EGMR: Rechtswidrig gekündigter Kirchenmusiker erhält 40.000 € Entschädigung

Arbeit Betrieb
09.07.20121085 Mal gelesen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass ein wegen Ehebruchs zu Unrecht gekündigter Kirchenmusiker vom deutschen Staat 40.000 Euro Entschädigung erhält.

Vorliegend wurde ein Musiker von der katholischen Kirche als Chorleiter und Organist eingestellt worden. Nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrages sollte seine Lebensführung den Grundsätzen der katholischen Sitten- und Morallehre entsprechen. Ein schwerwiegender Verstoß sei als wichtiger Grund für eine Kündigung anzusehen. Nachdem er 14 Jahre tätig war, trennte er sich von seiner Ehefrau, mit der er zwei Kinder großgezogen hatte. Dann zog er zu seiner Lebensgefährtin und informierte seinen Arbeitgeber darüber. Als seine Freundin von ihm ein Kind erwarte, kündigte ihm die Kirche ohne vorhergehende Abmahnung. Begründet wurde dies damit, dass er durch Verstoß gegen die Unauflösbarkeit der Ehe sowie durch Bigamie (nach kirchenrechtlichem Verständnis war er noch mit seiner Frau verheiratet) in grober Weise gegen kirchliche Grundsätze und damit gegen die ihm obliegende Loyalitätspflicht verstoßen hätte. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.

 

Jedoch wies das Bundesarbeitsgericht in letzter Instanz mit Urteil vom  16.09.1999 (Az. 2 AZR 712/98) seine Klage ab. Die Richter begründeten das damit, dass die katholische Kirche aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechtes bei der Gestaltung seiner Arbeitsverhältnisse das Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft zugrundelegen dürfe. Hierzu gehöre vor allem die spezielle Bedeutung der Ehe, die auch durch Art. 6 GG unter dem herausgehobenen Schutz des Staates stehe.

 

Hiergegen rief der Arbeitnehmer nunmehr den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an und forderte 644.000 Euro Entschädigung für ein nicht bis zu seiner Pensionierung bezogenes Gehalt. Dieses Gericht entschied bereits mit Entscheidung vom 23.09.2010 (Beschwerde-Nr. 1620/03), dass das Bundesarbeitsgericht durch die Bestätigung der Kündigung gegen Art. 8 MRK verstoßen hat. Denn diese Kündigung war rechtswidrig. Die Richter rügten, dass das Bundesarbeitsgericht nicht geprüft hat, ob die Tätigkeit als Kirchenmusiker wirklich zum engen Verkündigungsauftrag der Kirche gehört. Nur dann wäre er im Falle einer Trennung/Scheidung aufgrund einer gesteigerten Loyalitätspflicht zu einem enthaltsamen Leben verpflichtet. Zu berücksichtigen ist hier, dass er Mitarbeiter über keine leitende Funktion verfügte und nicht für seinen Arbeitgeber in der Öffentlichkeit auftrat. Aufgrund der damit verbundenen unzureichenden Abwägung zwischen der Achtung des Privatlebens des Arbeitnehmers sowie den Interessen des kirchlichen Arbeitgebers sprach der EuGH ihm schließlich mit Urteil vom 28.06.2012 (Az. 1620/03) eine Entschädigung in Höhe von 40.000 Euro zu.

 

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