Streaming-Abmahnwelle bei Redtube war erst der Anfang

Geistiges Eigentum und Urheberrecht
13.12.20132175 Mal gelesen
Ein Detail habe ich in meiner gestrigen Berichterstattung gar nicht erwähnt. Ich habe Herrn Urmann auch auf die Strafanzeige angesprochen, die jetzt von einem Kollegen gegen ihn erstattet worden ist. Er nahm das gelassen hin.

Pro Jahr, so seine Aussage, werden hunderte Strafanzeigen aufgrund der großen Tauschbörsen Abmahnungen gegen ihn erstattet. Bislang scheint das im Sande zu verlaufen. UPDATE ENDE

Vor wenigen Stunden hatte ich (RA Christian Solmecke) die Möglichkeit mit einem der derzeit wohl gefragtesten Menschen Deutschlands zu telefonieren: Thomas Urmann. Der Kollege ist Gesellschafter der Kanzlei U C, die seit Ende letzter Woche schätzungsweise mehrere 10.000 deutsche Internetnutzer abgemahnt hat. Das Wichtigste vorab: bislang sind nur Kunden der Deutschen Telekom betroffen. Es wurden jedoch auch Auskunftsbeschlüsse für andere Internetprovider erwirkt, die Kanzlei ist aufgrund der Vielzahl allerdings noch nicht dazu gekommen, weitere Abmahnungen zu verschicken. Ebenfalls deutete der Kollege Urmann an, dass Redtube nicht die einzige Plattform ist, die überwacht werden kann. Seiner Ansicht nach wird es noch tausende weitere Abmahnungen in den nächsten Jahren geben. Doch der Reihe nach:

Den Anlass für diese gigantische Abmahnwelle hat eigentlich Rechtsanwalt Daniel Sebastian gesetzt. Er war derjenige, der 62 zweifelhafte Auskunftsbeschlüsse vor dem Landgericht Köln erwirkt hat. Von mir darauf angesprochen, wieso der Kollege Sebastian von Downloadportalen gesprochen hat, obwohl Redube in Wirklichkeit ein Streamingportal ist, erwiderte der Kollege Urmann:"Hier ging es doch um Progessive Downloading. Fragen Sie mich nicht zu den technischen Details, aber auf Wikipedia ist nachzulesen, dass nach dem Anschauen eines solchen Streams nachher die gesamte Datei im temporären Ordner auf der Festplatte liegt." Ich selbst habe diesen Sachverhalt nicht überprüft, tatsächlich gibt es Meinungen, dass die Privilegierung nach § 44a UrhG dann nicht mehr greifen soll. Da ich selbst die Auffassung vertrete, dass hier § 53 UrhG einschlägig ist, dürfte dieses Argument hinfällig sein. Jedenfalls reichte es wohl, um in den Schreiben an das Landgericht Köln von Download Plattform zu sprechen.

Äußerst spannend ist auch folgender Sachverhalt: offenbar wurden die 62 Beschlüsse nicht einfach durchgewunken. In einigen Verfahren hätten die Richter noch Gutachten angefordert und sich den Sachverhalt näher erklären lassen. Erst danach habe man die Auskunft gestattet. Sollte diese Aussage des Kollegen Urmann wirklich wahr sein, dann spricht das dafür, dass einige Kölner Richter nach kursorischer Prüfung das hier vorliegende Streaming tatsächlich als illegal angesehen haben. Letztlich hängt es immer davon ab, von welchen Tatsachen diese Richter ausgegangen sind. Natürlich habe ich Herrn Urmann auch gefragt, wie denn die IP-Adressen der Benutzer ermittelt worden sei. In diesem Punkt berief sich der Kollege auf seine anwaltliche Schweigepflicht. Da jedoch einige Richter die vollständigen Gutachten zur Ermittlungssoftware angefordert hätten, sei manchen Akten die Funktionsweise offenbar glasklar zu entnehmen. Insofern wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch dieser viel diskutierte Punkt ans Licht kommen wird.

