Eine Zwangs-zur-Ruhe-Setzung durch Manteltarifvertag ist eine unzulässige Altersdiskriminierung

Eine Zwangs-zur-Ruhe-Setzung durch Manteltarifvertag ist eine unzulässige Altersdiskriminierung
24.05.2013250 Mal gelesen
Die Regelung zur Befristung der Arbeitsverhältnisse auf das Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung im Manteltarifvertrag der Hamburger Hochbahn AG ist nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hamburg wegen Altersdiskriminierung unwirksam.

Ein im Mai 1945 geborene Haltestellenwärter ist seit dem 1. Juni 1981 bei der Hochbahn beschäftigt. Im Manteltarifvertrag steht unter anderem:

"Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet, es sei denn, dass das Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen fortgesetzt wird. Einzelbestimmungen regelt eine Betriebsvereinbarung."

Eine solche Betriebsvereinbarung gibt es indes nicht.

Am 7. Mai 2010 wurde die Formulierung durch die Tarifvertragsparteien leicht geändert. Die Zahl "65" wurde ersetzt durch "Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung".

Eine "Protokollnotiz" der Tarifvertragsparteien besagt dazu:

"Mit dieser Reglung verfolgen die Tarifvertragsparteien, wie schon in der Vergangenheit, primär arbeitsmarktpolitische Ziele. Neben der Förderung der Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen soll damit auch ein positiver Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit geleistet werden."

Mit Schreiben vom 22. August 2009 bat unser Haltestellenwärter um Beschäftigung über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus. Mit Schreiben vom 22. September 2009 lehnte die Hochbahn sein Begehren unter Berufung auf den Manteltarifvertrag ab und teilte ferner mit, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit dem 31. Mai 2010 enden werde.

Daraufhin erhob unser Haltestellenwärter Klage vor dem Arbeitsgericht.

Das Gericht stellte aufgrund seiner Klage fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31. Mai 2010 geendet hat und dass die Hochbahn ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Haltestellenwärter weiter zu beschäftigen habe.

Die entsprechende  Regelung im Tarifvertrag ist  wegen Gesetzesverstoßes unwirksam.

Die in einem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag für den Zeitpunkt der Vollendung eines bestimmten Lebensalters oder der Regelaltersgrenze vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Ausspruch einer Kündigung ist keine auflösende Bedingung, sondern eine Höchstbefristung. Eine Befristung sei nach dem Gesetz nur zulässig, wenn ein sachlicher Grund hierfür vorliegt. Ein sachlicher Grund ist aber schon allein deshalb nicht gegeben, weil sie nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz eine Diskriminierung wegen des Alters darstellt und schon aus diesem Grunde unzulässig ist.

Bei der tariflichen Altersgrenzenregelung handele es sich um eine altersdiskriminierende Regelung. Die Arbeitsverhältnisse der Tarifpartner sollen automatisch enden mit Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ist dabei das entscheidende Merkmal für die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Das Kriterium des Erreichens der gesetzlichen Regelaltersgrenze stellt auf das Alter ab, da die gesetzliche Regelaltersgrenze ebenfalls allein auf das Erreichen eines bestimmten Alters abstellt.

Ausnahmetatbestände nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sind nicht ersichtlich.

Das Gericht hat der Klage des Haltestellenwärters somit stattgegeben. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ist er darüber hinaus weiter zu beschäftigen.

 

(Quelle: Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 26.07.2010; 22 Ca 33/10)

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