Gekündigte Lebensversicherungen: Ist nach den dem BGH-Urteil noch ein Widerspruch bei einer enttäuschen Kündigung möglich?

Gekündigte Lebensversicherungen: Ist nach den dem BGH-Urteil noch ein Widerspruch bei einer enttäuschen Kündigung möglich?
28.07.2014265 Mal gelesen
Vorletzte Woche entschied der BGH, dass Lebens- und Rentenversicherte nicht einfach ihrem gekündigten Versicherungsvertrag widersprechen können – doch nun jeder Widerspruch ausgeschlossen? Nicht ganz, denn es gibt auch weitere BGH-Urteile, die für enttäuschte Versicherten Ansatzpunkte bieten.

Nicht nur die Politik beschäftigt sich mit Lebensversicherungen. Versicherte sind nach der Kündigung alter Versicherungsverträge nicht immer mit dem Resultat zufrieden, sodass sich auch die Gerichte mit Lebensversicherungen befassen müssen. Am 16.07.2014 entschied Bundesgerichtshof über den Widerspruch gegen einen bereits gekündigten Lebensversicherungsvertrag. Das Gericht hatte in den vergangenen Wochen verschieden Klagen von Versicherten zu bearbeiten, die in der Vergangenheit einen Lebens- und Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen hatten und bei der späteren Kündigung vom ausgezahlten Betrag enttäuscht waren. So mancher Renten- oder Lebensversicherten hatte daraufhin den Rechtsweg beschritten, um mehr Geld als den Rückkaufwert von der Versicherung zu fordern.

 

Um dies zu erreichen, widersprachen Versicherte dem ursprünglichen Vertragsschluss. Im Fall eines erfolgreichen Widerspruchs gilt der Versicherungsvertrag als nicht abgeschlossen und die Grundlage für den vertraglich vereinbarten Rückkaufswert entfällt. Doch die Frage, ob der Widerspruch eines Versicherten wirksam ist oder nicht, war und ist nicht einfach zu beantworten. Insbesondere bei Renten- und Lebensversicherungsverträgen, die zwischen 1998 und 2007 abgeschlossen wurden, waren grundlegende Rechtsfragen zu klären.

 

BGH stellt klar, dass nicht jeder Widerspruch nach einer Kündigung wirksam ist

 

So war bis in Jahr 2007 in § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) festgeschrieben, dass ein Renten- oder Lebensversicherungsvertrag nur binnen eines Jahres nach dem Bezahlen der ersten Prämie widerrufen werden kann. Jedoch hatten Renten- und Lebensversicherte den gekündigten Versicherungsverträgen erheblich später widersprochen. Sie stellten sich auf den Standpunkt, dass ihr späterer Widerspruch gültig sei, weil § 5a VVG und das damals vorgeschriebene Policenmodell (Versicherungsvertrag wird abgeschlossen, wenn der Versicherte nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt der Vertragsunterlagen widerspricht) gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen.

 

Dass diese Argumentation nicht jedem Widerspruch zum Erfolg verhilft, stellte der Bundesgerichtshof am 16.07.2014 klar. Es ging um den Fall eines Klägers, der 1998 einen Versicherungsvertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung abschloss und dabei ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt. Der Kläger kündigte den Vertrag im Jahr 2004 und erklärt 2011 den Widerspruch. Der BGH entschied, dass in diesem Fall dem einstigen Vertragsschluss nicht mehr wirksam widersprochen werden könne, da die Einjahresfrist des § 5a VVG längt abgelaufen sei. Auch stelle das Policenmodell keinen Verstoß gegen europarechtlichen Vorgaben dar, sodass die Widerspruchsfrist auch deshalb nicht über den gesetzlich festgelegten Zeitraum des § 5a VV hinaus "verlängert" werden könne (Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13). Dementsprechend konnte der Kläger nicht mehr als den bereits ausgezahlten Rückkaufswert fordern.

 

Auch nach dem Urteil vom 16.07.2014 ist ein erfolgreicher Widerspruch noch möglich

 

Für Versicherte stellt sich nach diesem Urteil die Frage, ob damit jegliche Möglichkeit abgeschnitten ist, sich gegen den Rückkaufswert und enttäuschende Kündigungen zu wehren. Dass es noch Ansatzpunkte gibt, zeigt ein anderes, Anfang Mai 2014 entschiedenes BGH-Urteil. Auch in diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof sich mit einem nach der Jahresfrist des § 5a VVG erklärten Widerspruch auseinanderzusetzen. Für den betroffenen Versicherten brachte das Urteil aber ein ganz anderes Ergebnis mit sich: Der Widerspruch war wirksam, und der Kläger konnte mehr Geld von der Versicherung fordern.

 

Dass der BHG in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis kam, ist auf ein Detail beim Vertragsschluss zu erklären. Der Kläger wurde beim Abschluss des Versicherungsvertrags nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen. Dieser Unterschied erlaubte es dem Bundesgerichtshof und auch dem Gerichtshof der Europäischen Union, die Rechtslage anders zu beurteilen: Im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung sei die Ausschlussregelung des § 5a Versicherungsvertragsgesetz (alte Fassung) nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Für den Kläger bedeutete dies, dass ein wirksamer Widerspruch gegen den ursprünglichen Vertragsschluss auch noch Jahre später möglich war (Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen: IV ZR 76/11).

 

Genaue Umstände des Einzelfalls entscheiden, ob ein Widerspruch noch möglich ist

 

Die beiden Urteil demonstrieren, dass es trotz des Urteils vom 16.07.2014 für Renten- und Lebensversicherte nach wie vor Chancen gibt, gegen das Ergebnis einer Kündigung vorzugehen. Doch wird auch deutlich, dass die genauen Umstände eines jeden Einzelfalls entscheidend sind. Daher muss der Einzelfall rechtlich überprüft werden - eine generelle Lösung für alle Fälle gibt es nicht. Wenn Versicherte wissen möchten, welche konkreten rechtlichen Möglichkeiten in ihrem Fall offen stehen, sollten sie sich angesichts der komplexen Rechtslage zuvor Rechtsrat einholen.

 

Mehr Informationen zum den beiden Urteilen des Bundesgerichtshofs befinden hier sich auf der Homepage der Kanzlei Dr. Stoll & Kollegen.

 

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