Interessant ist übrigens auch, dass es überhaupt nicht die Idee des Kollegen Urmann war, hier im großen Stil Massenabmahnungen zu verschicken. Vielmehr sei Rechtsanwalt Daniel Sebastian zusammen mit den von ihm erwirkten Auskunftsbeschlüssen und den dahinter stehenden tausenden IT Adressen auf die Kanzlei Urmann und Kollegen vor zwei Wochen zugekommen und habe um Unterstützung gebeten. Dies wohl auch deshalb, da er wusste, dass die Kanzlei Urmann schon in der Vergangenheit häufig Massenabmahnung im pornographischen Bereich verschickt hatte.

Ich sprach Rechtsanwalt Urmann dann noch darauf an, ob das die größte Abmahnwelle gewesen sei, die er je losgetreten habe. Er erwiderte: "Das kann ich nicht sagen. Letztlich war es nur so wie in alten Filesharing Zeiten. Sicherlich haben wir jetzt sehr viele Abmahnungen verschickt, wir wollten damit unbedingt noch vor Weihnachten raus." Dahinter liegt ein logisches Kalkül der Kanzlei, nach Weihnachten haben die Menschen kein Geld mehr und können auch die geforderten 250 € nicht zahlen. Amüsant war die kleine Randbemerkung, dass es hier am längsten gedauert habe, die tausende Briefumschläge mit spezieller Falz für die entsprechenden Druckstraßen zum Versenden der Post zu besorgen.

Völliges Chaos habe dann allerdings die gestern losgetretene Virenwelle ausgelöst. Teilweise seien die E-Mail Server der Kanzlei zusammengebrochen. Auch telefonisch ging nichts mehr. Noch konnte der Kollege Urmann auch nichts dazu sagen, ob die Zahlquote der Abgemahnten hier vergleichbar zu den Filesharing Abmahnungen ist. Dafür sind die Schreiben offenbar noch zu frisch.

Offenbar führt die Kanzlei derzeit täglich 500 Gespräche mit Abgemahnten, die jedoch am Telefon eher freundlich als aggressiv reagieren würden. Den meisten ging es darum, die Sache jetzt schnell und unbürokratisch aus der Welt zu bekommen. "Natürlich sind da auch Hausfrauen dabei, die jetzt ihren Männern die Hölle heiß machen. Letztlich sind die Gespräche jedoch alle sehr sachlich und nüchtern."

Im Gespräch mit mir räumte Rechtsanwalt Urmann mit einem Gerücht auf, dass sich gerade im Netz rasend schnell verbreitet. Laut diesem Gerücht sei der Abmahner "The Archive AG" nichts anderes als ein Nachfolger der insolventen DigiPortect GmbH. Ebenfalls wurde spekuliert, dass Moses Pelham hinter dem Unternehmen stecke." Alles völliger Quatsch. Die beiden Unternehmen haben nichts miteinander zu tun. Ebenfalls ist nicht wahr, dass die Bank an die hier die Gelder gezahlt werden sollen, in der Schweiz sitzt. Lediglich die BIC Nummer beginnt mit den Buchstaben CH. So kam es offenbar bei einigen Menschen zum Missverständnis", erklärt Rechtsanwalt Urmann.

Für die Zukunft hatte sich die Kanzlei eigentlich schon für ein anderes Geschäftsmodell gerüstet. Die vorhandenen IT Kapazitäten sollen Insolvenzverwaltern für große Aussendungen zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere auch deswegen, da die Abmahnungen im Filesharing in den letzten Jahren drastisch herunter gegangen sein. Jetzt kam allerdings alles anders. Für Rechtsanwalt Thomas Urmann waren diese Abmahnungen erst der Anfang. Er geht davon aus, dass in den nächsten Jahren noch viele Streaming Abmahnungen folgen werden. Warten wir's ab. Wir werden auf jeden Fall wieder darüber berichten und sind natürlich brennend auf die ersten Urteile zu diesem Themenkomplex gespannt.