Gesetzliche Rentenversicherung – Kein Rentenanspruch bei sog. Versorgungsehe

Soziales und Sozialversicherung
20.10.2013482 Mal gelesen
Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat nicht darin bestand, einen Versorgungsanspruch zu begründen.

Diese Bestimmung in § 46 Abs. 2a SGB VI will ausschließen, dass das Ziel der Eheschließung allein die Erlangung einer Versorgung ist. Das Gesetz unterstellt, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstirbt. Diese gesetzliche Vermutung kann allerdings widerlegt werden, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen (zum Beispiel Unfalltod), so die Begründung des Gesetzes (Bundestagsdrucksache 764/00, Seite 104).

Die Versicherungsträger und im Streitfall auch die Sozialgerichte müssen zur Klärung der Frage, ob besondere (innere und äußere) Umstände vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, alle Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen und sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Tatsachen bzw Indizien eine Überzeugung davon verschaffen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war.

Bundessozialgericht - 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R

Die gesetzliche Bestimmung zwingt nach der Rechtsprechung des BSG den Hinterbliebenen aber nicht, seine inneren Gründe für die Eheschließung oder die des verstorbenen Ehegatten zu offenbaren. Er kann sich auch auf die Darlegung von äußeren (objektiv nach außen tretenden) Umständen beschränken, die seiner Ansicht nach auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Ebenso bleibt es ihm unbenommen, keinerlei Auskünfte über den "Zweck der Heirat" zu geben. Es soll nicht gegen seinen Willen zu einem Eingriff in seine Intimsphäre kommen, indem der Hinterbliebene genötigt wird, auch seine allerpersönlichsten, innersten Gedanken und Motive für die Eheschließung mit dem verstorbenen Versicherten mitzuteilen. Denn die gesetzestechnische Ausgestaltung des § 46 Abs 2a SGB VI als Regel-/Ausnahmetatbestand verfolgt gerade den Zweck, die Träger der Rentenversicherung und die Sozialgerichte von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden. Dies bedeutet aber nicht, dass es dem hinterbliebenen Ehegatten untersagt ist, seine (höchst-)persönlichen Gründe und die des verstorbenen Versicherten für die Eheschließung darzulegen. Vielmehr kann er selbst abwägen, ob er derartige private Details preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr zu entkräften. Macht der Hinterbliebene von sich aus oder auf Befragen entsprechende Angaben und sind diese glaubhaft, so sind auch diese persönlichen Gründe in die (abschließende) Gesamtbetrachtung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu würdigen. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der "Ermittlung der Beweggründe für die Heirat" bzw des "Zwecks der Heirat" würde jedenfalls in einem solchen Fall die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschneiden. Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken.

Eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen "besonderen" Gründe ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich - isoliert - zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen.

BSG - 05.05.2009 B 13 R 55/08 R

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