Beschuldigter im Ermittlungsverfahren - Was soll ich tun, wenn die Polizei mich vernehmen will?

Strafrecht und Justizvollzug
18.11.2014499 Mal gelesen
Für die meisten Beschuldigten ist das Ermittlungsverfahren der erste Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden. Teilweise erfolgt die Ladung durch die Polizei sogar nur telefonisch.

Jeder kann Beschuldigter im sogenannten Ermittlungsverfahren werden. Solange Sie nicht wissen, was man gegen Sie in der Hand hat, können Sie sich nicht adäquat verteidigen. Im Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft geprüft, ob ein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat besteht, also ob gegen einen Beschuldigten ein gerichtliches Hauptverfahren eingeleitet wird. Diese Hürde ist geringer, als sie denken. Oftmals gibt eine vorschnelle Einlassung Gelegenheit zum Nachweis der Tat. Entschieden wird vornehmlich nach Aktenlage.

Nehmen Sie umgehend Kontakt mit einem Strafverteidiger auf. Sparen Sie an ihrem Anwalt zuletzt. Guter Rat ist teuer. Gar kein Rat kann noch teurer werden. Ihr Strafverteidiger stellt die "Waffengleichheit" im Verfahren her und setzt Ihre Beschuldigtenrechte durch.

Sprechen Sie insbesondere bei schwerwiegenden Tatvorwürfen grundsätzlich mit niemandem außer mit Ihrem Verteidiger über den Sachverhalt. Im sozialen Leben sind Sie vorverurteilt, wenn gegen Sie ermittelt oder gar Anklage erhoben wird. Hier ist die vielzitierte Unschuldsvermutung nichts wert. Insbesondere die öffentliche Anklage, die der Wahrheitsfindung und der Rechtsstaatlichkeit dienen soll, erweist Ihnen diesbezüglich einen Bärendienst. Erwarten Sie von niemandem Hilfe, jeder hat Angst, ins Visier der Staatsanwaltschaft zu gelangen. Im Ermittlungsverfahren stehen Sie allein und müssen nur an sich denken.

Als Beschuldigter sollten Sie in jedem Fall zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Wichtig ist, bis zur Akteneinsicht des Verteidigers konsequent zu schweigen. Erst nach Akteneinsicht kann die angezeigte Verteidigungsstrategie mit dem Mandanten besprochen werden.

Ihr Schweigerecht ist eines Ihrer wesentlichen Verfahrensrechte als Beschuldigter. Sie müssen dies nicht begründen und dies darf Ihnen auch nicht zu Ihren Lasten ausgelegt werden. Sie müssen lediglich Angaben zu Ihren Personalien machen. Gehen Sie niemals ohne Ihren Strafverteidiger zu einer Vernehmung oder erkennungsdienstlichen Maßnahme, z.B. der Polizei. Das Recht zu schweigen ist rechtsstaatlich ebenso essenziell wie das Recht auf Anhörung.

Bei der ersten Vernehmung sind dem Beschuldigten kaum Ermittlungsergebnisse bekannt. Alles, was jetzt gesagt wird, kann einen um Kopf und Kragen bringen bzw. befindet sich erst mal in der Akte. Allzu leicht kann gerade hier ein Anfangsverdacht erhärtet oder erst geschaffen werden. Im schlimmsten Fall kann sogar ein überschießendes Geständnis vorliegen, welches Straftaten nachweist, die man ohne die Stellungnahme nicht erkannt hätte.

Alles, was Sie äußern, kann gegen Sie verwendet werden. Gerade Ihr Verhalten zu Beginn der Ermittlungen kann entscheidend sein für den weiteren Gang des Verfahrens.

 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.

Mail:kanzlei@anwalthesterberg.de