3 x Neues zum AGG

Arbeit Betrieb
06.01.20091177 Mal gelesen

Nachdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bislang eher hitzige Diskussionen auslöste, als in der Unternehmenspraxis tatsächlich Probleme zu verursachen, wurden pünktlich zum Jahreswechsel drei gerichtliche Entscheidungen veröffentlicht, die das AGG in neuem Licht erscheinen lassen. 

 

So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 6. November 2008 eine Grundsatzentscheidung zur Anwendbarkeit des AGG bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen getroffen. Während das AGG in § 2 Abs. 4 regelt, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten sollen, sieht das BAG den Anwendungsbereich etwas anders. Klar war bislang, dass Kündigungen außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, also im Kleinbetrieb oder während der sechsmonatigen Wartezeit wegen eines Verstoßes gegen das AGG unwirksam sind.

 

Nach Ansicht des BAG finden die Diskriminierungsverbote allerdings generell auf Kündigungen Anwendung, womit eine Kündigung sozialwidrig sein kann, wenn sie gegen ein Diskriminierungsverbot verstößt. Auch wenn in dem hier entschiedenen Fall der Arbeitnehmer (es ging um Altersdiskriminierungen aufgrund der Bildung von Altersgruppen in einem Sozialplan) mit seiner Auffassung nicht durchdrang, werden künftig Kündigungsrechtsstreite auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten geführt werden.

 

In der Praxis bedeutet dies, dass bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mögliche Ungleichbehandlungen wegen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität berücksichtigt und vermieden werden müssen. Gerade bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen ist damit aus Arbeitgebersicht noch mehr Vorsicht und genaue Vorbereitung geboten.

 

Der wohl spektakulärste AGG-Fall des vergangenen Jahres ist vom ArbG Wiesbaden am 18. Dezember 2008 entschieden worden. Die R V Versicherungs AG wurde von ihrer schwangeren Mitarbeiterin Eisele?Gaffaroglu auf 500.000,00 Euro Schadensersatz wegen einer möglichen Diskriminierung wegen des Geschlechts und der ethnischen Herkunft verklagt. Der Arbeitgeber hatte der Klägerin zu Beginn des 12?wöchigen Mutterschutzes das bisherige Außendienstgebiet entzogen und nach ihrer Rückkehr ein anderes Gebiet zugewiesen.

 

Zwar wurde die Klage überwiegend abgewiesen. Die Beklagte wurde "nur" zu einer Entschädigung in Höhe von ca. 11.000,00 Euro, also drei Gehältern verurteilt. Dem Grunde nach war die Klage der Arbeitnehmerin wegen Diskriminierung zumindest wegen des Geschlechts aber begründet. Das Gericht sah in der Zuweisung eines neuen Außendienstgebietes nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz eine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihrer Mutterschaft und damit wegen ihres Geschlechtes, da das neu zugewiesene Gebiet geringer wertig sei. Beide Parteien sind in Berufung gegangen. Über den Fortgang wird natürlich informiert.

 

Dieses Verfahren zeigt allerdings zweierlei: zum einen bewegen sich die Diskriminierungsstreitigkeiten weg von der fehlerhaften Stellenausschreibung hin zu unternehmensinternen Stellenbesetzungsklagen (siehe hierzu auch das Urteil des BAG vom 24. April 2008 zur Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung bei Beförderungsentscheidung und die unten aufgeführte Entscheidung des LAG Berlin Brandenburg), zum anderen wird versucht, die Entschädigungssummen in ihrer Höhe dem angloamerikanischen System anzupassen. Für den Arbeitgeber hat dies den Nachteil, dass allein wegen der Prozesskosten, die vor dem Arbeitsgericht von den Parteien unabhängig des Obsiegens von der jeweiligen Partei selbst zu tragen sind, diese Verfahren schon schmerzhaft sein können.

 

Ein Novum in der der deutschen Rechtsgeschichte ist die Verurteilung der GEMA aufgrund einer statistischen Berechnung. Das LAG Berlin?Brandenburg hat am 28. November 2008 die GEMA zu 48.000,00 Euro Entschädigung wegen einer Benachteiligung des Geschlechtes verurteilt. Die Klägerin war der Auffassung, bei der Besetzung eines Direktoren?Postens diskriminiert worden zu sein. Als Indiz ließ das Gericht ein mathematisches Gutachten gelten, wonach eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 1 % dafür bestand, dass bei der GEMA aus reinem Zufall alle Direktorenplätze mit Männern besetzt sind. Bei Frauen lag die Wahrscheinlichkeit bei ca. 85%. Diese Argumentation ist unmöglich zu widerlegen, wenn kein Ausschreibungsverfahren durchgeführt worden ist, anhand dessen man Kriterien für die Besetzung nachvollziehen kann. Beide Parteien haben Revision zum BAG eingelegt.

 

Für den Umgang mit dem AGG bedeutet auch dieses Urteil, dass wir uns dem angloamerikanischen Rechtsystem annähern, in dem statistische Beweise zugelassen sind. Zudem führt das Urteil faktisch zu einer Gleichstellungsquote.

 

Die oben beschriebenen Entscheidungen lassen für 2009 wichtige Entwicklungen im Bereich des AGG erwarten und insbesondere die Entschädigungshöhen zeigen, dass die Diskriminierungsverbote nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sind.