Widerruf bei "Alt-Darlehensverträgen" nur bis einen Monat nach vollständigem Leistungsaustausch möglich

Wirtschaft und Gewerbe
06.07.2008881 Mal gelesen

In den vergangenen Jahren mussten deutsche Gerichte in zahlreichen Fällen über die Vereinbarkeit von Widerrufsbelehrungen in Darlehensverträgen, vor allem im Zusammenhang mit der Finanzierung von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds oder sog. Schrottimmobilien, mit den gesetzlichen Vorschriften befinden.

Neben den Belehrungen verschiedener Banken sehen sich aber auch die gesetzlichen Vorschriften zum Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht selten dem Einwand ausgesetzt gegen das höherrangige europäische Recht zu verstoßen.
Die nationalen Verbraucherschutzvorschriften, so auch das Widerrufsrecht bei Haustürwiderrufsgeschäften, Verbraucherkrediten und Fernabsatzverträgen, finden ihre wesentliche Grundlage in europäischen Richtlinien. Diese Richtlinien müssen durch den deutschen Gesetzgeber in deutsches Recht umgewandelt werden. Die nationalen Regelungen müssen sich an die Vorgaben der Richtlinie halten, insbesondere dürfen Sie dem Inhalt der Richtlinie nicht zum Nachteil des Verbrauchers widersprechen.
 
Auch der Schutz des Verbrauchers im Falle sog. Haustürgeschäfte, welche bis Ende 2001 im Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) geregelt war und nunmehr im BGB kodifiziert ist, hat seine Grundlage in einer europäischen Richtlinie. Danach kann ein Verbraucher innerhalb von zwei Wochen nach Aushändigung einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Widerrufsbelehrung, sich von dem Vertrag lösen, den er zuvor in einer sog. Haustürsituation geschlossen hat. Das mittlerweile außer Kraft gesetzte Haustürwiderrufsgesetz sah zudem in § 2 Abs.1 Satz 4 HWiG a.F. vor, dass das dem Verbraucher eingeräumte Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften im Falle einer nicht (nach den gesetzlichen Vorgaben) erfolgten Widerrufsbelehrung nur bis spätestens einen Monat nach vollständigem Leistungsaustausch ausgeübt werden kann. Hat zum Beispiel der Bankkunde das Darlehen vollständig getilgt und alle Verpflichtungen gegenüber der Bank erfüllt, so konnte er sich nach dieser Vorschrift nur innerhalb eines Monats nach der letzten, an die Bank geleisteten Zahlung noch nachträglich von dem Darlehensvertrag lösen.
Der EuGH musste nunmehr über die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 2 Abs.1 Satz 4 HWiG a.F. mit der dieser zugrunde liegenden Richtlinie befinden.
Eine Verbraucherin hatte im Jahre 1992 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Anteils an einem Immobilienfonds unterzeichnet. Das Darlehen schuldete sie im Jahre 1997 um. Sodan widerrief sie im Jahre 2001 ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung und verlangte die Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen von der Bank, bei der sie im Jahre 1992 den Darlehensvertrag geschlossen hatte.
Das Oberlandesgericht Stuttgart, welches über die Sache zu entscheiden hat, rief nun den europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Das OLG Stuttgart hatte Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung des § 2 Abs.1 Satz 4 HWiG a.F. mit der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Richtlinie, da hierdurch der Verbraucher nicht ausreichend im Sinne der Richtlinie geschützt sein könnte.
Der EuGH hat nunmehr in seiner Entscheidung klargestellt, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F. mit europäischem Recht vereinbar ist. Er begründet seine Entscheidung damit, dass diese Regelung den Verbraucher im Vergleich zu den Vorgaben der Richtlinie sogar noch begünstigt. Die Haustürrichtlinie sehe nämlich ein Widerrufsrecht nur solange vor, als eine oder beide Vertragsparteien noch Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis zu erfüllen hätten. Sobald der Leistungsaustausch vollständig abgeschlossen ist (z.B. durch vollständige Rückzahlung des Darlehens und Begleichung aller angefallenen Zinszahlungen), soll gemäß den Vorgaben der Haustürrichtlinie das Widerrufsrecht erlöschen. Die Gewährung einer weiteren einmonatigen Frist nach beiderseitiger Leistunsgerbringung sei daher richtlinienkonform.
Diese Entscheidung hat nicht unerhebliche Bedeutung für viele Anleger, die vor dem 31.12.2001 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Anteils an einem geschlossenen Immobilienfonds oder einer sog. Schrottimmobilie eingegangen sind, der eine - wie nicht selten - fehlerhafte Widerrufsbelehrung beinhaltete. Zwar sind die Vorschriften des HWiG a.F. mittlerweile nicht mehr in Kraft. Doch sind sie auf diese "Altverträge" noch anwendbar. Betroffene Verbraucher, die ihren Darlehensvertrag noch nicht vollständig getilgt bzw. noch nicht alle Zinsleistungen erbracht haben, können sich von dem Darlehensvertrag nur innerhalb von einem Monat nach vollständiger Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten lösen und die Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen geltend machen.
Dies sollten Anleger in jedem Falle beachten und schnellstmöglich rechtlichen Rat einholen um die in ihrem konkreten Falle auf dem Darlehensvertrag abgedruckte Widerrufsbelehrung von einem Rechtsanwalt auf deren Richtigkeit hin zu prüfen und ggf. den Widerruf noch rechtzeitig zu erklären.