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Urkundenprozess

Normen

§§ 592 ff. ZPO

Information

1 Allgemein

Der Urkundenprozess ist ein beschleunigtes gesondertes zivilprozessuales Verfahren, da gemäß § 595 ZPO die Beweismittel (für beide Parteien) auf Urkunden und die Parteivernehmung beschränkt sind.

Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Ansprüche, die mit Urkunden beweisbar sind und die nach dem Willen des Klägers in dem Urkundenprozess geltend gemacht werden sollen. Der Kläger hat insofern ein Wahlrecht. In der Klageschrift ist auf die Wahl des Urkundenprozesses hinzuweisen.

Beispiel:

Ansprüche des Vermieters auf Nachzahlung von Betriebskosten können im Urkundenprozess geltend gemacht werden (BGH 22.10.2014 - VIII ZR 41/14).

Wechsel- und Scheckprozess sind gesonderte Formen des Urkundenprozesses.

Im Arbeitsgerichtsverfahren ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG der Urkundenprozess unzulässig.

Die Erhebung der Widerklage ist gemäß § 595 ZPO ausgeschlossen.

2 Voraussetzungen

Wichtigste Zulässigkeitsvoraussetzungen sind:

  1. a)

    Erklärung in der Klageschrift, dass im Urkundenprozess geklagt wird (§ 593 Abs. 1 ZPO).

  2. b)

    Der Anspruch besteht in der Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere.

  1. c)

    Alle anspruchsbegründenden Tatsachen müssen gemäß § 592 Abs. 1 ZPO durch Urkunden bewiesen werden, sofern dem Kläger der Beweis obliegt, d.h. es gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze (Rechtsgedanke aus § 597 Abs. 2 ZPO).

    Umstritten ist, ob auch unbestrittene Tatsachen durch Urkunden unterlegt sein müssen.

    • Nach der Auffassung des BGH (BGH 18.09.2007 - XI ZR 211/06) ist es nicht erforderlich, dass unbestrittene Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden könnten, weil diese nach den allgemeinen Beweisregeln keines Beweises bedürften.

    • Nach der Auffassung des OLG München sowie des OLG Schleswig (OLG Schleswig 30.08.2013 - 1 U 11/13) müssen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen durch Urkunden beweisbar sein, unabhängig davon, ob der Beweis im Einzelfall angetreten werden muss.

3 Verfahren

Das Verfahren teilt sich in das Vorverfahren und das Nachverfahren. Nur das Vorverfahren wird als Urkundenprozess bezeichnet. Das das Vorverfahren abschließende Urteil wird als Vorbehaltsurteil bezeichnet.

Der Urkundenprozess kann mit folgenden Urteilsformen beendet werden:

  • Ist die Klage unzulässig, so ergeht Prozessurteil.

  • Ist die Klage unbegründet, so ergeht ein normales klageabweisendes Sachurteil.

  • Ist die Klage begründet, so ergeht grundsätzlich ein Vorbehaltsurteil, das unter der auflösenden Bedingung einer abweichenden Entscheidung im Nachverfahren steht. Im Unterschied zum normalen Endurteil enthält der Urteilstenor den folgenden Satz: "Dem Beklagten bleibt vorbehalten, seine Rechte im Nachverfahren auszuführen".

    Mit dem Vorbehaltsurteil kann der Gläubiger vorläufig vollstrecken, es besteht jedoch die Gefahr der Schadensersatzzahlung, sofern es im Nachverfahren zu einer Änderung des Urteils kommt.

    Das Vorbehaltsurteil kann gemäß § 599 Abs. 3 ZPO mit der Berufung angegriffen werden und erwächst ggf. (wenn kein Nachverfahren) in formeller Rechtskraft.

Das Nachverfahren beginnt grundsätzlich mit der Verkündigung des Vorbehaltsurteils, die Fortführung ist jedoch von dem Beklagten zu beantragen. Es handelt sich um einen normalen Zivilprozess, in dem die Beweismittel nicht mehr beschränkt sind. Das Nachverfahren endet mit einem Urteil, in dem entweder das Vorbehaltsurteil bestätigt wird oder aufgehoben wird (und die Klage insofern abgewiesen wird).

In einem Urkundenprozess ist das im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten kein zulässiges Beweismittel zur Ersetzung des Sachverständigenbeweises (BGH 18.09.2007 - XI ZR 211/06).

Endet der Prozess mit dem Erlass eines Vorbehaltsurteils, bleibt der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig. Das Vorbehaltsurteil erwächst in materieller Rechtskraft, wenn das Vorbehaltsurteil im Schlussurteil des Nachverfahrens rechtskräftig bestätigt wird.

Das Vorbehaltsurteil entfaltet nach der Rechtsprechung Bindungswirkung für das Nachverfahren, soweit über Teile des Streitverhältnisses endgültig entschieden wurde.

metis