LAG Mainz: Arbeitgeber muss Betriebsbeeinträchtigungen durch alkoholkranken Arbeitnehmer umfassend darlegen

Arbeit Betrieb
06.03.2013290 Mal gelesen
Die personenbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers wegen vorangegangener Alkoholerkrankung ist unwirksam. Damit bestätigte das Landesarbeitsgericht Mainz das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz (Az.11 Sa 167/12).

Der Kläger war bei einer Großbäckerei seit mehr als 20 Jahren beschäftigt. Bereits 2010 fehlte er an 105 Arbeitstagen, bevor er seinem Arbeitgeber um den Jahreswechsel 2010/2011 offenbarte, an Alkoholproblemen zu leiden. Infolgedessen begab er sich in Rehabilitation, die er aber abbrach, so dass er im März 2011 zurückkehrte. Wenige Tage später flatterte ihm die Kündigung ins Haus, wogegen der Arbeitnehmer Klage erhob.

Das Arbeitsgericht Koblenz gab der Klage Anfang 2012 statt, da eine personenbedingte Kündigung des Arbeitsvertrages wegen Krankheit nur dann möglich sei, wenn dem Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren in jedem Jahr Entgeltfortzahlung für mehr als 6 Wochen zu gewähren war und daher anzunehmen ist, dass sich dieser Zustand nicht ändern werde. Dieser Zeitraum sei vorliegend nicht gegeben. Zudem habe der Beklagte betriebliche Beeinträchtigungen nicht hinreichend geltend gemacht.

Die Berufung des Arbeitnehmers hatte keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht führte in seinem Urteil vom 06.09.2012 (Az. 11 Sa 167/12) aus, dass eine Entlassung nur dann gerechtfertigt sei, wenn aufgrund objektiver Umstände bei einer langen Erkrankung auf nicht absehbare Zeit weiterhin mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergeben.

Offen ließen die Richter, ob vorliegend aufgrund des langen Ausfallzeitraums eine negative Gesundheitsprognose zu bejahen sei. Der Arbeitgeber habe schon versäumt, ausreichend geltend zu machen, dass erhebliche betriebliche und wirtschaftliche Beeinträchtigungen durch die bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten vorgelegen haben. Darüber hinaus sei der Kläger im Betrieb selbst noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme aufgefallen.

Der Beklagte hatte das Gericht lediglich darauf hingewiesen, dass Alkoholiker generell unter einem erheblichen Kontrollverlust leiden und ein unbeaufsichtigtes Arbeiten im Produktionsbetrieb unmöglich sei. Statt einer abstrakten Abhandlung hätte er konkret auf die Situation seines Betriebs und die des Arbeitnehmers eingehen müssen.

 

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