Ehegattentestament: Achtung vor einer zu weitgehenden Bindung

Erbrecht Eigentum
08.10.2019185 Mal gelesen
Ehegattentestament: Achtung vor einer zu weitgehenden Bindung

Enthält ein von Ehegatten errichtetes gemeinschaftliches Testament sogenannte wechselbezügliche Verfügungen, sind diese nach dem Tode des Erstversterbenden für den Längerlebenden bindend und können dann von diesem folglich nicht mehr abgeändert werden (vgl. § 2271 Abs. 2 BGB). Nur zu Lebzeiten beider Ehegatten kann eine wechselbezügliche Verfügung widerrufen werden. Wechselbezüglich sind solche Verfügungen, die gegenseitig voneinander abhängig sind, - von denen also anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die entsprechende Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre (§ 2270 Abs. 1 BGB).

 

Zweckmäßigerweise sollten Ehegatten in einem von ihnen errichteten gemeinschaftlichen Testament festlegen, welche der darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen wechselbezüglich bzw. nicht wechselbezüglich ist. Geschieht dies nicht, gilt die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB. Danach wird Wechselbezüglichkeit im Zweifel angenommen,

 

  • wenn die Ehegatten sich gegenseitig bedenken
  • oder wenn ein Ehegatte den anderen bedenkt und für den Fall von dessen Überleben eine Person bedacht wird, die mit dem Erstversterbenden verwandt ist oder diesem sonst nahe steht.

 

Ein häufiges Beispiel hierfür ist, dass Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und zu Erben des Letztversterbenden von ihnen das/die gemeinsame(en) Kind(er) (zu gleichen Teilen) bestimmen (= sog. Berliner Testament). Ist dann der erste Ehegatte verstorben, kann der Längerlebende die Erbeinsetzung der Kinder nicht mehr einseitig abändern.

 

Häufig findet sich in gemeinschaftlichen Testamenten der standardmäßig (und daher regelmäßig unreflektiert) übernommene Satz: "Sämtliche in diesem Testament getroffenen Verfügungen sind wechselbezüglich". Eine solche Regelung ist nicht ganz ungefährlich und will daher sorgsam bedacht sein.

 

Zwar hat eine solche Anordnung zunächst einmal den Vorteil, dass es keiner - im Einzelfall möglicherweise nicht immer ganz einfachen - Auslegung mehr bedarf, ob eine letztwillige Verfügung wechselbezüglich und damit nach dem Tode des Erstversterbenden für den Längerlebenden bindend ist. Eine derartige Anordnung mag zudem in vielen Fällen passen, - etwa wenn das testierende Ehepaar schon älter ist und genau weiß, wie sich die gemeinsamen Kinder entwickelt haben. Vor allem schützt eine solche ausdrückliche Regelung den Erstversterbenden: Dieser kann sicher sein, dass der längerlebende Ehepartner nicht nach seinem Tode eine dritte Person - z.B. einen neuen Ehepartner aus Wiederverheiratung oder eine Kraft, die den Letztversterbenden vor seinem Tode gepflegt hat, - als Erben einsetzt. So ist gewährleistet, dass das Vermögen des Erstversterbenden, das ja beim Berliner Testament zunächst auf den Längerlebenden übergeht, letztlich bei den Personen landet, die der Erstversterbende wünscht.

 

Andererseits will die Anordnung einer solch weitgehenden Bindung im Einzelfall gut überlegt sein. Insbesondere bei Ehegatten, die noch relativ jung sind, ist fraglich, ob eine so weitgehende Bindungswirkung nicht für den Letztversterbenden unzumutbar ist.

 

Theoretisch könnte man in einem gemeinschaftlichen Testament sogar bestimmen, dass der Längerlebende die für den Fall seines Versterbens getätigten Verfügungen auch nach dem Tode des Erstversterbenden einseitig ändern kann (so beispielsweise der Formulierungsvorschlag im Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl., Teil 4, Kap. 1, E, I 2b, Rn. 365). Dies erscheint im Regelfall jedoch zu weitgehend und bietet für den Erstversterbenden keinerlei Sicherheit, dass sein Vermögen letztlich auch dorthin gelangt, wo er es nach dem Tode seines Ehepartners gerne wissen möchte.

 

Denkbar und regelmäßig auch empfehlenswert sind "mildere" Lösungen. Hierzu seien zwei Beispiele angeführt: Zum einen eine Klausel, wonach die Schlusserbeneinsetzung der Kinder zwar grundsätzlich wechselbezüglich und damit nach dem Tode des Erstversterbenden bindend ist, der Längerlebende jedoch berechtigt sein soll, die Erbquoten der einzelnen Kinder zu verändern. Zum anderen eine Regelung, derzufolge der Längerlebende frei sein soll, über solche Vermögensgegenstände anderweitig zu verfügen, welche er erst nach dem Tode des Erstversterbenden erworben hat. Selbiges setzt jedoch voraus, dass dem Letztversterbenden aufgegeben wird, seine entsprechenden Erwerbe zu dokumentieren.

 

Richtig ist, dass Eheleute, die ein gemeinsames Testament errichten wollen, sich über die Problematik einer möglicherweise ungewollt weitgehenden Bindungswirkung des Testamentes nach dem Tode des Erstversterbenden im Klaren sein sollten und mit ihrem jeweiligen Berater eine konkret für sie interessengerechte Lösung erarbeiten, die dann auch in ihr gemeinschaftliches Testament aufgenommen wird.