Entscheidung des EGMR - Der rechtliche Vater hat Vorrang vor dem biologischen Erzeuger

anwalt24 Fachartikel
23.03.2012723 Mal gelesen
Gemäß EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) hat der rechtliche Vater Vorrang vor der biologischen Vaterschaft.

Behandelt wurden die Problematik sog. "Kuckuckskinder", die ein Dritter dem Ehepaar bzw. Ehemann  "ins Nest legt". Nebenfolgen von Affären mit verheirateten Frauen. 

Das deutsche Abstammungsrecht ist grundsätzlich europarechtskonform, urteilten die Straßburger Richter und wiesen die Klagen zweier biologischer Väter auf Anerkennung ihrer Vaterschaft ab. Auch das BVerfG geht davon aus, daß das Elternrecht des rechtlichen Vaters an der Beibehaltung seiner Vaterschaft vorgeht.

Nachdem die Vaterschaft nicht angefochten wurde, ist rechtlich der jeweilige Ehemann der Frau der Vater des Kindes (§ 1592, Nr. 1, BGB). Die wirklichen Erzeuger können ihre Vaterschaft zwar anerkennen. Die Anerkennung ist jedoch nach deutschem Recht nicht wirksam, solange die Vaterschaft des Ehemannes besteht (§ 1594, II BGB). 

Um klare Verhältnisse zu schaffen, ordnet das deutsche Recht ein Kind, das während einer Ehe zur Welt kommt, rechtlich dem Ehemann zu. Um diese gesetzliche Vaterschaftszuordnung den biologischen Realitäten angleichen zu können, sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, die Vaterschaft anzufechten. Die Feststellungsklage hat zum Ergebnis, daß der Mann, für den eine Vaterschaft kraft Ehe besteht, nicht der Vater des Kindes ist. Anfechtungsberechtigt sind der Mann, dem ein Kind untergeschoben wird, die Mutter und das Kind selbst. Seit einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 1 BvR 1493/96, 1724/01) steht auch dem potenziellen leiblichen Vater ein Anfechtungsrecht zu, sofern er an Eides Statt versichert, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. 

Sinn und Zweck der deutschen Rechtslage ist die bestehende Familiengemeinschaft. Auch wenn der Ehemann der Mutter nicht der biologische Vater des Kindes ist, soll der Liebhaber der Mutter das familiäre Zusammenleben nicht stören können. Vorrang hat die gelebte soziale, Sicherheit gebende Familie. Dies entspricht Art. 6 GG - Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. 

Für die entscheidende sozial-familiäre Beziehung reicht es aus, daß der Vater für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat, also regelmäßig, daß er mit der Mutter verheiratet ist und nicht von dieser getrennt lebt. Die Gerichte haben die Anfechtung noch dadurch erschwert, daß der Liebhaber der Mutter konkrete Anhaltspunkte dafür vortragen muss, daß eine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater nicht besteht. Dies ist mit Schwierigkeiten verbunden, da eine Schwangerschaft zumeist ungwünschter Nebeneffekt einer Affäre ist. 

Die Straßburger Richter haben vorliegend zwar abweichend vom deutschen Recht aus Art. 8 EMRK, der das Familien- und das Privatleben schützt, ein Umgangs- und Auskunftsrecht des leiblichen Vaters hinsichtlich seines Kindes entnommen. Für ein Recht auf Anerkennung der Familie aber reicht allein die biologische Vaterschaft nach ständiger Rechtsprechung des EGMR nicht aus. 

Der EGMR hat der Rechtsprechung des BVerfG folgend die allein biologische Herkunft nicht unter das europäische Grundrecht auf Achtung des Familienlebens gestellt. 

Allerdings bleibt auch nach deutschem Recht offen, wann eine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater besteht. Dies ist einzelfallbezogen zu werten, je nachdem, ob Verantwortung für das Kind übernommen, oder ggf.  eine Trennung von der Mutter stattgefunden hat. 

Im Sinne des sozialen und familiären Friedens ist diese Entscheidung zu begrüßen, da der zwar biologische, aber nicht sozial anerkannte Vater ein Eindringling ist, der den familiären Zusammenhang stört und auch auf die Entwicklung des Kindes negativen Einfluß haben kann. 

Um das Kindeswohl geht es stets vorrangig. Diese Rechtsprechung ist insoweit zu begrüßen, als das die Belange des biologischen Vaters hinter Ehe, Familie und sozialer Einbettung und Entwicklung des Kindes zurückzutreten haben. 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg 

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im DAV. 

E-Mail:kanzlei@anwalthesterberg.de