Ein als Praxisvertreter tätiger Facharzt ist im Regelfall kein Arbeitnehmer

Ein als Praxisvertreter tätiger Facharzt ist im Regelfall kein Arbeitnehmer
27.05.2013623 Mal gelesen
Zur Annahme des Arbeitnehmerstatus eines als Praxisvertreter tätigen Facharztes reicht es, so das Thüringer LAG, nicht aus, dass dieser die Praxis in der gewohnten Weise in den Räumen und mit Instrumenten des vertretenen Praxisinhabers zu den von diesen gehabten Sprechstundenzeiten fortführt.

Im Dezember 2008 verstarb Dr. med. L. Der Testamentsvollstrecker für den Nachlass des Verstorbenen schloss mit unserem Arzt einen Honorarvertrag zur Praxisvertretung für den Zeitraum vom 5. Januar 2009 bis 31. März 2009 ab. Dieser Vertrag wurde ordnungsgemäß abgewickelt. Am 31. März 2009 schlossen die Parteien einen weiteren Honorarvertrag für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2009. Nach diesem Vertrag war unser Arzt als Praxisvertreter Facharzt Allgemeinmedizin tätig. Er war verpflichtet, die Praxis in der gewohnten Weise in den Räumen und mit den Instrumenten des vertretenen Praxisinhabers zu den gewohnten Sprechstundenzeiten fortzuführen. Unser Arzt sollte ferner nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen, sondern seine ärztliche Tätigkeit selbstständig und weisungsungebunden ausüben. Als Vergütung vereinbarten die Parteien eine monatliche Honorarpauschale in Höhe von 8.500,00 €. Darüber hinausgehende Zulagen für Spesen, Heimfahrten und Hausbesuche etc. sollten nicht gewährt werden. Im Fall der vorfristigen Kündigung sollte der Arzt eine zusätzliche einmalige Abschlagszahlung in Höhe von zwei monatlichen Honorarpauschalen erhalten.

Aufgrund dieses Vertrages macht unser Arzt gegenüber dem Testamentsvollstrecker noch ausstehende Vergütung geltend. Er klagt vor dem Arbeitsgericht, er sei Arbeitnehmer.

Das Arbeitsgericht sah unseren Arzt als Arbeitnehmer und hielt den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit für gegeben. Der Testamentsvollstrecker hält den Rechtsweg für unzulässig.

Auf seine Beschwerde hin, erklärt das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig und verweist den Rechtsstreit an das Landgericht Meiningen.

Der klagende Arzt sei kein Arbeitnehmer. Arbeitnehmer sei, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sei. Der Arbeitnehmer erbringt seine Dienstleistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich besonders darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht eines Vertragspartners  unterliege. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit nicht frei gestalten könne. Dabei seien alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen.

Nach diesen Kriterien bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis. Die Parteien haben in der Honorarvereinbarung vom 31. März 2009 vereinbart, dass der Arzt nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis stehe, sondern seine ärztliche Tätigkeit selbstständig und weisungsungebunden ausübe.

Der Arzt sei während der Sprechstunden nicht in eine fremde Arbeitsorganisation eingebunden gewesen. Er hatte das Recht, diese selbst zu gestalten. Es sei nicht ersichtlich, welchen Vorgaben und Beschränkungen er in dieser Zeit, etwa im Hinblick auf die Reihenfolge der Patienten, ein etwaiges Bestellsystem, eine bestimmte Anzahl von zu behandelnden Patienten, unterlegen habe. Mangels entsprechender Weisungsgebundenheit habe er daher den Praxisbetrieb selbst "organisiert".

Nach alldem ist der Praxisvertreter kein Arbeitnehmer. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist somit nicht gegeben.

 

(Quelle: Thüringer Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.08.2011;  6 Ta 73/11

Vorinstanz: Arbeitsgericht Suhl, Beschluss vom 12.04.2011; 4 Ca 56/11)

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