Massenabmahnungen - Erst 1000 wettbewerbsrechtliche Abmahnungen im Jahr begründen den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs

Wettbewerbs- und Markenrecht
22.04.2010871 Mal gelesen
1. Wie schon mehrfach berichtet, ist der Rechtsmissbrauchseinwand eine beliebte Einwendung gegen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen geworden, unabhängig davon, ob die restriktiv zu handhabenden Voraussetzungen vorliegen.
 
2. Immer wieder wird der Rechtsmissbrauchseinwand darauf gestützt, dass der Betreffende bereits eine Vielzahl von Abmahnungen ausgesprochen hat und somit eine Gewinnerzielungsabsicht vorläge. Dieser vermehrt vorgebrachte Einwand ist wohl nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass durch das Internet nicht nur Informationen zusammengetragen und gebündelt werden können, sondern auch für jedermann abrufbar sind.
 
3. Allerdings wird dabei allzu leicht vergessen, dass bereits höchstrichterlich entschieden wurde, dass allein die Anzahl von Abmahnungen den Rechtsmissbrauch nicht begründen kann.
 
4. Insoweit begründet der Bundesgerichtshof seine Entscheidung damit, dass eben eine Vielzahl von Verstößen eine Vielzahl von Abmahnungen erforderlich macht, um diese abzustellen. Nur dann, wenn zu der Anzahl der Abmahnungen weitere Merkmale hinzukommen, könnte der Einwand erfolgreich entgegengehalten werden.
 
5. Um eine neuere Entscheidung zu dieser Problematik soll es im Nachfolgenden gehen.
 
a) Das Oberlandesgericht München hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Ein Unternehmer, der seit dem Entzug seiner Anwaltszulassung in der Immobilienbranche tätig war, mahnte seit mehreren J ahren regelmäßig Mitbewerber ab, wobei dort regelmäßig Kostenersatz in Höhe von 650 € bis 1000 € verlangt wurde. Allein im Jahr 2008 seien es ca. 1.000 Stück gewesen, wodurch dieser mehr als 24.000 € Einnahmen verbuchen konnte. In den wenigsten Fällen dieser Abmahnungen wurden nachfolgend einstweilige Verfügungen zur Durchsetzung der Unterlassungsansprüche beantragt. Auch diesmal stellte dieser einen Wettbewerbsverstoß fest und verlangte vom Mitbewerber die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Als der Abgemahnte keine Erklärung abgab, wurde eine einstweilige Verfügung beantragt, die auch erlassen wurde. Hiergegen legte der Antragsgegner Widerspruch ein, woraufhin das Landgericht die einstweilige Verfügung aufhob. Hiergegen richtet sich die Berufung.
 
b) Das Oberlandesgericht München hat unter dem Aktenzeichen 29 U 3739/09 im Rahmen der vom ursprünglichen Antragsteller eingelegten Berufung insbesondere darauf hingewiesen, dass sie in einem solchen Fall von einem Rechtsmissbrauch ausgehen. Begründet wurde dies damit, dass eine Gesamtschau ergebe, dass das Verhalten des Klägers unlauter und rechtswidrig sei und ihm daher kein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Anzahl der ausgesprochenen Abmahnungen spreche hier dafür, dass durch die umfangreiche Abmahntätigkeit eine weitere Einnahmequelle geschaffen worden sei. Dies sei ein ausreichendes Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit.
 
6. Diese Ausführungen zeigen, dass allein das häufige Aussprechen von Abmahnungen nicht zum Durchgreifen des Rechtsmissbrauchseinwands führen kann. Vielmehr muss die Abmahntätigkeit bereits ein solches Ausmaß erreicht haben, das man von einer Verselbstständigung sprechen kann. In dem Falle, in dem im Jahr 1000 Abmahnungen ausgesprochen werden, kann man durchaus zu dieser Begründung kommen, zumal derjenige dann im Schnitt drei Abmahnungen täglich versendet haben muss.
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