Loppsi 2 – Netzsperre ohne richterliche Kontrolle ist in Frankreich verfassungsgemäß!

anwalt24 Fachartikel
30.03.2011883 Mal gelesen
Der französische Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die durch dieses Gesetz ermöglichte Sperrung von kinderpornografischen Webseiten unbedenklich sei.Diese Entscheidung wird von Herrn Francois-Xavier Sahuc (LL.M.) einer kritischen Würdigung unterzogen. Er ist bei uns als französischer Praktikant tätig. Dadurch wird der Blick zu den europäischen Nachbarn ermöglicht.

1. Einführung

Der französische Verfassungsgerichtshof (Conseil Constitutionnel) hat keine Einwände gegen eine Bestimmung, die eine Sperrung von kinderpornographischen Inhalten im Internet ohne Kontrolle durch einen Richter ermöglicht. Von daher wurde das Gesetz zur Stärkung der inneren Sicherheit, sog. Loppsi (Loi d'orientation et de programmation pour la performance de la sécurité intérieure) am 15.03.2011 erlassen.

Die Opposition hatte in ihrer Klage vor dem französischen Verfassungsgerichthof gegen den Websperren-Paragraph begründet, dass damit einer weitergehenden Zensur des Internet Tür und Tor geöffnet würden.

 

2. Analyse

Um was genau geht es in diesem neuen Gesetz, welches nach der Rede von Grenoble von Präsident Sarkozy am 30.07.2010 verfasst wurde? Ziel des Gesetzes war eine effektivere Bekämpfung der Kriminalität durch die Erschaffung vom neuen Kompetenzbereiche unter anderem für die französische Polizei sowie die Gendarmerie Nationale.

Im Bereich der Internetsicherheit befinden sich Normen über das Internetsperren, die Verlängerung der Online-Durchsuchung, die Erweiterung der Datenbanken der Polizei (u.a. durch genetische Informationen) sowie eine Einführung von Ganzkörperscannern sowie eine Verstärkung der Kameraüberwachung (Kosten in Höhe von 23 Millionen Euros). Das neue Gesetz enthält ebenfalls eine Zulassung für die Verwendung von Spyware auf verdächtigen Computern. Weiterhing wird es auch möglich Verfahren wegen weiterer Vergehen zu führen, die bei der Untersuchung eines Computers entdeckt werden.

Das französische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung von 14.03.2011 mehr als zehn Rechtsnormen außer Kraft gesetzt. Unter anderem wurde das Verbot von Angebote von überteuertem Verkauf von Tickets für Sport- oder Kulturereignisse über das Internet für verfassungswidrig erklärt. Dieses Verbot sei nämlich nicht geeignet, ungewünschte Fans von Veranstaltungsorten (Sport, Konzerte) abzuhalten. Darüber hinaus verstoße es auf gravierende Weise gegen die Vertragsfreiheit. Schließlich wurde vom Verfassungsgerichthof die Videoüberwachung von öffentlicher Plätze und Straßen mithilfe privaten Sicherheitsfirmen kassiert.

 

3. Kritik

Dieses Gesetz wurde von der Opposition stark kritisiert: Es handelte sich nämlich um eine bloße Sammlung von unkoordinierten und repressiven Maßnahmen.

Bürgerrechtsorganisationen befürchten eine umfassende Internetzensur. Der Präsident von der Bürgerrechtsorganisation "La Quadrature du Net" Jérémie Zimmerman weist in einem Interview darauf hin, dass eine teilweise Zensur des Internets für den einzelnen Bürger mit erheblichen Konsequenzen verbunden sein kann.

Dies wird an einem Beispiel aus den USA deutlich: Dort hat Ende Februar 2011 eine US-Behörde in ähnlicher Weise agiert und eine Sperrung von Webseiten mit angeblich kinderpornografischen Inhalten durchgeführt. Hierdurch wurden aus Versehen auch 84.000 legale Internetseiten für mehrere Stunden gesperrt.

Die Sperrung von Webseiten in Frankreich mit kinderpornografischem Inhalt soll mithilfe einer geheimen schwarzen Liste erfolgen. Diese Vorgangsweise ist ebenfalls sehr zweifelhaft. Denn dann kann nicht überprüft werden, ob andere Webseiten versehentlich oder vorsätzlich gesperrt worden sind.

Loppsi ist genauso problematisch wie das Gesetz gegen das illegale Tauschen von Dateien auf dem Internet, die sog. "Loi et Création Internet", Spitzname Hadopi. Die Regierung möchte durch beide Gesetze weitere Privilegien erlangen. Dadurch wird mittelbar oder unmittelbar die Demokratie in Frankreich bedroht. Loppsi stützt sich auf ähnlichen Mittel wie Hadopi. Hierdurch wird entweder mithilfe von Spywares bzw. Keyloggern oder durch die schlichte Einschränkung der Internetnutzung in der Privatsphäre des Bürgers eingegriffen.

Dieses Gesetz wird schließlich auch innerhalb der französischen Justiz kritisiert. Viele Rechtsanwälte und Richter halten es für überflüssig. Ihrer Ansicht nach wäre eine Modifizierung bzw. eine Reform von einigen aktuellen weiterhin gültigen Rechtsnormen ausreichend gewesen, um den politischen Willen des Präsidenten Sarkozy zu konkretisieren.

Aufgrund dieser zahlreichen Bedenken hätten die französische Regierung sowie der Präsident damit rechnen müssen, dass die Organisation Reporter ohne Grenzen in ihrem Bericht über Demokratie und Internet von März 2011 Frankreich als EU-Mitgliedstaat "unter Beobachtung" gesetzt hat.

 

Der folgende Beitrag dürften ebenfalls für Sie interessaant sein:

  • Bekämpfung der Internetpiraterie in Frankreich durch das Hadopi-Gesetz