Ausgleichsanspruch trotz bAV – Aktuelles Urteil

Soziales und Sozialversicherung
27.08.20071232 Mal gelesen

Eine vom Unternehmen finanzierte betriebliche Altersversorgung (bAV) mindert stets den Ausgleichs-anspruch des Handelsvertreters. So lautet der Rechtsprechungsgrundsatz. Das Oberlandesgericht (OLG) München entschied nun über einen Fall, bei dem der Vertreter von der Sozialhilfe lebte und sich gegen die Verrechnung der Altersversorgung mit dem Ausgleichsanspruch zur Wehr setzte.


Vertragsfremde Umstände in der Billigkeitsprüfung
Das Landgericht sprach dem Vertreter einen Betrag von 45.000,00 € zu, woraufhin der Versicherer in Berufung ging; er begehrte die weitere Zahlung von 55.000,00 €.
Das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. In ihrem Urteil vom 16.11.2006 führten die Richter aus, dass es grundsätzlich der Billigkeit entspreche, den Wert einer freiwillig erbrachten finan-ziellen Zuwendung des Versicherers für den Ausgleichsanspruch des Vertreters nach § 89 b HGB anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Die regelmäßige volle Anrechnung der Altersversorgung sei auf Grund ihrer funktionellen Verwandtschaft mit dem Ausgleichsanspruch in allen Fällen gerechtfer-tigt, in denen der Vertreter wegen des Erreichens der Altersgrenze ausscheide. Von einer entspre-chenden Substitution des Ausgleichsanspruchs durch die betriebliche Altersversorgung könne indes nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn das Vertragsverhältnis vor Erreichen der Altersgren-ze ende.
Dem Ausgleich nach § 89 b HGB komme auch die soziale Funktion einer Überbrückungshilfe zu. Sinn und Zweck des Anspruchs bestehe darin, den Vertreter beim Aufbau einer neuen beruflichen Positi-on, also der durch die Kündigung des Unternehmers erforderlich gewordenen Neuorientierung, finan-ziell zu unterstützen. Die Funktion als Überbrückungshilfe schließe es aber auch nicht aus, bei einer Fälligkeitsdifferenz freiwillige Leistungen des Unternehmers zur betrieblichen Alterversorgung bei der Bemessung des Ausgleichs im Rahmen der Billigkeit angemessen zu berücksichtigen, um eine unbil-lige Doppelbelastung des Unternehmers zu vermeiden. Dabei müsse selbst eine unwirksame Ver-rechnungsvereinbarung als Indiz für den grundsätzlichen Anrechnungswillen der Parteien gewertet werden.
Bei dieser gebotenen Billigkeitsprüfung seinen im Übrigen sämtliche vertragsbezogenen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es sei insbesondere nicht ausgeschlossen, im Einzelfall vertrags-fremde Gegebenheiten zu berücksichtigen, wie etwa die wirtschaftliche und berufliche Situation des Vertreters nach Vertragsende.

Verantwortlichkeit durch langjährige Vertragsbeziehung
Die Entscheidung des Landgerichts sei, nach Ansicht des OLG, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Angesichts der langjährigen Tätigkeit des Vertreters für einen Versicherer, wie im zugrunde liegenden Fall, sei es nicht gerechtfertigt, im Falle der Beendigung des Vertretervertrages zahn Jahre vor Eintritt in das Rentenalter den Ausgleichsanspruch um den vollen Anwartschaftsbarwert der arbeitgeberseitig finanzierten betrieblichen Altersversorgung zu mindern. Dies gelte jedenfalls dann, wenn auf der Hand liege, dass dem gekündigten Vertreter angesichts seines Lebensalters und bisherigen Werde-gangs ein angemessener Wiedereinstieg ins Berufsleben zumindest erheblich erschwert werde. Aus der langjährigen Vertragsbeziehung leite sich eine nachwirkende Verantwortlichkeit des Versicherers für eine berufliche Wiedereingliederung des Vertreters ab, die eine beschränkte finanzielle Doppelbe-lastung rechtfertige.

Ansprechpartner für Vertriebsrecht: Rechtsanwalt Heiko Wenzel.