Nach einem BGH-Urteil vom 11.Juli 2005, Az II ZR 235/03 ist der faktische Geschäftsführer einer GmbH nicht nur zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages nach § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, sondern hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser Pflicht (hier: Ersatz von Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG) zu tragen (im Anschluss an Senat, BGHZ 104, 44; BGHZ 150, 61).
Das GmbH-Gesetz verpflichtet den GmbH-Geschäftsführer gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG in den Fällen der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen. § 64 Abs. 2 GmbHG verpflichtet ihn zur Erstattung von Zahlungen, die er trotzdem noch geleistet hat, sofern sie nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Diese Pflichten treffen auch den faktischen Geschäftsführer, weshalb in der Vergangenheit regelmäßig heftig darüber gestritten wurde, ob die eine GmbH zwar dominierende, jedoch nicht zum Geschäftsführer bestellte Person überhaupt als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist.
Der BGH hatte nunmehr folgenden Fall zu entscheiden: Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) den Beklagten als faktischen (Mit-)Geschäftsführer der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen in Anspruch. Die Schuldnerin hat den Auftragsbestand übernommen und führt seit 1998 den Geschäftsbetrieb einer GmbH weiter, an der der Beklagte beteiligt gewesen war. Er zahlte außerdem für die Nutzung des Betriebsgrundstücks und das betriebsnotwendige Anlagevermögen Mietzins an eine GbR, an der der Beklagte zur Hälfte beteiligt war, und hatte auf ein Darlehen monatliche Zins- und Tilgungszahlungen an eine GmbH zu erbringen, an der der Beklagte ebenfalls zur Hälfte beteiligt war. Aufgrund laufender Geschäftsbeziehung führte die Schuldnerin für die Gesellschaft außerdem Aufträge aus und bezog Material von ihr.
Der Beklagte war vom Alleingesellschafter der Schuldnerin bevollmächtigt worden, ihn umfassend im Rahmen von Gesellschafterversammlungen und allen anderen Tätigkeiten, Aufgaben und Überwachungen bei der Schuldnerin zu vertreten. Zudem war er gegen eine monatliche Vergütung für den gesamten finanziellen Bereich der Schuldnerin unter Ausschluss des satzungsmäßigen Geschäftsführers alleine zuständig und hatte auch alleine Bank- und Zeichnungsvollmacht über das einzige Geschäftskonto der Schuldnerin erhalten. Entsprechend nahm er alleine auch die Überweisung sämtlicher Zahlungen für den laufenden Geschäftsbetrieb der Schuldnerin vor und die Kontoauszüge wurden an seine Geschäftsadresse bei der GmbH gesandt, die auch die Buchhaltung der Schuldnerin führte. Ungefähr einmal monatlich suchte der Beklagte den Betriebssitz der Schuldnerin auf, um die Tätigkeit des satzungsmäßigen Geschäftsführers vor Ort zu kontrollieren und diesem Weisungen und Anleitungen zu erteilen. Dieser hatte faktisch die Stellung eines für die Akquisition von Aufträgen zuständigen Außendienstmitarbeiters der Schuldnerin und eines Kontrolleurs der Durchführung ihrer Auftragsarbeiten vor Ort, verfügte lediglich über eine Bargeldkasse bis maximal 5.000 DM und durfte weder Einstellungen noch Entlassungen von Arbeitnehmern oder Lohnerhöhungen tätigen.
Der Beklagte wurde vom BGH hat angesichts dieser Umstände als faktischer Geschäftsführer angesehen. Wesentlich sei nämlich neben der internen Beherrschung der Geschäftsführung auch die ebenfalls notwendige und gesondert festzustellende aktive Stellung im Außenverhältnis, hier insbesondere die Beziehung zu der das Gesellschaftskonto führenden Bank, der bestimmende Einfluss des Beklagten auf die Wahl der von der Gesellschaft erfüllten Forderungen und die Vereinbarung von Zahlungsbedingungen mit dem Hauptlieferanten. Dies reiche, um das Auftreten des Beklagten als faktische Geschäftsführung einzustufen, zumal die Zuständigkeit des berufenen Geschäftsführers auf Akquisition, Außenwerbung und Ausführungskontrolle beschränkt gewesen sei.
Die Haftung auch des nur faktischen Geschäftsführers aus § 64 Abs. 2 GmbHG ist seit langer Zeit anerkannt, wobei die Rechtsprechung den faktischen Geschäftsführer in der Vergangenheit nur dahin umschrieben hat, er führe die Gesellschaft wie ein Geschäftsführer (BGH, Urt. v. 24.10.1973 - VIII ZR 82/72 - WM 1973, 1354). Mit Urteil vom 21.03.1988 (II ZR 194/87 - BGHZ 104, 44, 46) hat der II. Zivilsenat allerdings klargestellt, dass die faktische Geschäftsführung keineswegs die völlige Verdrängung eines bestellten Geschäftsführers zur Voraussetzung habe. Entscheidend sei ganz alleine, ob der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen habe. Die Notwendigkeit einer Außenwirkung hat der II. Senat mit Urt. v. 25.02.2002 (II ZR 196/00 - BGHZ 150, 61) besonders betont, für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung genüge nicht die gesellschaftsinterne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer, erforderlich sei auch ein nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln.
Dies findet seine Grundlage in der Überlegung, dass der von dem Geschäftsführer entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG bediente Gläubiger anderenfalls eine Insolvenzforderung gehabt hätte. Leistet nun der Geschäftsführer im Umfang der verbotenen Zahlung Ersatz in die Masse, ist diese um die nicht entstandene Insolvenzforderung bereichert. Mit Urteil vom 08.01.2001 (II ZR 88/99 - BGHZ 146, 264) hat der II. Zivilsenat den Geschäftsführer verpflichtet, entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG geleistete Zahlungen in voller Höhe (also nicht um die Insolvenzquote gekürzt) zu erstatten. Entsprechend sei ihm vorbehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag decke, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse, die durch seine Zahlung begründet wurden, seien gegen Dritte Zug um Zug an den Geschäftsführer abzutreten.
Für die Praxis liegt nun endlich ein konkreter Einzelfall vor, mit dessen Hilfe einfacher geprüft werden kann, ob im jeweiligen Fall eine faktische Geschäftsführung tatsächlich vorliegt. Für den bestellten Geschäftsführer dürfte interessant sein zu sehen, für welche Entscheidungen er selbst noch zuständig bleibt. Solange sich die faktische Geschäftsführung nämlich durch einen anderen auf bestimmte Bereiche beschränkt, bleibt dem bestellten Geschäftsführer damit weiterhin die Möglichkeit der Geschäftsführung.
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