Medizinische Untersuchung bei Verdacht auf Dienstunfähigkeit: Wann haben amtsärztliche Gutachten Vorrang?

Staat und Verwaltung
05.10.20086336 Mal gelesen

Nach den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann der Beamte auch dann angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, daß er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird. Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit des Beamten, so ist er verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen (§ 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes, die Beamtengesetze der Länder lauten im wesentlichen gleich). In der Regel wird zur Überprüfung der Dienstfähgkeit eine amtsärztliche Untersuchung angeordnet.. Führen jedoch die Feststellungen des Amtsarztes zu anderen Ergebnissen, als die Feststellungen des Hausarztes oder anderer behandelnder Ärzte, stellt sich die Frage, welcher Aussage Vorrang zukommt.

Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist die ärztliche Begutachtung nicht das einzige und allein ausschlaggebende Beweismittel für die Klärung der Frage der Dienstunfähigkeit (vgl.: Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 16.10.1997 - BVerwG 2 C 7.97; Beschluss v. 25.10.1988, 2 B 145.88; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.03.2007, 5 LA 255/04). Ein Beamter kann sich aller ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel bedienen, um seine Dienstfähigkeit zu beweisen. Dies können auch privatärztliche Gutachten sein. Weicht die medizinische Beurteilung des Amtsarzte hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes ab, kommt der Beurteilung des Amtsarztes nur unter den Voraussetzungen ein Vorrang zu, dass

  • keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bestehen,
  • die medizinischen Beurteilungen auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen,
  • in sich stimmig und nachvollziehbar sind und
  • der Amtsarzt auf die Erwägungen des Privatarztes, wenn dieser seinen medizinischen Befund näher erläutert hat, eingeht und nachvollziehbar darlegt, warum er ihnen nicht folgt.

Das gleiche gilt, wenn der Amtsarzt einen Facharzt einschaltet, um die medizinische Sachkunde zu gewährleisten, und sich dessen medizinischer Beurteilung anschließt; die Stellungnahme des Facharztes wird dann dem Amtsarzt zugerechnet (BVerwG Urteil. v. 12.10.2006, 1 D 2.05; Beschluss vom 8.3.2001, 1 DB 8.01). Das Verwaltungsgericht kann im Streitfall eine erneute Begutachtung anordnen. Es muss dies angesichts eines anderslautenden privatärztlichen Gutachtens aber nur dann, wenn sich nach den oben genannten Maßstäben eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, weil der Amtsarzt gerade nicht auf die Erwägungen des privatärztlichen Gutachtens eingegangen ist und nachvollziehbar dargelegt hat, warum er ihnen nicht folgt. Denn dann vermag das amtsärztliche Gutachten den mit ihm verfolgten Zweck nicht zu erfüllen bzw. dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde nicht zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung nicht zu ermöglichen (Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 29.3.1996, 2 B 35.96; Beschluss vom 30.8.1993, 2 B 106.93; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.03.2007, 5 LA 255/04).