LG Flensburg: Anschlussinhaber haftet nicht für Filesharing durch WG Mitbewohner

Geistiges Eigentum und Urheberrecht
10.03.2016256 Mal gelesen
Das Landgericht Flensburg hat in einem Filesharing Berufungsverfahren erlassenen Beschluss vom 23.02.2016 angeführt, dass ein Anschlussinhaber nicht per se für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing seiner WG Mitbewohner haftet.

Sachverhalt: Vorwurf des Angebots des Films "The Iceman" in Tauschbörse

Der Anschlussinhaber erhielt eine Filesharing Abmahnung der Kanzlei Sasse und Partner, in der mitgeteilt wurde, dass man festgestellt habe, dass über seinen Internetanschluss der Film "The Iceman" in einer Tauschbörse zum Download angeboten worden sei. Neben der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde er zur Erstattung von Abmahnkosten und zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 500 EUR aufgefordert.

Der Anschlussinhaber verweigerte jegliche Zahlungen. Zur Begründung gab er an, dass zum Tatzeitpunkt sein Anschluss auch von seinem ehemaligen Mitbewohner genutzt wurde und dieser daher ebenfalls als Täter in Frage komme.

Landgericht Flensburg: Keine Haftung des Anschlussinhabers für WG Mitbewohner

Täterschaftsvermutung bei Zugang Dritter widerlegt

Das Gericht verneinte zunächst eine Täterhaftung des Anschlussinhabers. Durch den Vortrag, sein ehemaliger WG Mitbewohner habe zum Tatzeitpunkt Zugang zum Internetanschluss gehabt, sei der Anschlussinhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nachgekommen. Da er Name und aktuelle Adresse seines WG Mitbewohners angegeben habe, habe er die gegen ihn bestehende Täterschaftsvermutung ausrechend widerlegt. Nunmehr obliege es dem abmahnenden Rechteinhaber zu beweisen, dass der Anschlussinhaber Täter ist. Gelinge ihm dies nicht, hafte der Anschlussinhaber nicht als Täter und sei somit auch nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

Anschlussinhaber haftet nicht als Störer für Filesharing durch WG Mitbewohner

Auch eine Haftung als Störer und somit eine Verpflichtung zur Zahlung von Abmahnkosten verneinte das Gericht. Weder besteht eine anlasslose Belehrungs- noch Überwachungspflicht.

"Der Beklagte hatte gegenüber seinem früheren Mitbewohner keine gesetzliche Aufsichtspflicht. Eine Belehrung oder Überwachung von volljährigen Personen ist grundsätzlich entbehrlich, weil sie - anders als bei minderjährigen Kindern, bei denen eine Belehrung wegen des vermuteten Fehlens eigener Urteilskraft notwendig ist - aufgrund eigener Einsicht und Verantwortlichkeit handeln (...).

Dem Beklagten oblag es nicht, die lnternetnutzung seines Bewohners aus anderen Gründen zu überwachen oder Vorkehrungen gegen einen Mißbrauch zutreffen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Beklagte damit rechnen musste, dass sein Bewohner den Internetanschluss nutzen wird, um urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen. Mit der Überlassung des lnternetanschlusses hat der Beklagte keine Gefahrenlage geschaffen. Wie ein Telefonanschluss ist ein Internetanschluss eine Versorgungseinrichtung, die im privaten Bereich in gleicher Weise wie ein Telefonanschluss Gästen bei Bedarf zur Verfügung gestellt wird (...). Eine Gefahr kann erst haftungsbegründend werden, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (...). Ein Anschlussinhaber haftet grundsätzlich nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen Dritter, denen er den Zutritt in seinen Wohnbereich und damit verbunden die Nutzung seines lnternetanschlusses gestattet hat, wenn er keine konkreten Anhaltspunkte für einen Missbrauch hatte (...).

