EGMR: Kein Maulkorb für Arbeitnehmer bei schlimmen Missständen im Betrieb

Arbeit Betrieb
21.07.2011882 Mal gelesen
Wer seinen Arbeitgeber wegen gravierender Missstände im Betrieb anzeigt, der darf deshalb nicht unbedingt fristlos gekündigt werden. Dies hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden – und einer Altenpflegerin wegen einer rechtwidrigen Kündigung eine hohe Entschädigung zugesprochen.

Im zugrundeliegenden Fall beschwerte sich eine Altenpflegerin bei ihrem Arbeitgeber darüber, dass dieser viel zu wenig Personal eingestellt hatte. Sie wies ihn darauf hin, dass daher nicht alle Bewohner ausreichend versorgt werden. Als die Geschäftsführung dies ignorierte, machte die Pflegerin die Sache öffentlich und zeigte ihren Arbeitgeber wegen Betruges an. Dabei behauptete sie, dass Pflegekräfte nicht erbrachte Leistungen dokumentieren sollten. Zudem verwies sie darauf, dass verwies sie darauf, dass der medizinische Dienst der Krankenkassen diese Sichtweise bestätigt hatte. Dieser hatte nämlich schwere Mängel in der Pflege festgestellt und diese auf die Personalknappheit zurückgeführt.

 

Nachdem die strafrechtlichen Ermittlungen mangels hinreichender Nachweise eingestellt worden waren, kündigte der Arbeitgeber der Altenpflegerin fristlos. Hiergegen legte die betroffene Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage. Doch das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung rechtmäßig sei. Hiergegen reichte die Altenpflegerin eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein - und bekam Recht.

 

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied am 21.07.2011, dass die Altenpflegerin in seiner Meinungsfreiheit verletzt worden ist. Ihr Verhalten war durch Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention  gedeckt. Nach Ansicht der Richter darf ihr nicht zu Last gelegt werden, dass die Ermittlungen gegen den Arbeitgeber mangels eines hinreichenden Nachweises einer Straftat eingestellt worden waren. Auf jeden Fall hat sie nicht leichtfertig gehandelt, weil der MDK ebenfalls von Missständen im Bereich der Pflege ausgegangen ist. Darüber hinaus ist es gerade in Bereichen wie der Altenpflege wichtig, dass die Öffentlichkeit und die Polizei auf Missstände aufmerksam gemacht werden können. Aus diesem Grunde ist hier das Interesse an Information stärker zu gewichten als die Interessen des Unternehmens.

 

Der Altenpflegerin wurde eine Entschädigung in Höhe von 15.000 € zugesprochen, die der deutsche Staat zahlen muss. Noch ist die Entscheidung allerdings nicht rechtskräftig. Das Aktenzeichen lautet: 28274/08.

  

Quellen: