Geschwindigkeitsmessung und Fahrverbot - Knapp darüber ist auch zuviel

Autounfall Verkehrsunfall
27.01.20102264 Mal gelesen
Allein die Tatsache, dass man bei einer Geschwindigkeitsmessung nur ganz knapp über dem Grenzwert für ein Fahrverbot gelegen hat, hilft einem vor Gericht nicht aus der Patsche. Das hat gerade erst wieder das Oberlandesgericht Hamm betont (Beschluss vom 12.06.2009, 3 Ss OWi 68/09).
Der Verordnungsgeber habe bestimmte Grenzen festgelegt, ab denen die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit offenbare, dass ein Fahrverbot verhängt werden muss; als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für den Temposünder. An diesen Grenzen gebe es schon aus Gründen der Gleichbehandlung nichts zu rütteln, auch wenn der abzuurteilenden Verstoß am untersten Rand dieser Grenze zum Fahrverbot gelegen habe.
 
Von der Anordnung des Fahrverbotes könne im Einzelfall nur dann abgesehen werden, wenn erhebliche Härten oder außergewöhnliche Umstände vorliegen, die einen Ausnahmefall begründen. Dies müsse der Richter aber in jedem Fall prüfen, den die Verhängung des Regelfahrverbotes dürfe nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen.
 
Nicht ausreichend für ein ausnahmsweises Absehen vom Fahrverbot sei es daher, wenn sich der Betroffene darauf beruft, bislang noch nicht straßenverkehrsrechtliche vorbelastet zu sein. Auch könne die Argumentation, dass aufgrund der besonders gut ausgebauten Strecke für den Fahrer keine Veranlassung bestand, sich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten, nicht  dazu taugen, ein Fahrverbot zu verhindern. Der Grund: Es komme nicht darauf an, ob der einzelne Autofahrer die Geschwindigkeitsbeschränkung nachvollziehen kann.
 
Führt der Betroffene berufliche Nachteile an, seien diese nur dann geeignet, das Fahrverbot entfallen zu lassen, wenn es sich um eine unzumutbare Härte handele wie dem sicheren Verlust des Arbeitsplatzes. Bloße wirtschaftliche oder berufliche Schwierigkeiten sollen nicht ausreichen, denn sie seien bei vielen Berufen die normale Folge eines Fahrverbotes. Es genüge auch nicht, wenn der Betroffene bloß die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust äußere. Der drohende Jobverlust müsse schon nachgewiesen werden. Dabei dürfe auch keine Möglichkeit bestehen, das Fahrverbot während der Urlaubszeit abzusitzen und auch nicht die tatsächliche wie finanzielle Möglichkeit bestehen, auf Taxi oder Bus- und Bahn umzusteigen.
 
Die Chance Messfehler
Gerade wenn man nur knapp oberhalb der Grenze zum Fahrverbot liegt, kann es sich aber auch besonders lohnen, die Messung genau zu überprüfen und das Gericht qualifiziert auf mögliche Fehler und Ungenauigkeiten der Messmethode hinzuweisen. So ist z.B. bei einer Brückenradaranlage auf der A1 bei Bremen bekannt, dass es sich um ein Radarmessgerät handelt, das schräg von oben in ein genau vordefiniertes Messfeld hineinmisst. Weil die sog. Radarkeule auf die Mitte dieses Feldes ausgerichtet ist, kommt es sehr häufig vor, dass die Anlage nicht ? wie in der geräteinternen Berechnungsformel vorgesehen ? erst auslöst, wenn sich das zu messende Fahrzeug mit der Front in der Mitte des Messfeldes befindet, sondern schon viel früher. Anhand einer Fotoauswertung kann dann nachgewiesen werden, dass es zu einem sog. Messwinkel kommt, der zu einer Fehlmessung von bis zu 1 km/h führen kann. In solchen Fällen ist entsprechend ein weiterer Toleranzabschlag auf die gemessene Geschwindigkeit vorzunehmen und ein knapp über dem Grenzwert liegende Fahrer käme bei dieser Radarmessung mit einem blauen Auge davon. 
 
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Der Verfasser, Rechtsanwalt Christian Demuth, ist überwiegend auf den Gebieten Verkehrsstraf- und Bußgeldrecht sowie Fahrerlaubnisrecht tätig.  
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