Rentenversicherung: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, berufliche Rehabilitation (Umschulung): Welcher rechtliche Maßstab ist anzuwenden?

Soziales und Sozialversicherung
02.06.201028788 Mal gelesen
Die Deutschen Rentenversicherungsträger wenden bei Entscheidungen über Anträge auf Bewilligung von Umschulungsmaßnahmen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) wiederholt unzutreffende rechtliche Maßstäbe an. Ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes u.a. voraus, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und dass diese Gefährdung durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet bzw. die Leistungsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.
 
Der Begriff "Erwerbsfähigkeit" knüpft allerdings nicht an die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung an. Erwerbsminderungsrenten hängen vom Restleistungsvermögen bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Erwerbsgemindert in diesem Sinne ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden (volle Erwerbsminderung) bzw. mindestens sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) täglich erwerbstätig zu sein.
 
Bei Leistungen zur Teilhabe geht es dagegen nur um die Frage, ob das Leistungsvermögen noch für den zuletzt ausgeübten Beruf ausreicht. Bereits in einer Entscheidung vom 29.03.2006 (B 13 RJ 37/05 R) hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass es (allein) auf die Minderung des Leistungsvermögens gemessen an der zuletzt in nicht unerheblichem Umfang ausgeübten Berufs- bzw. auf die bisherige Tätigkeit, gleich welcher Qualifikationsstufe ankommt.
 
In unserer Praxis begegnen uns jedoch immer wieder Fälle, in denen die Deutsche Rentenversicherung Anträge mit der Begründung ablehnt, dass die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt seien und deshalb auch eine Umschulung nicht bewilligt werden könne. Diese Argumentation ist falsch.
 
Wenn nach ärztlicher Einschätzung die Leistungsfähigkeit zumindest für den zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausreicht, sind die persönlichen Voraussetzungen für einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe erfüllt. Es ist daher in jedem Fall zu raten, gegen die Ablehnung Widerspruch einzulegen bzw. zu klagen.
 
Bundessozialgericht, 29.03.2006, B 13 RJ 37/05 R
 
 
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