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Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.05.1995, Az.: XI ZR 78/94

Formularmäßige Kapitallebensversicherungszession; Angemessene Verwertungsregelung; Singularsicherungsabtretung; Pfändbarer Teil der Arzthonoraransprüche

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.05.1995
Aktenzeichen
XI ZR 78/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 15784
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 130, 59 - 70
  • BB 1995, 1556-1559 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1995, 1806-1808 (Volltext mit amtl. LS)
  • JuS 1995, 1036-1037 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1995, 1024 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1995, 2219-2221 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1996, 115 (amtl. Leitsatz)
  • VersR 1995, 970-973 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1995, 1219-1223 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1995, 299
  • ZIP 1995, 1071-1075 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Eine angemessene Verwertungsregelung ist weder Voraussetzung für die Wirksamkeit formularmäßiger Kapitallebensversicherungszessionen noch für die einer offenen Abtretung aller Honoraransprüche eines Zahnarztes gegen eine kassenzahnärztliche Vereinigung.

2. Die Wirksamkeit einer formularmäßigen Singularsicherungsabtretung ist nicht von der Festlegung einer zahlenmäßig bestimmten Deckungsgrenze oder der ermessensunabhängigen Ausgestaltung der Freigabepflicht des Sicherungsnehmers abhängig.

3. Gleiches gilt für die Wirksamkeit einer formularmäßigen Sicherungsabtretung des pfändbaren Teils aller Honoraransprüche gegen eine kassenzahnärztliche Vereinigung an eine Bank jedenfalls dann, wenn der abtretende Zahnarzt bei Einhaltung einer vereinbarten Kreditlinie über eingehende Zahlungen der kassenzahnärztlichen Vereinigung frei verfügen kann.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit formularmäßiger Sicherungsabtretungen.

2

Die beklagte Bank gewährte der Klägerin, einer Zahnärztin, im Jahre 1985 einen Kontokorrentkredit über 80.000 DM sowie zwei Existenzgründungsdarlehen über insgesamt 550.000 DM, die durch zwei anzusparende Kapitallebensversicherungen getilgt werden sollten. Als Sicherheiten dienten vor allem Abtretungen dieser Lebensversicherungen über insgesamt 465.000 DM sowie des pfändbaren Teils aller bestehenden und künftigen Lohn-, Gehalts- und Sozialleistungsforderungen und der Ansprüche der Klägerin gegen die jeweils zuständige kassenärztliche oder kassenzahnärztliche Vereinigung. In den Formularabtretungen der Lebensversicherungen heißt es u.a.:

3

Nr. 7

4

"Kommt der Sicherungsgeber mit der Leistung der Beiträge und sonstigen Zahlungen in Rückstand, so ist die Bank berechtigt, ohne Mitwirkung des Sicherungsgebers die abgetretenen Ansprüche beliebig zu verwerten, z.B. die Versicherung zu beleihen, den Versicherungsvertrag zu kündigen und den Rückkaufswert und sonstige Leistungen entgegenzunehmen oder die Umwandlung in eine beitragsfrei Versicherung zu beantragen."

5

Nr. 9

6

"Die Bank hat auf Verlangen des Sicherungsgebers ihre Rechte aus diesem Vertrag nach billigem Ermessen freizugeben, soweit sie diese nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt."

7

Eine wortgleiche Freigabeklausel ist in Nr. 4 der Formularabtretung der Lohn-, Gehalts- und Sozialleistungsforderungen sowie der Ansprüche gegen die kassen(zahn)ärztliche Vereinigung enthalten.

8

Vereinbarungsgemäß veranlaßte die Klägerin die Übergabe der Lebensversicherungspolicen an die Beklagte, teilte die Abtretungen der Versicherungsgesellschaft sowie der kassenzahnärztlichen Vereinigung N. mit und wies letztere an, Zahlungen nur auf ihr Kontokorrentkreditkonto bei der Beklagten zu leisten. Nachdem die Forderungen der Beklagten auf über 800.000 DM angewachsen waren, verkaufte die Klägerin ihre Praxis und führte die Verbindlichkeiten um etwa 200.000 DM zurück.

9

Die Klägerin hält die Formularabtretungen für nichtig, weil die Freigabeverpflichtung nicht an eine zahlenmäßig bestimmte Deckungsgrenze geknüpft und nicht ermessensunabhängig ausgestaltet sei und weil eine angemessene Verwertungsregelung fehle. Sie hat beantragt, festzustellen, daß die Abtretung sämtlicher bestehenden und künftigen Lohn-, Gehalts- und Sozialleistungsforderungen, aller Ansprüche gegen die jeweils zuständige kassen(zahn)ärztliche Vereinigung sowie die beiden Abtretungen der Kapitallebensversicherungen unwirksam seien.

