Vorliegend handelte es sich um einen Versicherungsnehmer, der von der schmalen Fahrbahn auf den unbefestigten Randstreifen abgekommen war. Dabei prallte er gegen einen am Fahrbahnrand stehenden Baum. Das Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Diesen verlangt der Versicherungsnehmer nun von seiner Vollkaskoversicherung ersetzt. Da der Versicherungsnehmer aber aufgrund seiner Unaufmerksamkeit (Blick auf den Beifahrersitz) von der Fahrbahn abgekommen war, war die Versicherung der Auffassung, dass sie gem. § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles von ihrer Leistungspflicht frei ist.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt objektiv in besonders hohem Maß außer Acht lässt. Das vorliegend grobe Fahrlässigkeit nicht gegeben ist, beruht auf der Erkenntnis, dass es aus technischer Sicht problemlos möglich ist, über einen Zeitraum von 0,5 - 1,0 Sekunden auf den Beifahrersitz zu schauen ohne von der Fahrbahn abzukommen. Auch das Abkommen von der Fahrbahn allein stellt keinen schlechthin unentschuldbaren Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht dar.
Zur Beweislast ist festzuhalten, dass diese grundsätzlich den Versicherer trifft. Der Versicherungsnehmer muss jedoch ihn entlastende Tatsachen darlegen, da der Versicherer mangels Beteiligung am Geschehen nie entlastende Tatsachen widerlegen könnte. Hier konnte der Versicherungsnehmer keinen plausiblen Grund für das Abkommen von der Fahrbahn vortragen. Daraus kann dennoch keine Umkehr der Beweislast abgeleitet werden.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten:
- Das Abkommen von einer schmalen Fahrbahn auf den Grünstreifen begründet nicht ohne weiteres grobe Fahrlässigkeit.
- Wenn ein Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, einen plausiblen Grund für das Abkommen von der Fahrbahn anzugeben, kann daraus keine Umkehr der Beweislast abgeleitet werden, die nach § 61 VVG dem Versicherer obliegt.
Das OLG Hamm urteilte daher, dass der Versicherungsnehmer von seiner Vollkaskoversicherung den Unfallschaden ersetzt bekommt! Die Frage wie der gleiche Fall bei einem Abkommen von einer breiten, gut ausgebauten und mit einem Randstreifen versehenen Fahrbahn ohne plausiblen Grund zu beurteilen sei, wurde vom Gericht offen gelassen (OLG Hamm, 20 U 124/06).
Der Autor RA Sven Skana ist Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030 - 886 81 505.