Es bestand auch keine Belehrungspflicht des Beklagten gegenüber seinem damaligen erwachsenen Mitbewohner. Bei seiner "BearShare"- Entscheidung hat der BGH zur Beurteilung, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Verhinderung einer Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten sei, auch berücksichtigt, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruhte. Im Unterschied zum Sachverhalt, der jener Entscheidung zugrunde lag, bestand zwischen dem Beklagten und seinem Mitbewohner keine solche Verbundenheit. Indessen kann nicht angenommen werden, bei Fehlen einer familiären Bindung oder eines Vertrauensverhältnisses sei eine Belehrung und Überwachung von erwachsenen Personen grundsätzlich geboten, damit der Anschlussinhaber seinen Verkehrspflichten genüge. Wer anderen Zutritt in seinen privaten Wohnbereich gestattet, in dem er einen Internetanschluss unterhält, darf bei volljährigen Personen im Allgemeinen davon ausgehen, dass sein Vertrauen nicht missbraucht wird (...). Dieses Vertrauen ist grundsätzlich gerechtfertigt, soweit es nicht durch besondere Verdachtsmomente widerlegt wird (...). Solange kann der Anschlussinhaber davon ausgehen, dass jeder Erwachsene weiß, dass es verboten ist, das Internet für Urheberrechtsverletzungen zu nutzen, und dass sich sein Gast dementsprechend verhält. Es wäre dem Anschlussinhaber unzumutbar, anders als etwa bei der Nutzung des Telefonanschlusses, beim Internetanschluss ein besonderes Misstrauen zu entwickeln und offen zu legen (...).

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Belehrungspflicht nicht auf das Unterlassen von rechtswidrigem Filesharing zu beschränken wäre, sondern anlasslos auch für andere rechtswidrige Nutzungen und Verhaltensweisen zu gelten hätte. Das würde zu einer unzumutbaren Ausweitung von Belehrungs- und Überwachungspflichten führen. Es wäre nicht nur darüber zu belehren, dass bei einer Nutzung von Verkaufsplattformen, sozialen Medien oder anderen Diensten keine urheberrechtlich geschützten Werke öffentlich genutzt werden dürften, sondern zur ordnungsgemäßen Belehrung wären weitere naheliegende rechtwidrige Handlungen bei der Internetnutzung, wie Straftaten gegen die Ehre bei der Benutzung von Internetmedien (Twitter, WhatsApp Web) oder Beteiligung an Straftaten, in Betracht zu ziehen. Einer kaum eingrenzbaren Belehrungspflicht wäre nur zu begegnen, wenn dem Nutzer bei der vorübergehenden Überlassung des Internetzugangs an Dritte die Obliegenheit träfe, jeweils über die beabsichtigte Nutzung eine Auskunft zu begehren. Das dürfte ebenfalls nicht verhältnismäßig sein.

Die Überlassung eines Internetanschlusses an einen Dritten zur selbstständigen Nutzung ist mit dem Betrieb eines unzureichend gesicherten WLAN-Netzes nicht vergleichbar. Denn der Anschlussinhaber geht mit dem Betrieb eines ungesicherten WLAN-Anschlusses das Risiko ein, dass sich eine ihm unbekannte und unbestimmte Zahl von Personen einen nicht kontrollierbaren Zugang zu seinem Internetanschluss verschafft. Im Unterschied zur Gestattung des lnternetzugangs für Dritte in den Räumen des Anschlussinhabers an ihn namentlich bekannte Personen besteht für den Anschlussinhaber eines ungesicherten WLAN-Anschlusses keine Möglichkeit, diesen Zugang zum Internet und dessen Nutzung zu überwachen oder die Nutzer nach Rechtsverletzungen namhaft zu machen."

LG Flensburg, Hinweisbeschluss vom 23.02.2016, 8 S 48/15

Fazit

Ein überaus erfreuliches Urteil für ANschlussinhaber, die den Internetanschluss - wie üblich - auch Mitbewohnern zur Nutzung zur Verfügung stellen. Nach Ansicht des Landgerichts Flensburg müssen WG Bewohner sich nicht gegenseitig kontrollieren und überwachen.

Die Frage der Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing durch WG Mitbewohner ist vom BGH jedoch noch nicht entschieden worden. Bisher hat der BGH "nur" eine anlasslose Haftung des Anschlussinhabers für Lebenspartner und erwachsene Kinder verneint. In diesen Konstellationen besteht jedoch eine familiäre Verbundenheit. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BGH in der WG-Konstellation positionieren wird. Bis zu einer Entscheidung des BGH bestehen für Anschlussinhaber in WGs daher noch Unsicherheiten, teilen leider nicht alle Instanzgerichte die Ansicht des Landgericht Flensburg.