Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 14.11.2007 (IV ZR 74/06) eine lang erwartete Grundsatzentscheidung getroffen. Es ging um die sog. Startgutschriften im Rahmen des ab dem 01.01.2002 vollzogenen Systemwechsels in der Zusatzversorgung. Das Gesamtversorgungssystem mit Umlageverfahren wurde auf ein beitragsbezogenes System mit Versorgungspunkten umgestellt. Im Ergebnis billigte der BGH zwar die Systemumstellung als solche, hält aber die Berechnung der Rentenanwartschaften für die rentenfernen Jahrgänge (geboren ab dem 01.01.1947) für unverbindlich. Dieses Urteil betrifft etwa 1,7 Mio. Beschäftigte des öffentlichen oder kirchlichen Dienstes, welche gegenüber der VBL oder einer anderen Zusatzversorgungskasse Anspruch auf Zusatzrente haben. Laut BGH verstoße die Berechnung der Vollrente gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, weil pro Jahr der Versicherung nur ein Versorgungssatz von 2,25 % anerkannt werde. Daher würden Personen mit längeren Ausbildungszeiten benachteiligt und hätten von vornherein überproportionale Abschläge hinzunehmen. Nunmehr ist eine Neuregelung der Satzung zu erwarten.
Leider hat sich der BGH in dieser Entscheidung nicht zu dem Problem der Startgutschriften geäußert: Gerade die wohl wichtigste Frage zum Abzug einer sog. Näherungsrente statt eines konkret erworbenen Rentenbetrages blieb unbeachtet. Bereits mit der wegweisenden Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe vom 22.09.2005 (12 U 99/04) wurde für die rentenfernen Versicherten ein großer Erfolg errungen: Das Gericht entschied zu Gunsten der Versicherten, dass die unter Berücksichtigung der Näherungsrente ermittelten Startgutschriften rechtfehlerhaft seien. Hierbei hilft das Urteil des OLG Karlsruhe vom 01.03.2007 (12 U 40/06), wonach die sechsmonatige Ausschlussfrist für die Einlegung dieser Rechtsmittel für unwirksam erklärt wurde.
Die Empfänger von Rentenbescheiden, welche unter Berücksichtigung von Startgutschriften Zusatzrenten festlegen, sollten die Startgutschriften unbedingt von einem auf Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen und gegebenenfalls gegen den Bescheid vorgehen. Rechtsschutzversicherer übernehmen in der Regel die anfallenden Kosten.
Almuth Arendt-Boellert
Rechtsanwältin
23.05.2008
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