10

Die Beklagte hat nach Fälligstellung der Kredite im Wege der Widerklage begehrt, die Klägerin zur Zahlung von 603.751,58 DM zuzüglich Zinsen zu verurteilen.

11

Das Landgericht hat der Klage und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgewiesen, soweit die Klägerin begehrt, die Unwirksamkeit der Lebensversicherungsabtretungen festzustellen. Gegen das Berufungsurteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte begehrt die Abweisung der Klage auch insoweit, als die Unwirksamkeit der Abtretung aller Ansprüche der Klägerin gegen die jeweils zuständige kassen(zahn)ärztliche Vereinigung festgestellt worden ist.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, die der Beklagten begründet.

13

A. Revision der Klägerin

14

I. Das Berufungsgericht ist von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen und hat die Formularabtretungen der Kapitallebensversicherungen als wirksam angesehen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

15

Anders als bei Sicherungsabtretungen von Lohn- und Gehaltsansprüchen sei eine angemessene besondere Verwertungsregelung für den Fall rückständiger Zins- und Tilgungsleistungen bei Formularabtretungen von Lebensversicherungen nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Eine Lohn- und Gehaltszession sei für den Zedenten von existentieller Tragweite. Für die Abtretung einer Lebensversicherung gelte dies nicht, zumal wenn diese wie hier in erster Linie der Tilgung aufgenommener Darlehen diene.

16

Auch von einer qualifizierten Freigabeklausel hänge die Wirksamkeit einer formularmäßigen Lebensversicherungszession nicht ab. Anders als bei einer Lohn- und Gehaltsabtretung bestehe die Gefahr einer unangemessenen Übersicherung des Gläubigers in der Regel nicht, weil die Lebensversicherung wegen ihres Tilgungszwecks mit dem gesicherten Kredit in Zusammenhang stehe.

17

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

18

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO auch insoweit ausgegangen, als die Klägerin Klage auf Herausgabe der Lebensversicherungspolicen hätte erheben können. Zwar fehlt es im allgemeinen an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, soweit eine Leistungsklage möglich ist. Der Vorrang der Leistungsklage gilt aber nicht ausnahmslos. Wenn eine Feststellungsklage zur endgültigen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt, etwa weil von der Bereitschaft des Beklagten zur Leistung schon auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin auszugehen ist, bestehen gegen die Zulässigkeit keine Bedenken (BGH, Urteil vom 17. Juni 1994 - V ZR 34/92, WM 1994, 1888, 1889 f.; Senatsurteil vom 30. April 1991 - XI ZR 223/90, WM 1991, 1115; MünchKomm-ZPO/Lüke § 256 Rdn. 50).

19

So liegt der Fall hier. Es besteht hinreichende Gewähr, daß die beklagte Bank, die der Aufsicht des Bundesamtes für das Kreditwesen unterliegt, die Versicherungspolicen bereits auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin an die Klägerin herausgeben würde. Sie hat die Zulässigkeit der Feststellungsklage nie in Zweifel gezogen und durch ihr prozessuales Verhalten gezeigt, daß auch ihr an einer Klärung der Wirksamkeit der Abtretungen durch die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage gelegen ist.

20

2. Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, eine angemessene Verwertungsregelung sei nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit formularmäßiger Lebensversicherungszessionen.

21

a) Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen vom 7. Juli 1992 (XI ZR 274/91, WM 1992, 1359, 1361) und vom 14. Juni 1994 (XI ZR 210/93, WM 1994, 1613, 1614) [BGH 14.06.1994 - XI ZR 210/93] allerdings angenommen, daß die Abbedingung gesetzlicher Pfandverwertungsregeln bei einer formularmäßigen stillen Sicherungsabtretung von Arbeitseinkommen nicht nur zur Nichtigkeit der Nr. 20 Abs. 2 AGB-Banken 1986, sondern zur Unwirksamkeit der Abtretung insgesamt führe. Dies ist auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 AGBG mit Rücksicht darauf geschehen, daß die Verwertungsregelung bei Lohn- und Gehaltszessionen für den Abtretenden häufig von existentieller Bedeutung ist und er insoweit nur durch die Unwirksamkeit der Abtretung insgesamt wirksam geschützt werden kann (Senatsurteil vom 17. Januar 1995 - XI ZR 192/93, WM 1995, 375, 377 [BGH 17.01.1995 - XI ZR 192/93], für BGHZ vorgesehen).

