ersatz für die Apostille und die Übersetzung können nach Artikel 7 der Verordnung den nationalen öffentlichen Urkunden über Geburt, über die Tatsache, dass eine Person am Leben ist, über Tod, Eheschließung (einschließlich Ehefähigkeit und Familienstand), eingetragene Partnerschaft (einschließlich der Fähigkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen, und Status der eingetragenen Partnerschaft), Wohnsitz und/oder Ort des gewöhnlichen Aufenthalts sowie Vorstrafenfreiheit mehrsprachige Formulare beigefügt werden. Die nationalen öffentlichen Urkunden, denen mehrsprachige Formulare als geeignete Übersetzungshilfe nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung beigefügt werden können, sind auf der Seite 14 der Gesetzesbegündung (BT-Drs. 19/4851) aufgeführt.

Die neuen §§ 1118, 1119 und 1120 ZPO enthalten die erforderlichen Durchführungsbestimmungen.

 Siehe auch 

Beweismittel

Urkunde

Urkundenfälschung

Urkundenprozess

Kienzle: Nachweis der Echtheit ausländischer öffentlicher E-Dokumente im Zivilprozess; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 1712