Anordnung von Erzwingungshaft trotz Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren möglich

Anordnung von Erzwingungshaft trotz Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren möglich
08.10.20132139 Mal gelesen
Es ist dem Insolvenzschuldner nach Ansicht des Landgerichts Deggendorf auch während eines Insolvenz- oder Restschuldbefreiungsverfahrens zuzumuten, offene Geldbußen aus dem ihm verbleibenden Selbstbehalt zu begleichen.

Ist über das Vermögen einer Person das Insolvenzverfahren eröffnet worden, müssen alle Gläubiger ihre offenen Forderungen zur Tabelle anmelden. Möglicherweise unterliegt die eine oder andere Forderung nicht der Restschuldbefreiung, aber alle Gläubiger müssen ihre Forderung zur Tabelle anmelden und können diese nicht einfach außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen. Zumindest die Bußgeldbehörden im Freistaat Bayern meinen indes, sie dürften, Insolvenz hin, Insolvenz her, ihre Forderungen per Erzwingungshaft außerhalb des Insolvenzverfahrens eintreiben. .

 

Mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt wurde gegen den Schuldner wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von 180,- EUR festgesetzt. Die Entscheidung ist rechtskräftig seit 12. Februar 2011. Da der Schuldner in der Folge keinerlei Zahlung geleistet hatte und ein an das zuständige Finanzamt gerichtetes Vollstreckungsersuchen erfolglos verlaufen war, ordnete das Amtsgericht Viechtach mit Beschluss vom 16. Januar 2012 nach Anhörung des Betroffenen eine Erzwingungshaft von 8 Tagen an.

Gegen die Entscheidung auf Anordnung der Erzwingungshaft legte dieser mit Schreiben vom 21. Januar 2012 sofortige Beschwerde ein. Mit diesem sowie mit weiteren Schreiben wendet er sich gegen die Anordnung von Erzwingungshaft mit der Begründung, dass über sein Vermögen bereits im Dezember 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und sein monatliches Einkommen weit unter der Pfändungsgrenze liege.

Das Amtsgericht Viechtach legte die sofortige Beschwerde dem Landgericht vor.

 

Dieses wies die sofortige Beschwerde als unbegründet zurück.

Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens stehe für sich genommen der Anordnung von Erzwingungshaft nicht entgegen. Zwar würden einige Gerichte und Teile des Schrifttums die Anordnung von Erzwingungshaft während eines Insolvenzverfahrens des Betroffenen für unzulässig halten. Diese Sichtweise fuße auf der im Insolvenzverfahren herrschenden Meinung, dass Geldstrafen und Geldbußen keiner Sonderbehandlung unterlägen. So sei die Verhängung von Erzwingungshaft als Beugemittel zur Erzwingung der Zahlung einer Geldbuße gegen einen zahlungsunwilligen Betroffenen eine unzulässige Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahme, die während des Insolvenzverfahrens oder während des Restschuldbefreiungsverfahrens unzulässig sei.

Dieser Ansicht sei jedoch nicht zu folgen. Auch während eines laufenden Insolvenzverfahrens oder eines sich anschließenden Restschuldbefreiungsverfahrens können dem Betroffenen ausreichende Vermögensmittel zur Verfügung stehen, die ihm zumindest eine ratenmäßige Abtragung der Bußgeldschuld unter zumutbaren Bedingungen ermöglichen. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass etwaige, dem Betroffenen aufgrund der Pfändungs- und Haftungsgrenzen verbleibende Vermögensmittel oberhalb des Existenzminimums lägen.

Durch die Zahlung gefährdet der Bußgeldschuldner auch nicht eine etwaige Restschuldbefreiung, da die Bußgeldzahlung aus dem nicht dem Zugriff der übrigen Gläubiger unterliegenden Vermögen keine Obliegenheitsverletzung darstellen würde.

Die Anordnung von Erzwingungshaft stelle auch keine unzulässige Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahme dar, denn damit seien nur solche im 8. Buch der Zivilprozessordnung gemeint. Aus diesem Grunde dürfe trotz laufendem Insolvenzverfahren die Erzwingungshaft gegen den Schuldner vollstreckt werden.

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Fazit: Als Schuldner eines Bußgeldes hat man im Freistaat Bayern trotz Insolvenzverfahrens keine allzu guten Aussichten, um eine Vollstreckung herumzukommen. Andere Landgerichte sehen die Rechtslage indes anders und die Begründung der Entscheidung des Landgerichts Deggendorf ist durchaus angreifbar. Mit anwaltlicher Beratung hat man gute Chancen, als Insolvenzschuldner eine Bußgeldvollstreckung abzuwenden.

(Quelle: Landgericht Deggendorf, Beschluss vom 28.03.2012; 1 Qs (b) 62/12

Vorinstanz: Amtsgericht Viechtach, Beschluss vom 16.01.12)

 

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