22

b) Davon kann bei offenen Abtretungen von Kapitallebensversicherungen keine Rede sein. Anders als Arbeitseinkommen sind Lebensversicherungen, jedenfalls wenn sie - wie hier - im Zusammenhang mit der Aufnahme von Darlehen zu deren Tilgung abgeschlossen werden, für den Abtretenden nicht von existentieller Bedeutung. Die im Senatsurteil vom 7. Juli 1992 (XI ZR 274/91, aaO.) in den Vordergrund gerückten weitreichenden Konsequenzen der Offenlegung einer stillen Lohnabtretung ohne Androhung und Einhaltung einer Frist, die dem Schuldner sofort und überraschend den gesamten pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens entzieht, die Sicherheit seines Arbeitsplatzes gefährdet und seine Kreditwürdigkeit in Frage stellt, spielen hier keine Rolle. Zur Tilgung von Darlehen bestimmte Kapitallebensversicherungen sind für die Bestreitung der laufenden Lebenshaltungskosten ohne Bedeutung. Außerdem kommt der Offenlegung im Anschluß an die Abtretung einer Lebensversicherung, da sie gemäß § 13 Abs. 3 ALB Wirksamkeitserfordernis ist, ein Überraschungseffekt nicht zu und gibt zu Zweifeln an der Kreditwürdigkeit des Abtretenden keinen Anlaß. Seinem berechtigten Interesse ist schon dann genügt, wenn anstelle einer unangemessenen und damit nach § 6 Abs. 1 AGBG unwirksamen Verwertungsregelung die gesetzlichen Vorschriften über die Pfandverwertung (§§ 1273 Abs. 2, 1234 BGB) entsprechend angewandt werden (§ 6 Abs. 2 AGBG; vgl. BGHZ 124, 380, 391 f.; BGH, Urteil vom 28. April 1994 - IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1162 f [BGH 28.04.1994 - IX ZR 248/93]ür Sicherungsübereignung; Senatsurteil vom 17. Januar 1995 - XI ZR 192/93, WM 1995, 375, 377 f [BGH 17.01.1995 - XI ZR 192/93]ür das Pfandrecht nach den AGB-Banken; OLG Celle WM 1994, 1519, 1520 [OLG Celle 16.02.1994 - 3 U 116/93] und LG Fulda WM 1994, 1070, 1071 f [LG Fulda 27.04.1994 - 4 O 414/93]ür Abtretungen von Kapitallebensversicherungen).

23

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Lebensversicherungszessionen auch nicht daran scheitern lassen, daß die Freigabeverpflichtung der Beklagten in Nr. 9 der Formularabtretungen nicht an eine zahlenmäßig bestimmte Deckungsgrenze geknüpft und nicht ermessensunabhängig ausgestaltet ist.

24

a) Eine solche Klausel ist nach der neueren Rechtsprechung des VII., VIII. und IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs bei Globalzessionen und Sicherungsübereignungen von Warenlagern mit wechselndem Bestand allerdings nicht ausreichend und soll zur Unwirksamkeit der Sicherungsabtretung insgesamt führen (BGHZ 109, 240, 245 ff. [BGH 29.11.1989 - VIII ZR 228/88];  117, 374, 377 ff.;  120, 300, 302 f. [BGH 02.12.1992 - VIII ZR 241/91];  124, 371, 376;  124, 380, 387;  125, 83, 87;  BGH, Urteile vom 26. April 1990 - VII ZR 39/89, WM 1990, 1326, 1327, vom 6. Dezember 1990 - VII ZR 334/89, WM 1991, 276, vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 244/90, WM 1991, 1499, 1500 [BGH 19.06.1991 - VIII ZR 244/90], vom 25. November 1992 - VIII ZR 176/91, WM 1993, 213, 216, vom 8. Dezember 1993 - VIII ZR 166/93, WM 1994, 104, 105 [BGH 08.12.1993 - VIII ZR 166/93] und vom 28. April 1994 - IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1162) [BGH 28.04.1994 - IX ZR 248/93]. Gegen diese Rechtsprechung, die insbesondere in jüngster Zeit verstärkt Kritik erfahren hat (OLG Hamm WM 1994, 1840, 1841 f. [OLG Hamm 24.08.1994 - 31 U 15/93]; OLG Hamm ZIP 1995, 50, 53; Rellermeyer WM 1994, 1009 ff. und 1053 ff.; H. Weber WM 1994, 1549 ff.; Neuhof NJW 1994, 1763 ff.; Früh DB 1994, 1860 ff.; Serick ZIP 1995, 789 ff.), hat der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 10. Mai 1994 (XI ZR 65/93, WM 1994, 1283, 1284) [BGH 10.05.1994 - XI ZR 65/93] und vom 17. Januar 1995 (XI ZR 192/93, WM 1995, 375, 276 [BGH 17.01.1995 - XI ZR 192/93], für BGHZ vorgesehen) Bedenken geäußert, ohne abschließend Stellung zu nehmen. Einer solchen Stellungnahme bedarf es auch hier nicht, weil die angesprochene Rechtsprechung, anders als die Klägerin meint, auf Singularsicherheiten nicht übertragen werden kann.

