Ein Verzicht auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses kann nach Entstehung des Anspruchs auf Zeugniserteilung wirksam vereinbart werden

Ein Verzicht auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses kann nach Entstehung des Anspruchs auf Zeugniserteilung wirksam vereinbart werden
30.04.2013663 Mal gelesen
Eine „umfassende Erledigungsklausel“ in einem Prozessvergleich umfasst grundsätzlich auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, meint das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.

Arbeitnehmer und Arbeitgeberin standen vor dem Arbeitsgericht Eberswalde in einem Kündigungsrechtsstreit. In den Vergleichsgesprächen zeichnete sich zunächst eine Einigung über die Beendigung und die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses ab. Nachdem der Arbeitnehmer noch eine Forderung bezüglich der Übertragung des Schadenfreiheitsrabattes gestellt hatte, erklärte die Arbeitgeberin ihre Zustimmung hierzu, bestand aber nun auf einer "umfassenden Erledigungsklausel". Über einen Zeugnisanspruch wurde in der Berufungsverhandlung vor Abschluss des Vergleichs nicht gesprochen. Der vorgelesene und von den Parteien genehmigte Vergleich vom 3. August 2010 hat folgenden Inhalt:

"1.) ...

8.)...Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem vorliegenden Rechtstreit ausgeglichen."

Am 3. November 2010 reichte der Arbeitnehmer bei Gericht gegen seine ehemalige Arbeitgeberin eine Klage auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses ein.

Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab.

Der Arbeitnehmer habe gegen die Arbeitgeberin keinen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten, also auf Führung und Leistung gerichteten Zeugnisses. Der  Anspruch des Arbeitnehmers sei durch das in Ziffer 8 des Prozessvergleichs vom 3. August 2010 vereinbarte konstitutive negative Schuldanerkenntnis wirksam erloschen.

Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, gerichtlichen Auflösungsvergleichen und sogenannten Abwicklungsvereinbarungen seien grundsätzlich weit auszulegen. Die Parteien wollen in solchen Vereinbarungen regelmäßig das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie daran dachten oder nicht. Nach dem eindeutigen Wortlaut werden von der in Ziffer 8 des Vergleichs geregelten Ausgleichsklausel sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst. Die Klausel beziehe sich damit nicht nur auf finanzielle Ansprüche. Ein verständiger durchschnittlicher Arbeitnehmer, der in einem Kündigungsrechtsstreit einen Prozessvergleich mit einer solchen Ausgleichsklausel schließt, müsse erkennen, dass unter einem Anspruch nicht nur ein auf Geld gerichteter Anspruch gemeint sei.

Der Arbeitgeber könne unter Berücksichtigung dieser Umstände bei einer Vereinbarung einer umfassenden Ausgleichsklausel im Rahmen eines Prozessvergleichs zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer, wenn er sein Verlangen auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht spätestens bis zum Abschluss des Vergleichs zum Ausdruck gebracht hat, für sich entschieden hat, dass er für sein weiteres berufliches Fortkommen kein qualifiziertes Zeugnis benötigt oder er es gar für nicht förderlich erachtet.

Nach alledem ist der Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses durch den Prozessvergleich erloschen.

 

(Quelle:  Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.12.2011;  3 Sa 1300/11

Vorinstanz Arbeitsgericht Eberswalde, Urteil vom 10.05.2011;  2 Ca 995/10)

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