Das Schneeballsystem, die Geißel des Kapitalmarktes?

Strafrecht und Justizvollzug
04.05.20102173 Mal gelesen
Arten von Schneeballsystemen, berühmte Fälle
Nach allgemeinem Wortsinn versteht man unter dem "Schneeballsystem" oder "Schneeballprinzip" eine Verbreitungsart einer Sache oder Nachricht, bei der jede Person, welche die Sache oder Nachricht erhalten hat, die Information darüber an mehrere Personen weitergibt.
 
Im Bereich des Kapitalmarktrechtes wird diese Methode genutzt, um gutgläubigen Anlegern Beteiligungen an Fonds oder anderen Anlagemodellen zu vermitteln. Dabei beruht das Funktionieren des Systems darauf, dass die Teilnehmerzahl stetig steigt. Gewinne entstehen meist ausschließlich durch die investierten Teilnehmerbeträge.
 
Um die Methode in Gänze zu verstehen, müssen zwei grundlegende Mechanismen unterscheiden werden, nämlich das Gewinnen neuer Geschäftskunden und das Verfahren danach.
Ersteres wird verwirklicht, indem geworbene Kunden dem Vermittler neue potenzielle Kunden mit Kontaktdaten nennen. Im Folgenden geben diese "neuen" Kunden wiederum potenzielle Kunden an und das Spiel wiederholt sich. Dies führt zu einer exponentiellen Verbreitung der Vermittlungsgegenstände.
 
Diese Verbreitung wird um ein Vielfaches beschleunigt, wenn die vormaligen Kunden selbst zu Vermittlern werden. Diese "Umwandlung" beruht meist auf dem Versprechen, mit wenig Aufwand viel Geld zu verdienen. Tatsächlich ist es jedoch ein gefährliches Geschäft für die Vermittler, da sie stets Aufklärungspflichten treffen. Diese umfassen die Pflicht umfänglich über ihre Produkte und somit auch die mit diesen verbunden Gefahren aufzuklären. Da sich die meisten Bürger das Gebiet des Kapitalmarktes nicht ausreichen kennen, verletzten sie sehr häufig diese Pflicht und machen sich dadurch haftbar. Zu zahlende Schadensersatzsummen in Höhe von 4-6 stelligen Beträgen sind häufig.
 
Als Beispiel für die Ausgestaltung dieser Methode sei das "Pilotenspiel" genannt. Der hierarchische Aufbau gliedert sich in vier Ebenen. Dabei steht an der Spitze der "Chefpilot", unter ihm steht der "Co-Pilot", danach die "Stewards" und auf der untersten Ebene stehen die "Passagiere". Allein der "Chefpilot" verdient in diesem Spiel, in unserem Beispiel 40.000 ?. Er beauftragt die übrigen Spieler "Passagiere", welche 5.000 ? Teilnahmegebühr bezahlen, anzuwerben. Sobald acht "Passagiere" angeworben worden, geht das Spiel in die zweite Runde. Jeder Mitspieler rückt eine Ebene auf, folglich werden vormalige "Passagiere" zu "Stewards", diese zu "Co-Piloten" und die vormaligen "Co-Piloten" zu "Chef-Piloten", die jetzt Geld bekommen. Die Passagiere, welche ihr Geld einzahlen tun dies, um irgendwann selbst zu "Chef-Piloten" zu werden. Jedoch müsste das Spiel ewig weiterlaufen, damit alle gewinnen. Tatsächlich ist in Runde 17 eine Beteiligung von über 500.000 Spielern nötig. Auf lange Sicht verlieren über 87 % der Mitspieler. Dieses Beispiel eines Schneeballsystems macht anschaulich deutlich, dass ein Gewinn lediglich für einen geringen Teil der Spieler vorgesehen ist und das Spielprinzip darauf beruht, dass neue Teilnehmer geworben werden. Sobald dies nicht mehr möglich ist, bricht das System zusammen. In anderen Ausgestaltungen gilt das gleiche Prinzip, jedoch ist es häufig nicht so offensichtlich und die Initiatoren bemühen sich durch gefälschte Bilanzen und haltlose Versprechen das Vertrauen der Kunden zu gewinnen und den Aufbau zu verschleiern.
 
Doch wer profitiert von dieser Methode? Es sind, wie üblich, die Hintermänner, insbesondere die Initiatoren der Gesellschaften, die die Gesellschaftskassen von Fonds oder anderen Anlagesystemen verwalten und dafür Verwaltungsgebühren verlangen. Diese steigen bei hoher Beteiligung an diesen Fonds. Noch größer ist die Bereicherung, wenn die Hintermänner kriminelle Energie besitzen und das eingenommene Geld nicht in die Gesellschaftskassen einzahlen, sondern in ihre eigenen. In diesem Fall, der in der Wirklichkeit erschreckend häufig ist, verlieren nicht nur die Vermittler, sondern vor allem alle Kunden, da sie trotz vollmundiger Versprechen keine Möglichkeit haben ihr Geld zurückzubekommen, weil dieses meist bereits ausgegeben oder nicht mehr auffindbar ist.
 
Solche Systeme können über mehrere Jahre hinweg funktionieren. Wie es die Betrüger schaffen, die Kunden zu überzeugen sich an ihren Geschäften zu beteiligen und sie möglichst lange hinters Licht zu führen, zeigt der "Ponzi-Tricks":
 
Charles Ponzi war ein Betrüger zu Beginn des 20 Jahrhunderts. Er stellte seinen Kunden hohe Renditeerträge in Aussicht, indem er das ihm anvertraute Geld gewinnbringend anlegen werde. Tatsächlich behielt Ponzi den Großteil des Geldes und verwendete es für eigene Angelegenheiten. Damit der Betrug nicht auffällt, zahlte Ponzi, sofern ein Kunde seine Provision forderte, von den Einnahmen der anderen Kunden diese aus. Jedoch haben die meisten Kunden ihre vermeintlichen Erträge bei Ponzi reinvestiert. Mittels dieser Methode ergaunerte Ponzi innerhalb weniger Monate mehrere Millionen. Dieses System brach erst zusammen, als seine Kunden, durch negative Presseberichten allarmiert, ihr Geld zurückforderten. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch ein Großteil des Geldes bereits ausgegeben. Für die Betroffenen bedeutete dies ein Totalverlust ihrer Einlagen. Ponzi wurde zu einer mehrjährigen Haft verurteilt. Diese Methode, welche sich Ponzi 1920 ausdachte, wird auch heute noch verwendet, um gutgläubigen Kunden das Geld aus der "Tasche zu ziehen".
 
Heutzutage sind Schneeballsysteme gem. § 16 Abs. 2 UWG verboten. Danach wird derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer
"es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen".
 
Eines der bekanntesten Beispiele aus der jüngeren Zeit ist der Fall des Milliardenbetrügers Bernard "Bernie" Madoff. Er beging den größten Betrug aller Zeiten, indem er von  4800 Klienten insgesamt 65 Milliarden Dollar innerhalb von 20 Jahren veruntreute. Dazu nutzte er nach eigenen Angaben die Schneeballmethode seit den 90er Jahren bis 2008.
Schließlich bleibt festzustellen, dass auf dem Gebiet des Kapitalmarkts die Faustformel, wie in allen anderen Lebensbereichen, gilt: "Wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein, dann ist es nicht wahr!"