Ermessensfehler
1 Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung
Nach weit verbreiteter Auffassung werden die rechtlichen Anforderungen an Ermessensentscheidungen in Form einer Ermessensfehlerlehre dargestellt. Folgende Ermessensfehler werden dabei unterschieden:
Ermessensunterschreitung (Ermessensnichtgebrauch): Die Behörde übt ihr Ermessen (ganz oder teilweise) nicht aus.
Ermessensüberschreitung: Die Behörde wählt eine Rechtsfolge, die nicht mehr von der Handlungsermächtigung gedeckt ist.
Ermessensfehlgebrauch (oder Ermessensmissbrauch): Die Entscheidung der Behörde beruht auf Gründen, die nicht vom Gesetzeszweck gedeckt sind.
Kein Ermessensfehler im eigentlichen Sinne ist die Verkennung der Behörde einer Ermessensreduzierung auf Null. In diesem Fall ist die Behörde zu einer bestimmten Entscheidung gezwungen, da jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre.
Eine pflichtgemäße Ermessensausübung liegt vor, wenn die Behörde
das ihr eingeräumte Ermessen wahrgenommen hat, d.h., die in Betracht kommenden Handlungsalternativen ermittelt und deren Wirksamkeit sowie ihre Auswirkungen auf den einzelnen und die Allgemeinheit festgestellt hat,
eine ziel- und zweckgerichtete Entscheidungsfindung vorgenommen bzw. deutlich gemacht und bei aufgetretenden Zielkonflikten die widerstreitenden Belange gewichtet und gegeneinander abgewogen hat und
auf Grund einer Abwägung der für und gegen die Maßnahme sprechenden Umstände unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geprüft hat, ob bzw. dass eine bestimmte Maßnahme geboten ist (vgl. BVerwGE 42, 133; 78, 285 (289 f.).
Hinweis:
Zu beachten ist, dass eine fehlende Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG, die als wichtige Erkenntnisquelle der Behörde gilt, oftmals auch einen Mangel bei der Ausübung des Ermessens nahelegt (vgl. BVerwG, DVBl 1965, 26 [28]).
2 Rechtsschutz
Gegen einen ermessensfehlerhaften Verwaltungsakt kann grundsätzlich gemäß den §§ 68 ff VwGOWiderspruch erhoben werden. Bei ablehnender Bescheidung im Widerspruchsverfahren können die rechtlichen Interessen sodann vor dem zuständigem Verwaltungsgericht klageweise geltend gemacht werden.
Mit der Bescheidungsklage, die ein Unterfall der Verpflichtungsklage ist, kann der Kläger erreichen, dass die Behörde, die eine seiner Ansicht nach falsche Ermessensentscheidung getroffen hat, zur erneuten Entscheidung des Verwaltungsaktes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt wird. Wird beantragt, dass die Behörde den begehrten Verwaltungsakt erlässt (Vornahmeurteil nach § 113 Abs. 5 S.1 VwGO), so ist die Klage nur im Fall der Ermessensreduktion auf Null voll begründet, in allen anderen Fällen dagegen wegen fehlender Spruchreife der Entscheidung nur teilweise, so dass der Kläger Gefahr läuft, einen Teil der Kosten des Verfahrens zu tragen. Wird aber nur Bescheidungsantrag gestellt, so ist das Gericht daran gebunden (§ 88 VwGO) und kann auch im Falle der Ermessensreduzierung auf Null nur ein Bescheidungsurteil fällen. Da der Kläger wohl kaum im voraus wissen wird, ob das Gericht eine soche Ermessensschrumpfung annimmt, bestünde also die Gefahr, dass das Verwaltungsgericht wiederholt um Rechtsschutz angerufen werden muss. Am zweckmäßigsten ist daher in Fällen, in denen der Behörde ein Ermessensspielraum hinsichtlich des Erlasses des begehrten Verwaltungsaktes eingeräumt ist, ein Hauptantrag auf Verpflichtung zum Erlass des beantragten Verwaltungsaktes und ein Hilfsantrag auf Verpflichtung zur Bescheidung zu stellen. Nach h.M wird auch bei Abweisung des Hauptantrags und Zuerkennung des Hilfsantrags ein volles Obsiegen des Klägers angenommen, so dass auch bei nur erfolgreichem Hilfsantrag die Kostenpflicht voll die beklagte Behörde trifft.