Kündigung der Lebensversicherung - der Versicherer zahlt zweimal! Die papierlose / elektronische Aktenführung der Versicherer - Beweisprobleme.

Schaden, Versicherung und Haftpflicht
05.12.20071308 Mal gelesen

rechtskräftiges Urteil des Landgerichtes Mühlhausen vom 04.10.2007, AZ. 6 O 844/06 h

Sachverhalt:
Beim Versicherer gehen innerhalb von 4 Tagen zwei Kündigungsschreiben zu einer Lebensversicherung ein. Beide weisen die Versicherungsnehmerin (VN) als Absender aus, geben jedoch unterschiedliche Adressen an. Das erste Kündigungsschreiben weist den Versicherer an, auf das Konto des Bezugsberechtigten auszuzahlen. Im zweiten Kündigungsschreiben zeigt die VN noch ihre neue, also dritte, Adresse an. Der Versicherer überweist auf das Konto der Bezugsberechtigten den Rückkaufwert der Lebensversicherung.
Die VN behauptet, das erste Kündigungsschreiben stamme nicht von ihr. Daher klagt sie auf erneute Auszahlung auf ihr Konto, da nach Kündigung des Vertrages der Versicherer das Rückgewährschuldverhältnis nicht erfüllt, also nicht an die VN gezahlt hat. Zudem hätte der Versicherer aufgrund zwei ganz unterschiedlich gestalteter Kündigungen binnen 4 Tagen mit unterschiedlichen Adressen und unterschiedlichen Unterschriften Nachforschungen anstellen müssen.
Der Versicherer beruft sich auf den Einwand der Erfüllung des Vertrages, da beide Kündigungsschreiben von der VN stammen sollen. Er kann allerdings die Kündigungserklärungen - also die Originalurkunden - zur Überprüfung der Unterschriften nicht mehr vorlegen, da diese in die elektronische Datenverarbeitung des Versicherers eingelesen und daraufhin vernichtet worden sind.

Entscheidungsgründe:
Nach Auffassung des Gerichtes ist die Klage der VN begründet. Der Versicherungsvertrag ist gekündigt, womit der Versicherer den Rückkaufwert zur Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses an die VN auszuzahlen hat. Die Überweisung des Betrages auf das Konto des Bezugsberechtigten, auf das die VN keinen Zugriff hat, ist keine Erfüllungshandlung.
Der Versicherer konnte seine Behauptung, er habe auf das von der VN selbst angegebene Konto gezahlt, nicht beweisen, da er die Originalurkunden zum Unterschriftenvergleich nicht vorlegen konnte. Nach § 420 ZPO erfolgt der Beweisantritt durch Vorlage von Privaturkunden grundsätzlich durch Vorlage des Originals. Der Versicherer blieb damit beweisfällig für die Behauptung, auch das erste Kündigungsschreiben stamme von der VN und daher habe er vertragsgerecht erfüllt durch Überweisung auf das dort angegebene Konto.

Fazit:
Die papierlose und damit elektronische Akte mag erhebliche Kosten einsparen. In Anbetracht der Beweisregelung der Zivilprozessordnung sind jedoch die rechtsbegründenden und rechtsgestaltenden Erklärungen, wie die Vertragsurkunde und die Kündigungserklärung im Original zu erhalten. Möglicherweise sind die Einsparungen beim Versicherer jedoch so erheblich, dass es auf 10.000,00 EUR Verlust nicht mehr ankommt.

Morasch
Rechtsanwalt