Feststellungsklage
1 Im Zivilrecht
Die in § 256 ZPO geregelte zivilprozessuale Feststellungsklage ist eine Klage auf
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
"Rechtsverhältnis ist jede rechtlich geregelte Beziehung zwischen Personen. Auch einzelne Folgen von Rechtsbeziehungen, z.B. einzelne Ansprüche können als selbstständige Rechtsverhältnisse im Sinne jener Bestimmung anzusehen sein" (BGH 30.11.1989 - III ZR 215/88).
"Ein "Rechtsverhältnis" im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO setzt nicht voraus, dass der Bestand einer vertraglichen oder anderen rechtlichen Beziehung zwischen den Parteien insgesamt im Streit ist. Vielmehr können auch einzelne Beziehungen und Folgen aus einem Rechtsverhältnis Gegenstand der Feststellungsklage sein, etwa einzelne Ansprüche bzw. Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht (BAG 25.01.2022 - 3 AZR 406/21; BAG 21.09.2021 - 3 AZR 147/21). Im Streitfall geht es dem Kläger um die Klärung eines einzelnen Anspruchs im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses" (LAG Hamm 16.03.2023 - 18 Sa 832/22).
auf Anerkennung einer Urkunde oder
auf Feststellung ihrer Unechtheit.
Es wird insofern unterschieden zwischen der positiven und der negativen Feststellungsklage. Daneben wird unterschieden zwischen der selbstständigen und unselbstständigen Feststellungsklage:
- a)
Die selbstständige Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO):
Der Kläger kann ein rechtliches Interesse an der Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder der Echtheit einer Urkunde geltend machen.
Rechtliches Interesse:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (...) Eine solche Gefahr besteht in der Regel schon dann, wenn der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet" (BGH 22.01.2019 - II ZR 59/18).
Negative Feststellungsklage:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung zu bejahen, wenn einem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Ungewissheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Eine solche Gefahr ist im Falle einer negativen Feststellungsklage jedenfalls dann zu bejahen, wenn sich der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt" (BGH 22.07.2021 - VII ZR 113/21).
Eine Sonderform ist die sogenannte Elementenfeststellungsklage:
"Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Ein Feststellungsinteresse ist dafür nur gegeben, wenn der Streit durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente des Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden" (BAG 21.05.2019 - 9 AZR 260/18).
Elementenfeststellungsklage für die Vergangenheit:
"Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Kläger die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses begehrt. Eine solche Klage ist nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben" (BAG 03.12.2019 - 9 AZR 54/19).
- b)
Die unselbstständige Feststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO):
Im Rahmen eines bestehenden Rechtsstreits ist ein Rechtsverhältnis streitig geworden, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt.
Zulässigkeit der Klage:
"Allerdings ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil als echte Prozessvoraussetzung anzusehen (BAG 12.02.2003 - 10 AZR 299/02). Es liefe dem Grundsatz der Prozessökonomie zuwider, eine Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen und dadurch gegebenenfalls einen weiteren Rechtsstreit zwischen den Parteien hervorzurufen, wenn die Klage in der Sache keinen Erfolg hat" (LAG Hamm 16.03.2023 - 18 Sa 832/22).
Tendenzbetrieb:
Die Feststellungsklage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Tendenzeigenschaft eines Unternehmens (Tendenzbetrieb) ist unzulässig (BAG 14.12.2010 - 1 ABR 93/09).
2 Im Verwaltungsrecht
Die Feststellungsklage ist die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder auf Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes.
Beispiel:
Besonders dort, wo Statusrechte streitig sind (z.B. Staatsangehörigkeit, Beamten-, Soldatenverhältnis) besteht ein wesentlicher Anwendungsbereich der Feststellungsklage.
2.1 Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen
Subsidiarität der Feststellungsklage (gilt nicht für die Nichtigkeitsfeststellungsklage): Danach ist Voraussetzung, dass die klagende Person ihre Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann bzw. hätte verfolgen können (diese Voraussetzung soll insbesondere verhindern, dass die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (Vorverfahren und Klagefrist) umgangen werden).
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines hinreichend konkreten Rechtsverhältnisses:
Nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähig ist ein Rechtsverhältnis, das sich auf einen konkreten, gerade den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt bezieht. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (BVerwG 23.08.2007 - 7 C 2/07). Die Beteiligten müssen über die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, überschaubaren, gerade auch den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt streiten und dürfen den Verwaltungsgerichten nicht lediglich abstrakte Rechtsfragen, die sich auf der Grundlage eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts stellen, zur Klärung vorlegen (vgl. zu dieser ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil vom 8. Juni 1962 - 7 C 78/61 die Nachweise in: BVerwG 28.05.2014 - 6 A 1/13 und BVerwG 14.12.2016 - BVerwG 6 A 9/14).
Feststellungsinteresse:
Der Kläger muss ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung haben. Dabei kommen nicht bloß rechtliche Interessen, sondern jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher und ideeller Art als berechtigtes Interesse in Betracht.
Qualifiziertes Feststellungsinteresse bei nachträglicher und bei vorbeugender Feststellung:
Gehört das zu klärende Rechtsverhältnis der Vergangenheit an, ist Voraussetzung, dass entweder noch Wirkungen in die Gegenwart bestehen (Wiederholungsgefahr) oder eine nachträgliche Klarstellung im besonderen Interesse des Klägers liegt (z.B. Rehabilitätionsbedürfnis, Präjudizität).
Für die Klärung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses (Feststellungsklage - vorbeugende) ist das Feststellungsinteresse nur gegeben, wenn ein Abwarten für den Kläger unzumutbar ist.
Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO:
Auch bei der Feststellungsklage ist somit nur eine Klageerhebung wegen eigener Rechtsbetroffenheit möglich.
Ist nicht sicher, sondern lediglich möglich, dass auch der Kläger betroffen war, fehlt es an der notwendigen Konkretisierung des Rechtsverhältnisses. Gegenstand der Feststellungsklage kann nur ein konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein (BVerwG 28.05.2014 - 6 A 1/13).
Besonderes Rechtsschutzbedürfnis bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage: Der Kläger muss gemäß § 44 Abs. 5 VwVfG einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsakts bei der Behörde gestellt haben und dieser Antrag muss erfolglos geblieben sein.
Soweit keine besonderen Regelungen bestehen (z.B. § 54 BeamtStG), ist die Durchführung eines Vorverfahrens oder die Wahrung einer bestimmten Klagefrist keine Voraussetzung für die Erhebung der Feststellungsklage.
Hinweis 1:
Ist ein Vorverfahren durchzuführen, ist § 74 VwGO zu beachten.
Hinweis 2:
Neben diesen besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen müssen noch die allgemeinen (nicht klageartabhängigen) Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen (Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz).
2.2 Begründetheit
Die Feststellungsklage ist begründet, wenn das Rechtsverhältnis besteht oder (bei der negativen Feststellungsklage) nicht besteht oder (bei der Nichtigkeitsklage) der Verwaltungsakt tatsächlich nichtig ist. Dies richtet sich nach materiellem Recht. Zu ausführlichen Erläuterungen zur Begründetheitsprüfung siehe den Beitrag "Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz".