Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern

Vorformulierte Musterbriefe hemmen ohne individuelle Angaben die Verjährung nicht
25.06.2017221 Mal gelesen
Gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung oder Nichtabnahmentschädigung kann in vielen Fällen zurückgefordert werden. Wenn Banken selbst das Immobiliendarlehen bei Verbrauchern gekündigt haben , besteht auf Erfüllungsinteresse kein Rechtsanspruch.

Rück­for­de­rung gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung / Nicht­ab­nah­me­ent­schä­di­gung nach Dar­le­hens­kün­di­gung durch die Bank

1. Vo­raus­set­zun­gen:

a) Wur­de Ih­nen als Verbraucher ein Immobiliendarlehen vom Darlehensgeber, also von einer Bank oder einer Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft, gekündigt?

b) War das Dar­le­hen durch Grundschuld oder Hypothek im Grund­buch ge­si­chert (Dies ist re­gel­mä­ßig der Fall)?

c) Muss­ten Sie da­für Ver­zugs­zin­sen und eine Vorfälligkeits-entschädigung zahlen?

Die­se For­derung wur­de über Jahrzehnte hin­weg von den Ban­ken er­ho­ben und wird es auch heute noch.

 

2. Der Bun­des­ge­richts­hof ­hat 2016 in zwei Ur­tei­len entschieden,  dass die­se Ban­ken­pra­xis rechtswidrig ist.

Mit der Vor­fäl­lig­keits­ent­schä­di­gung, welche auf der Grundlage des vereinbarten Ver­trags­zin­ses berechnet wird, ver­folgt der Darlehensgeber sein Erfüllungsinteresse. Er will so gestellt werden, als würde das Darlehen weiter be­ste­hen. Um­ge­kehrt stellt er das Darlehenskapital aber nicht mehr zur Verfügung.

Der Dar­le­hens­ge­ber hat nach sei­ner Dar­le­hens­kün­di­gung gegen den Darlehensnehmer keinen Anspruch auf das Er­fül­lungs­in­te­res­se.

Der Bun­des­ge­richts­hof hat un­ter ausführlicher Wür­di­gung der Gesetzeslage und der Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en ausgeführt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Rück­griff auf den Ver­trags­zins nach der Kün­di­gung der Bank grund­sätz­lich ausgeschlossen ist und damit dem Darlehensgeber auch eine Vorfälligkeitsentschädigung, die den Ver­trags­zins für die Zeit von der wirksamen Kündigung an bis zum Ende der Zins­fest­schrei­bung ent­hält, versagt ist.

Der Dar­le­hens­ge­ber kann in die­sen ­Fäl­len nur noch den ge­setz­lich vorgesehenen Zinssatz von 2,5 % aus dem noch of­fe­nen Dar­le­hens­ka­pi­tal zuzüglich Zinsen und Kos­ten ver­lan­gen.

Die­se Re­ge­lung wurde vom Gesetzgeber üb­ri­gens auf Wunsch der Kreditwirtschaft nach einfacher und prak­ti­ka­bler Be­rech­nung eingeführt, weil die Kreditwirtschaft die vom Bundesgerichtshof entwickelten Lö­sung  zur Schadensberechnung als unpraktikabel und schwer umsetzbar bemängelt hatte.

Ei­nen An­spruch auf Vor­fäl­lig­keits­ent­schä­di­gung in höherem Um­fang billigt der Ge­setz­ge­ber dem Darlehensgeber nur in den Fällen zu, in de­nen der Dar­le­hens­neh­mer den Dar­le­hens­ver­trag vorzeitig kündigt, nicht aber im An­wen­dungs­be­reich des § 497 BGB a. F. Die­se Rechts­la­ge hat sich auch nach dem 10.06.2010 nicht ge­än­dert.

In bei­den Ur­tei­len hat sich der BGH auch aus­führ­lich damit auseinandergesetzt, dass dies im Ein­zel­fall für die Bank zu nicht  zu­frie­dens­tel­len­den Ergebnissen führen kann, die­se Fol­ge aber vom Ge­setz­ge­ber bewusst in Kauf genommen worden ist.

 

3. Nach­dem die Recht­spre­chung die Vor­fäl­lig­keits­ent­schä­di­gung und die Nicht­ab­nah­me­ent­schä­di­gung in stän­di­ger Rechtsprechung gleich behandelt, gel­ten die vom BGH dar­ge­leg­ten Gründe auch für den Fall, dass ein so ge­nann­tes For­ward­dar­le­hen abgeschlossen und später nicht abgenommen wur­de und der Darlehensgeber da­rauf­hin wegen Ver­zu­ges das Darlehen selbst gekündigt hat.

 

4. Fa­zit:

 

Al­le unter den oben genannten Vo­raus­set­zun­gen in Rechnung gestellten Vor­fäl­lig­keits­ent­schä­di­gun­gen der letzten zehn Jahre sind damit ohne Rechtsgrund erfolgt und können zurückgefordert werden. Äl­te­re Vorgänge scheitern an der Verjährungsfrist. Glei­ches gilt un­ter den oben ge­nann­ten Vo­raus­set­zun­gen für die Nicht­ab­nah­meent­schä­digun­gen.

In die­sen Fäl­len ver­lan­gen Ban­ken regel­mä­ßig Ersatz ih­rer ent­gan­ge­nen Zin­sen, oh­ne je­mals da­für ei­ne Ge­gen­leis­tung erbracht zu ha­ben.

Die Un­ter­schie­de zwi­schen dem gesetzlich begrenzten Zinssatz von 2,5 Pro­zent­punk­ten einerseits und der Vor­fäl­lig­keits­ent­schä­di­gung / Nicht­ab­nah­meent­schä­di­gung auf der Basis des Ver­trags­zin­ses können schon beim normalen Häus­le­bau­er-Kredit  hoch fünfs­tel­lig sein.

In ei­nem Fall, der mir ge­ra­de auf dem Tisch liegt, ver­langt die Bank das 10-fa­che!