Halteranzeige - Abtreten der Punkte an Strohmann strafbar ?

Strafrecht und Justizvollzug
14.01.20085267 Mal gelesen

In einem Bußgeldverfahren ist manchmal die Versuchung groß, die Punkte oder das Fahrverbot auf einen anderen abzuwälzen. Vielleicht findet sich jemand, der aus welchem Grund auch immer, bereit ist, den Verkehrsverstoß auf seine Kappe zu nehmen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten.

Wer gegenüber der Behörde angibt, dass ein anderer gefahren sein, läuft Gefahr, sich wegen falscher Verdächtigung im Sinne des § 164 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar zu machen. Und dieses Vergehen ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe belegt. Grund: Man beabsichtigt die Herbeiführung eines behördlichen Verfahrens gegen einen Unschuldigen. Schon klüger ist es daher, wenn der beschuldigte Autofahrer der anderen Person den Anhörungsbogen übergibt, jene hierin den Verstoß zugibt und die Anhörung selbst an die Bußgeldstelle zurückschickt. Es entfällt dann die Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung. Dem tatsächlichen Fahrer ist es nicht untersagt, zum Vorwurf überhaupt keine Angaben zu machen. Das ist eine Verhaltensweise zu der man als tatsächlicher Fahrer sogar berechtig ist. Denn niemand hat die Pflicht, sich selbst zu belasten und darf zu den Vorwürfen schweigen. Daher ist auch niemand verpflichtet, einen Anhörungsbogen zurückzuschicken oder einer polizeilichen Vorladung Folge zu leisten.

Der "Strohmann" kann sich durch die Selbstbezichtigung im Bußgeldverfahren nicht nach § 164 StGB strafbar machen. Ebenso wenig kommt im Bußgeldverfahren für die Beteiligten eine strafbare Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 2 StGB in Frage.

Das Kraftfahrtbundesamt ist in der Vergangenheit zumindest gegen kommerzielle Übernehmer von Punkten mit Strafanträgen wegen mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 StGB vorgegangen. Solchen Strafanträgen ist aber entgegenzuhalten, dass es sich beim Bundeszentralregister nach herrschender Auffassung nicht um eine öffentliche Urkunde im Sinne des Strafrechts handelt. Das Flensburger Register stellt nur ein innerdienstliches Register dar, das keine Beweiskraft für und gegen jedermann entfaltet und somit nicht den strafrechtlich sanktionierten Wahrheitsschutz genießt.

Natürlich darf man andere nicht wahrheitswidrig der Verfolgung durch ein behördliches Verfahren aussetzen. Wer dieser Versuchung doch einmal erlegen war und nun wegen falscher Verdächtigung beschuldigt wird, weil er eine andere Person als Fahrer benannt hat, hat dennoch eine Chance, der Strafbarkeit zu entgehen. Die wahrheitswidrige Bennennung der anderen Person muss nämlich im Zeitpunkt der Benennung auch noch geeignet sein, Maßnahmen gegen jene auszulösen. Der Beschuldigte sollte deshalb genau prüfen lassen, ob zum Zeitpunkt als er die andere Person als Fahrer benannt hat, ihr gegenüber nicht schon das Verfahrenshindernis "Verfolgungsverjährung" eingetreten war. Die Frist der Verfolgungsverjährung ist in verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren gemäß § 26 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) schon nach drei Monaten abgelaufen. Die Dreimonatsfrist kann zwar durch bestimmte Handlungen wie die Versendung eines Anhörungsbogens oder den Erlass eines Bußgeldbescheides unterbrochen werden. Diese Unterbrechungen wirken aber nur gegenüber demjenigen, gegen den sich das Verfahren richtet. So ist z.B. die Einleitung eines Verfahrens gegen eine Dritte Person mehr als drei Monate nach der Tat nicht mehr möglich, wenn ein Anhörungsbogen oder ein Bußgeldbescheid bislang nur gegen den ursprünglich Verdächtigen ergangen war. Weil die Falschangabe damit nicht geeignet war, den "Strohmann" noch der Verfolgung auszusetzen, kann derjenige, der ihn wahrheitswidrig als Fahrer benannt hat, nicht mehr als Täter einer falschen Verdächtigung bestraft werden.

Letztlich ist es eine Frage der Gründlichkeit der Behörden, ob der Verkehrssünder mit seinem Vorgehen nach dem Modell "Strohmann" Erfolg hat. Für den Erfolg spricht sicher die Überlastung der meisten Bußgeldstellen, zumindest in größeren Städten. Von der Möglichkeit eines Abgleichs des Beweisfotos mit dem Passbild wird deshalb zumeist nur bei auffälligen Unstimmigkeiten aufgrund Geburtsdatums oder Geschlechts (die Sekretärin oder der Ehepartner kann nicht für alles geradestehen) Gebrauch gemacht. Auch wenn ein Fahrer aus dem Ausland benannt wird, sind die Behörden angehalten, genauer hinzuschauen, ob nicht ein Strohmann vorgeschoben wird.


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Hinweis:
Der Verfasser, Christian Demuth, befasst sich als Anwalt ausschließlich mit dem Verkehrsstrafrecht, dem Ordnungswidrigkeitenrecht und dem Fahrerlaubnisrecht. Der Beitrag nimmt teilweise Bezug auf OLG Celle, Beschl. v. 21.6.2007 (32 Ss 89/07).