Zu dichtes Auffahren: Nötigung auch innerorts möglich!

Staat und Verwaltung
11.06.20072491 Mal gelesen

Dichtes Auffahren als solches ist eine Ordnungswidrigkeit, nicht ohne weiteres aber zugleich eine Nötigung. Damit eine Nötigung vorliegt, ist es notwendig, dass es sich um einen Vorgang von einiger Dauer und größerer Intensität handelt, der in jedem Einzellfall erst festgestellt werden muss. Mehrere Gerichte haben in ihren Urteilen festgehalten, dass ein Kraftfahrer eine Nötigung begeht, wenn er auf der Autobahn unter Einsatz von Signalhorn und/oder Lichthupe dicht auf einen vor ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw heranfährt, um diesen zum schnelleren Fahren oder zur Freigabe der Fahrspur zu bewegen. Die Anwendung von physisch spürbaren Zwang und damit von Gewalt im Sinne von § 240 StGB liegt darin, dass diese beim Vorausfahrenden zu merkbaren Angstreaktionen führen kann. Für das Hervorrufen von Angstreaktionen kommt es auf die Intensität des Verhaltens, insbesondere die Geschwindigkeit der Fahrzeuge, die Dauer der Einwirkung und die Länge der Fahrstrecke an. In Auffahrfällen kürzerer Dauer wird eine Strafbarkeit wegen Nötigung verneint.
Laut neuster Rechtsprechung ist eine Nötigung im Straßenverkehr auch innerorts durch zu dichtes Auffahren möglich. Allerdings bedarf es hier wegen der meist niedrigeren Geschwindigkeiten einer genaueren Prüfung, ob eine Nötigung oder nur eine Ordnungswidrigkeit durch Unterschreitung des Sicherheitsabstands vorliegt (vgl. auch BVerfG, 2 BVR 932/06).

Praxistip:
Für den Mindestabstand ist der halbe Tachowert in Metern einzuhalten, bei schlechter Sicht entsprechend mehr. Um die Distanz richtig zu messen, dienen die Leitpfosten seitlich der Straße als Orientierungshilfe. Sie stehen auf Autobahnen 50 Meter voneinander entfernt, auf Landstraßen sind sie alle 25 Meter aufgestellt.

Der Autor RA Sven Skana ist Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030 - 886 81 505.