BAG: Aktuelle Urteile zur Benachteiligung im Rahmen von Bewerbungsverfahren

BAG: Aktuelle Urteile zur Benachteiligung im Rahmen von Bewerbungsverfahren
21.09.2014431 Mal gelesen
Das Bundesarbeitsgericht hat in zwei Entscheidungen vom 18.09.2014 seine Rechtsprechung zu Diskriminierungen in Bewerbungsverfahren konkretisiert.

Das Bundesarbeitsgericht hat in zwei Entscheidungen vom 18.09.2014 seine Rechtsprechung zu Diskriminierungen in Bewerbungsverfahren konkretisiert.

Schwerbehinderten kommt ihrem Rahmen von Bewerbungsverfahren ein besonderer Schutz zu. So sind ggf. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung über eingehende Bewerbungen von Schwerbehinderten zu informieren. Körperschaften des öffentlichen Rechts sind als potentieller Arbeitgeber zudem verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Unterlässt der Arbeitgeber dies, liegt hierin ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung. Allerdings kann der Arbeitgeber selbstredend den ihm obliegen Pflichten gegenüber Schwerbehinderten nur nachkommen, wenn er Kenntnis von der Schwerbehinderung hat. 

Das BAG hatte nun zu klären, ob die Mitteilung der Schwerbehinderung in einem Bewerbsverfahren auch automatisch Auswirkungen auf die Kenntnis des Arbeitgebers in einem nachfolgenden Bewerbungsverfahren haben muss. Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hatte sich im Juni 2010 auf eine Stelle beim beklagten Arbeitgeber beworben. In diesem Bewerbungsverfahren wurde die Schwerbehindertenvertretung beteiligt. Einen Monat später bewarb sich derselbe Bewerber beim selben Arbeitgeber auf eine weitere Stelle. Beide Bewerbungsverfahren wurden intern von unterschiedlichen Stellen bearbeitet. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Schwerbehinderung war im zweiten Bewerbungsverfahren weder im Lebenslauf noch im Bewerbungsschreiben erfolgt. Lediglich der Schwerbehindertenausweis war in einem Anlagenkonvolut beigefügt. Das BAG (Urt. v. 18.09.2014 - 8 AZR 759/13) vertrat die Auffassung, dass dies als Information des Arbeitgebers nicht ausreiche. Eine Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch seitens des beklagten Arbeitgebers, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, habe daher nicht bestanden. Der schwerbehinderte Bewerber müsse ggf. in einem Bewerbungsschreiben oder unter deutlicher Hervorhebung im Lebenslauf auf die Schwerbehinderteneigenschaft hinweisen. Auch die Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft in einem anderen Bewerbungsverfahren beim gleichen Arbeitgeber genüge nicht. Entscheidend sei das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Bewerbung, nicht früher.

In einer weiteren Entscheidung des BAG vom selben Tag hatte sich das Gericht mit einer Benachteiligung einer Frau bei einer Stellenbesetzung zu befassen. Diese hatte sich auf eine Stelle als Buchhaltungskraft bei einem Radiosender beworben. In den Bewerbungsunterlagen gab sie bei Familienstand "verheiratet, ein Kind" an. Die Bewerbung blieb erfolglos. In den an die Klägern zurückgesandten Bewerbungsunterlagen fand diese die Angabe "ein Kind" unterstrichen vor und zudem einen handschriftlichen Vermerk "7 Jahre alt!". Hierin sah die Klägerin ein Indiz dafür, dass sie wegen ihrer Eigenschaft als Mutter eines schulpflichtigen Kindes und damit wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden ist. Der Arbeitgeber hatte sich darauf berufen, eine besser qualifizierte, junge Frau eingestellt zu haben. 

Das LAG Hamm als Vorinstanz war von einer mittelbaren Benachteiligung der Klägerin als Frau ausgegangen. Frauen seien in der gesellschaftlichen Realität auch heute noch weit häufiger für die Kinderbetreuung verantwortlich als Väter. Dies ergebe sich aus den Ergebnisses des Mikrozensus aus dem Jahr 2010. Die Notizen in den zurückgesandten Bewerbungsunterlagen seien zudem ein Indiz i.S.d. § 22 AGG, so dass die Benachteiligung wegen des Geschlechts zunächst zu vermuten sei. Dies war nach Auffassung des LAG Hamm auch nicht durch die Einstellung einer jungen, besser qualifizierten Frau widerlegt. Aus deren Einstellung können nicht geschlossen werden, dass das Geschlecht bei der Stellenbesetzung keine Rolle gespielt habe. Das BAG (Urt. v. 18.09.2014 - 8 AZR 753/13) hat - wie sich aus der Pressemitteilung ergibt - das Verfahren an das LAG zurückverwiesen. Aus den Ergebnissen des Mikrozensus ließen sich keine Aussagen für das vorliegende Verfahren herleiten. Das LAG habe allerdings zu prüfen, ob sich aus dem Vermerk in den zurückgesandten Unterlagen nicht bereits eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts ergibt.


Rechtsanwalt Dr. Christian Velten, Gießen - Arbeitsrecht

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