Darf ein Link auf potenziell rechtswidrige Inhalte gesetzt werden? Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit, Landgericht Braunschweig

Internet, IT und Telekommunikation
17.10.2011277 Mal gelesen
Ob im Rahmen redaktioneller Berichterstattung eines Nachrichtenmagazins ein Link zulässig war oder nicht, beschäftigte das Landgericht Braunschweig. Die Frage, ob Links auf potenzeniell rechtswidrige Inhalte zulässig sind, ist häufiger Gegenstand von Auseinandersetzungen.

Gegenstand des Urteils des Landgericht Braunschweig vom 05.10.2011, Geschäftszeichen 9 O 1956/11 (278) war ein Online-Artikel eines Nachrichtenmagazins über Rechtsextremismus bei Burschenschaften. Im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung wurde ein Link auf eine Medienplattform gesetzt, die mehr als 3.000 interne Dokumente zu dem Thema veröffentlicht hatte - unter anderem E-Mails eines Burschenschaftlers, der in dem Setzen des Links eine Persönlichkeitsverletzung sah. Seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Nachrichtenmagazin wies das Landgericht Braunschweig jedoch zurück.

 Das Landgericht Braunschweig erklärte, dass zwar das Persönlichkeitsrecht des Antragsstellers verletzt worden sei. Allerdings würde bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen. Der Antragssteller sei in dem Artikel nicht namentlich genannt und es sei nicht auf seine E-Mails Bezug genommen worden: Das Nachrichtenmagazin hätte sich die Inhalte nicht zu eigen gemacht. Auch dann, wenn der verletzte Inhalt als rechtswidrig zu beurteil sei, würde daher bei der Interessenabwägung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den Mails und Vorgängen in Burschenschaften überwiegen.

Bezugnahme auf Entscheidung des Bundesgerichtshofs

 In dem Urteil verweist das Landgericht Braunschweig auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof zu Links. In der BGH-Entscheidung vom 14.10.2010, Az. I ZR I 191/08, heißt es: "Die Links in den Beiträgen des Beklagten erschöpfen sich demnach nicht in ihrer technischen Funktion, den Aufruf der verlinkten Seiten zu erleichtern. Sie sind vielmehr in die Beiträge und in die in ihnen enthaltenen Stellungnahmen als Belege und ergänzende Angaben eingebettet und werden schon aus diesem Grund nicht nur vom Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit, sondern auch von der Meinungsfreiheit erfasst (...)

Grundsätzlich darf daher auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigt worden sind, trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung des Ersteingriffs berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse besteht und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu eigen macht (...). Ein solches überwiegendes Informationsinteresse kann auch gegeben sein, wenn die Berichterstattung eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung zum Gegenstand hat (...) also gegebenenfalls selbst dann, wenn dem Verbreiter die Rechtswidrigkeit des Vorgangs bekannt ist, über den er berichtet."

Setzen von Hyperlinks und freie Berichterstattung

Anknüpfend an die vorgenannte Entscheidung führt das Landgericht Braunschweig aus: "In seinem Urteil vom 14.10.2010 (I ZR 191/08 - Any-DVD, GRUR 2011, 513, 515) hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klar gestellt, dass das Setzen von Hyperlinks grundsätzlich zu dem durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 GG geschützten Bereich der freien Berichterstattung gehört. Die Verlinkung dient dazu, dem Leser weitere Informationen und Belege zu verschaffen. So ergibt sich aus dem in dem streitgegenständlichen Artikel gesetzten Hyperlink ein Beleg dafür, dass die erwähnten Dokumente überhaupt existieren. Darüber hinaus wird der Inhalt der Papiere als zusätzliche Informationsquelle zugänglich gemacht. Aus diesem Grunde werden Hyperlinks von dem Gewährleistungsgehalt de Pressefreiheit sowie der Meinungsfreiheit erfasst und gerade nicht auf ihre technische Funktion reduziert."

Nach den Entscheidungen sind Links auf potenziell rechtswidrige Inhalte also zulässig, wenn

  • ein Beitrag der Presse- und Meinungsfreiheit unterfällt und
  • der Link Angaben aus dem Beitrag ergänzt / belegt
  • sich der Verbreiter die berichtete Äußerung nicht zu eigen macht
  • das Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber dem
    Persönlichkeitsrecht des von der Linksetzung Betroffenen überwiegt.

Sind Links in redaktionellen Artikeln, die auf potenziell rechtswidrige Inhalte verweisen, nun also zulässig? Es kommt darauf an, wie Juristen so oft sagen - und ist eine Frage des Einzelfalls.

Rechtsanwältin Amrei Viola Wienen
Anwaltskanzlei Wienen, Kanzlei für Medien & Wirtschaft
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