Rente wegen Erwerbsminderung

Soziales und Sozialversicherung
15.04.20105433 Mal gelesen
Zu den Anspruchsvoraussetzungen der gesetzlichen Rentenversicherung bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit


Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit kann jeden treffen. Das Risiko von Unfällen oder einer schweren Krankheit lässt sich nicht mit 100 %-iger Sicherheit ausschließen. Somit stellt sich die Frage nach der sozialen Absicherung. Wer keine private Vorsorge treffen kann, ist auf die staatlichen Systeme angewiesen. Aber die Löcher in den Rentenkassen wachsen. Anfang Dezember 2005 meldete die Deutsche Rentenversicherung, dass die Monatsrenten nur mit Hilfe eines Kredits des Bundes in Höhe von 900 Millionen Euro vollständig und pünktlich ausgezahlt werden konnten. Die finanziellen Reserven der Rentenversicherung waren nahezu aufgebraucht. Die Versicherungsträger prüfen Rentenanträge zunehmend schärfer. Worauf kommt es also an? Was ist zu beachten?

Durch das Rentenreformgesetz vom 20.12.2000 wurde die alte Einteilung in Erwerbsunfähigkeitsrente und Berufsunfähigkeitsrente aufgegeben. Seit dem 01.01.2001 gibt es nur noch Renten wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung.
? Voll erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
? Teilweise erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
? Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Maßstab ist alleine das krankheitsbedingt eingeschränkte Restleistungsvermögen des Rentenantragstellers. Der Versicherte muß sich auf jede Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen und ggf. auch einen sozialen Abstieg in Kauf nehmen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist (zumindest grundsätzlich) unbeachtlich. Ein leistungsfähiger Versicherter grundsätzlich nicht erwerbsunfähig und zwar auch dann nicht, wenn er arbeitslos ist und wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Konkurrenz den Vortritt lassen muß. Es sei denn, dass dem Versicherten trotz eines an sich vollschichtigen Leistungsvermögens der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist, weil

1. der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, aber nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen,
2. der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, entsprechende Arbeitsplätze aber aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann,
3. die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann,
4. für den Versicherten nur Tätigkeiten in Betracht kommen, die auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die
a) an Berufsfremde nicht vergeben zu werden pflegen, oder
b) als Schonarbeitsplätze oder als Aufstiegspositionen nicht an Betriebsfremde vergeben werden,

5. entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen (GrS des BSG, 19. Dezember 1996, GS 1/95).

Diese vom Großen Senat des Bundessozialgerichts in einem Beschluß vom 19.12.1996 herausgearbeiteten sog. Katalogfälle zeichnen sich dadurch aus, dass dem Versicherten wegen besonderer Gesundheitsstörungen (Krankheiten oder Behinderungen) der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen oder zumindest so erheblich erschwert ist, dass seine Einsatzfähigkeit in einem Betrieb ernstlich zweifelhaft ist. Wenn der Versicherte allerdings noch einen Arbeitsplatz inne hat, auf dem er die in Betracht kommenden Arbeiten unter anderen als den in Betrieben üblichen Bedingungen verrichten kann, sind die genannten Einschränkungen unbeachtlich.
Grundsätzlich bedarf es bei Versicherten, die auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar sind und noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten mit zusätzlichen Einschränkungen verrichten können, nicht der konkreten Benennung (zumindest) einer Verweisungstätigkeit. Ausnahmsweise hat die Rechtsprechung die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit aber in solchen Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Als einschlägige Fälle sind in der Rechtsprechung des BSG

1. besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz,
2. die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen - i.V.m. anderen Einschränkungen,
3. Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, Notwendigkeit halbstündigen Wechselns von Sitzen und Gehen,
4. regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe,
5. Einarmigkeit oder Einäugigkeit,
6. Gefährdung der eigenen Person oder der Umgebung durch kurzfristige Schwindelanfälle, Ausschluss von Fließband- oder Akkordarbeit - i.V.m. körperlich leichten und fachlich einfachen Frauenarbeiten,
7. Sehstörungen, Bewegungseinschränkungen der Hände, Arbeit unter Ausschluss bestimmter Umwelteinflüsse wie Kälte, Nässe oder Staub und
8. Gebrauchsunfähigkeit einer Hand

anerkannt. Diese Aufzählung dürfte aber wohl nicht abschließend sein. Denn es sind viele gesundheitsbedingte Leistungsstörungen (oder Kombinationen von Störungen) denkbar, die als ungewöhnliche Leistungseinschränkungen oder schwere spezifische Leistungsbehinderungen gewertet werden und die Verpflichtung zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auslösen können. Die vorgenannten Fallkonstellationen sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Beeinträchtigungen handelt, die auf Gesundheitsstörungen (Krankheiten oder Behinderungen) beruhen und aufgrund ihrer Art oder ihres Schweregrades ungewöhnliche oder schwere spezifische Auswirkungen auf das Leistungsvermögen haben.