Grenzen der Insolvenzanfechtung

Grenzen der Insolvenzanfechtung
10.10.2013260 Mal gelesen
Zahlt eine staatliche Einrichtung einem Insolvenzschuldner keine zuvor zugesagten Beihilfen, ist die Nichtzahlung derselben nach Aussage des Bundesgerichtshofes nicht im Wege der Insolvenzanfechtung anfechtbar.

Rechtshandlungen des künftigen Insolvenzschuldners, so zum Beispiel bestimmte Zahlungen an ausgewählte Gläubiger, können unter bestimmten Voraussetzungen vom Insolvenzverwalter wegen Gläubigerbenachteiligung angefochten werden. Der Gläubiger, der die Zahlung erhalten hat, muss diese dann an die Masse zurückzahlen. Das Institut der Insolvenzanfechtung verursacht jedoch bei manchem Insolvenzverwalter Einfallsreichtum:

 

Eine Wohnungsbaugesellschaft hatte im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus ein Mehrfamilienhaus errichtet. Mit Bescheid der Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin wurden der Schuldnerin Aufwendungshilfen in Höhe von insgesamt 3.379.566,96 DM gewährt. Zum Teil als Aufwendungsdarlehen, zum Teil als Zuschuss, wurden Teilzahlungen zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November ausbezahlt.

Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wohnungsbaugesellschaft eröffnet worden war, leistete die Wohnungsbaukreditanstalt Berlin keine weiteren Zahlungen mehr, sondern widerrief die Bewilligungsbescheide rückwirkend zum 1. Oktober 2006. Ohne Insolvenzeröffnung wären noch 53.525,07 € gezahlt worden. Die Widerrufsbescheide sind inzwischen bestandskräftig.

Der Insolvenzverwalter meint nun, dass wenn die Kreditanstalt die nicht ausgezahlten Beträge in Höhe von 53.525,07 € an die Wohnungsbaugesellschaft ausgezahlt hätte und diese sie wegen Widerrufs des Bewilligungsbescheids umgehend zurückgezahlt hätte, die Rückzahlung durch die Schuldnerin im Wege der Insolvenzanfechtung anfechtbar gewesen wäre. Dies sei wirtschaftlich aber das gleiche, wie der vorliegende Fall, dass die Kreditanstalt die Zahlung von vornherein nicht gezahlt hat. Die Nichtzahlung sei daher im Wege der Insolvenzanfechtung anfechtbar, zumal die Insolvenzordnung bestimme, dass die Unterlassung einer Rechtshandlung der Vornahme einer Rechtshandlung gleichstehe.

Die Wohnungsbaukreditanstalt konnte dieser Argumentation nicht folgen und zahlte aufgrund der Anfechtung nicht.

Das Landgericht folgte dem Insolvenzverwalter und gab seiner Klage statt. Das Kammergericht wies dieselbe auf die Berufung der Wohnungsbaukreditanstalt ab. Für die Durchführung der Revision beantragte der Insolvenzverwalter vor dem Bundesgerichtshof Prozesskostenhilfe.

 

Der Bundesgerichtshof wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht ab.

Eine Deckungsanfechtung scheidet schon deshalb aus, weil die Wohnungsbaukreditanstalt weder im Zeitpunkt der angefochtenen Handlung noch später Insolvenzgläubiger war. Eine Stellung als Insolvenzgläubiger hatte die Kreditanstalt hinsichtlich der hier in Rede stehenden Forderung nicht. Sie war vielmehr bis zum Widerruf der Bewilligungsbescheide gegenüber der Masse Schuldner dieser Forderungen. Die Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung betreffen die Anfechtung von Rechtshandlungen, mit denen einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wird. Sie betreffen dagegen nicht Rechtshandlungen, mit denen sich ein Dritter erst zum Insolvenzgläubiger gemacht hat oder bei Unterlassungen gemacht haben würde. Deshalb könne der Insolvenzverwalter im Wege der Anfechtung einen Schuldner des Insolvenzschuldners, etwa einen Darlehensgeber nicht dazu zwingen, Leistungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig waren, nach der Insolvenzeröffnung noch an die Masse zu erbringen, um ihn sodann wegen der Rückforderung auf die Quote zu verweisen.

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Fazit: Wird man als Nicht-Gläubiger einer Insolvenzschuldnerin von einem phantasiereichen Insolvenzverwalter in Anspruch genommen, sollte man auf der Hut sein. Am Besten geht man gleich zum Anwalt und holt sich Rat.

(Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2012; IX ZA 74/11

Vorinstanz: Kammergericht, Urteil vom 08.11.2011; 14 U 219/09

Landgericht Berlin, Urteil vom 18.11.2009; 28 O 431/08)

 

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