Unbestimmter Rechtsbegriff
Gesetzlich nicht geregelt.
1 Allgemein
Bestimmtheitsgrad eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals.
Ein gesetzlicher, untergesetzlicher, tarifvertraglicher oder in einer sonstigen Kollektivvereinbarung enthaltener Tatbestand beinhaltet eine Vielzahl von Ausdrücken, die die zur Erfüllung erforderlichen Voraussetzungen unterschiedlich genau präzisieren. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind Tatbestandsmerkmale, die allgemein gehalten und nicht eindeutig abgrenzbar sind. Das Gesetz selbst regelt in diesen Fällen keine bestimmte Vorgehensweise.
Beispiel:
Der wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung.
Die Tätigkeitsmerkmale in den Entgeltordnungen der Tarifverträge / kirchlichen Kollektivvereinbarungen.
Die Bestimmung des Anwendungsbereichs eines unbestimmten Rechtsbegriffs erfolgt dann
durch die (höchstrichterliche) Rechtsprechung (Richterrecht)
Voraussetzung ist, dass dem Gericht ein entsprechender Sachverhalt zur Entscheidung vorgelegt wird.
oder
durch Auslegung.
Der BGH hat die Beratungspflicht eines Steuerberaters bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs wie folgt konkretisiert: Ist die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs offen und für die vom Steuerpflichtigen zu treffende Entscheidung bedeutsam, so ist der Steuerberater verpflichtet, den Mandanten auf das mit der ungewissen Beurteilung der Rechtslage verbundene Risiko hinzuweisen (BGH 20.10.2005 - IX ZR 127/04).
2 Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe in der Verwaltung
2.1 Allgemein
Grundsätzlich unterliegt auch die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung der gerichtlichen Überprüfung. Die Rechtsprechung gewährt der Verwaltung insofern keinen Beurteilungsspielraum.
Zur Gewährleistung einer einheitlichen Vorgehensweise werden Verwaltungsvorschriften erlassen.
In den folgenden Bereichen besteht ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum:
2.2 Wertentscheidungen sachverständiger Prüfer
Die von den Gremien zu treffenden Entscheidungen (z.B. Einstufung der Jugendgefährdung bestimmter Medien) unterliegen immer auch einer subjektiven Wertung. Durch die Mischung der in den Gremien sitzenden Sachverständigen soll die Subjektivität auf ein Mindestmaß verringert werden, was bei einer gerichtlichen Entscheidung überschritten würde.
2.3 Prognosen
Der bei einer Prognoseentscheidung (z.B. Gefahrenabwehr) einzuschätzende Wahrscheinlichkeitsgrad ist gerichtlich nachprüfbar.
2.4 Risikoentscheidungen
Bestimmte Verwaltungsbereiche haben in besonderem Umfang über die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu entscheiden (Atomrecht, Gentechnik etc.). Diese Entscheidungen können nur getroffen werden, wenn der Behörde ein Beurteilungsspielraum zusteht, der in den meisten Gesetzen manifestiert ist.
3 Kopplungsvorschriften
Kopplungsvorschriften sind Ermessensnormen, die zusätzlich auf der Tatbestandsseite unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten.
Grundsätzlich sind Entscheidungen, denen Kopplungsvorschriften zugrunde liegen, nach den für jeden Teil der Norm geltenden Regeln zu beurteilen. In manchen Fällen sind die unbestimmten Rechtsbegriffe aber so umfassend, dass die Entscheidung durch die unbestimmten Rechtsbegriffe eingegrenzt wird, das Ermessen daher nicht mehr angewendet werden kann.