Arztbewertung muss nicht gelöscht werden (LG München Urteil vom 15.01.2014 – Az. 25 O 16238/13)

Arztbewertung muss nicht gelöscht werden (LG München Urteil vom 15.01.2014 – Az. 25 O 16238/13)
20.05.2014283 Mal gelesen
Arztbewertungsportale erfreuen sich einer steigenden Beliebtheit - allerdings sind dort auch Schmähkritiken anzutreffen, die deutlich das Maß an sachlicher Stellungnahme überschreiten. Immer mehr Urteile werden zu diesem Thema gefällt.

Die Internetportale, auf denen User verschiedene Dienste bewerten können, erleben einen wahren Boom. Auch Arztbewertungsportale sind gut besucht und helfen dabei, einen zu sich passenden Arzt zu finden und "schwarze Schafe" schon im Vornherein bei der Auswahl auszuschließen. Auf solchen Plattformen teilen Patienten ihre Erfahrungen mit behandelnden Ärzten bezüglich der Wartezeiten in der Praxis, bezüglich der Wartezeiten für einen Termin, aber auch das Personal und die Innenausstattung sowie der Arzt selbst werden benotet. Beim Arzt wiederum wird sein Fachwissen, seine Freundlichkeit und andere Attribute bewertet.

Viele Ärzte fühlen sich jedoch durch die Nennung ihres Namens und einiger negativer Kritiken in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Neben möglichst objektiven, an Tatsachen orientierten Bewertungen gibt es auch Patietnen, die einfach mal online ihrem Frust freien Lauf lassen und mehr als nur negativ urteilen. Rechtlich verläuft die Grenze der zulässigen Bewertung entlang der Grenze von Werturteilen zur Schmähkritik. Wenn nur noch die Diffamierung einer Person im Vordergrund steht, fällt die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu seinen Gunsten aus. Alle anderen Kritiken muss sich ein Arzt grundsätzlich jedoch gefallen lassen.

LG München Urteil vom 15.01.2014 - Az. 25 O 16238/13

Das LG München (hier Volltext) hatte einen solchen Fall zu entscheiden - ein Arzt fühlte sich dadurch in seinen Rechten verletzt, dass ein Patient online seine Behandlung bewertete, ohne dass der Arzt dem Patienten überhaupt eine Diagnose gestellt hat. Der Arzt verlangte Löschung der Bewertung beim Portal. Der Arzt führte an, dass es sich bei der Bewertung um eine unwahre Tatsachenbehauptung handele, die auch nicht von der Meinungsfreiheit geschützt sei. Dieser Anspruch erwächst grundsätzlich aus den §§ 823 Abs. 11004 BGB.

Das Gericht sah dies nicht als gegeben an. Insbesondere folgte das Gericht nicht der Argumentation, dass für die Bewertung einer Behandlung zunächst eine vollständige Diagnose gestellt werden müsse. Es gehe nicht um das medizinische Verständnis des Begriffes "Behandlung", vielmehr darum, was der Durchschnittsnutzer darunter versteht. Dieser versteht unter Behandlung eher die Gesamtheit des Aufeinandertreffens mit dem Arzt, also grundsätzlich alles von Terminabsprache, Wartezimmeraufenthalt, Anamnese und Diagnose, und der Behandlung im medizinischen Sinne. Es gehe um die gesamte ärztliche Betreuung, wenn Durchschnittsnutzer von Behandlung sprechen.

Dazu das Gericht: "Maßgeblich für die Frage, ob eine Behandlung im Sinne der Richtlinien des Bewertungsportals stattgefunden hat, ist das Verständnis des durchschnittlichen Nutzers des Bewertungsportals. Dieser wird unter dem Begriff "Behandlung nicht nur die Therapie seiner Beschwerden nach vollständig durchgeführter Anamnese und Befunderhebung verstehen, sondern jedes persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient, das mit dem Ziel einer Diagnose oder Therapie über die Beschwerden oder die Erkrankung geführt wird, auch wenn dieses Ziel, wie vorliegend, wegen persönlicher Differenzen nicht erreicht wird."

Somit handelte es sich nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die grundsätzlich nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, sondern um ein allgemeines Werturteil. Dieses ist grundrechtlich geschützt und muss nur dann vor dem Persönlichkeitsrecht des Arztes zurückstehen, wenn die Grenze zur Schmähkritik überschritten wurde. Dies war hier durch eine einfache Benotung nicht der Fall: "Eine solche Schmähung ist den vom Patienten vergebenen Noten nicht zu entnehmen. Zum einen lässt sich der bloßen Notenbewertung schon nicht entnehmen, dass sie der Diffamierung des Klägers und nicht der Auseinandersetzung in der Sache dient, zum anderen wird unter Berücksichtigung des von der Beklagten gelöschten Textes deutlich, dass es dem Patienten nicht um eine Diffamierung des Klägers, sondern um eine Auseinandersetzung mit der aus seiner Sicht unzureichenden Behandlung ging."

Ein Anspruch des Arztes auf Löschung der Bewertung auf dem Onlineportal sah das Gericht somit als nicht gegeben an.

Fazit

Grundsätzlich umfasst die Meinungsfreiheit alle Werturteile - sie muss nur vor dem Persönlichkeitsrecht zurücktreten, wenn die Grenze zur Schmähkritik (reine Diffamierung) überschritten wird. Bei der Benotung von Ärzten auf einem Onlineportal nach verschiedenen Stichpunkten komme es nicht auf die medizinischen Fachbegriffe an, sondern darauf, was der Durchschnittsnutzer unter diesen Begriffen versteht.