25

b) Das hat der IX. Zivilsenat zunächst für die Sicherungsübereignung mehrerer einzelner Sachen (BGHZ 124, 380, 384 ff.) sowie einer Sachgesamtheit mit im wesentlichen festen Bestand (BGHZ 124, 371, 378 ff.) und dann auch für Sicherungsgrundschulden ausgesprochen (BGH, Urteil vom 28. April 1994 - IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1162) [BGH 28.04.1994 - IX ZR 248/93]. Sie sind auch ohne eine qualifizierte Freigabeklausel wirksam. Für Singularsicherungszessionen kann nichts anderes gelten (OLG Celle WM 1994, 1519 [OLG Celle 16.02.1994 - 3 U 116/93]; OLG Karlsruhe WM 1994, 1614, 1618 [OLG Karlsruhe 25.11.1993 - 9 U 192/92]; LG Fulda WM 1994, 1070, 1072 f [LG Fulda 27.04.1994 - 4 O 414/93]ür abgetretene Kapitallebensversicherungen).

26

Um solche Zessionen handelt es sich entgegen der Ansicht der Klägerin hier, auch wenn die Abtretungen alle mit den Lebensversicherungen verbundenen Zusatz- und noch abzuschließenden Folgeversicherungen umfassen. Eine nach den getroffenen Vereinbarungen mögliche nachträgliche Übersicherung durch Anwachsen von Sicherheiten, zu deren Vermeidung der VII., VIII. und IX. Zivilsenat bei Globalzessionen eine qualifizierte Freigabeklausel für erforderlich halten (vgl. Ganter ZIP 1994, 257, 258 f.), kommt bei Singularzessionen grundsätzlich nicht in Betracht. Das gilt besonders, wenn die gesicherten Darlehen - wie hier - tilgungsfrei und die ihrer Besicherung und Rückführung dienenden abgetretenen Kapitallebensversicherungen unter Berücksichtigung zu erwartender Gewinnanteile nach Höhe und Laufzeit darauf zugeschnitten sind. Bei einem solchen Finanzierungsmodell fehlt es auch an einer für den Sicherungsgeber unüberschaubaren Situation, die für die Forderung einer qualifizierten Freigabeklausel eine wesentliche Rolle gespielt hat (vgl. BGHZ 109, 240, 247) [BGH 29.11.1989 - VIII ZR 228/88]. Der jeweilige Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung läßt sich durch eine Anfrage beim Versicherer jederzeit ähnlich problemlos ermitteln wie die Höhe der gesicherten Forderungen.

27

Eine qualifizierte Freigabeklausel ist danach keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Sicherungsabtretung einer Kapitallebensversicherung. Die den Sicherungsgeber unangemessen benachteiligende ermessensabhängige Ausgestaltung der Freigabepflicht führt nur zur Nichtigkeit der Freigaberegelung in Nr. 9 der Formularabtretungen (§ 6 Abs. 1 AGBG). An ihre Stelle tritt der aus der Sicherungsabrede folgende ermessensunabhängige Freigabeanspruch der Klägerin (vgl. BGHZ 110, 241, 246 [BGH 09.02.1990 - V ZR 200/88];  124, 371, 375;  124, 380, 385, jeweils m.w.Nachw.), soweit die Beklagte die Sicherheiten nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt.

28

B. Revision der Beklagten

29

I. Das Berufungsgericht hat die Abtretung des pfändbaren Teils sämtlicher bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin gegen die jeweils zuständige kassen(zahn)ärztliche Vereinigung als unwirksam angesehen und dazu im wesentlichen ausgeführt:

30

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs halte eine formularmäßige Vorausabtretung von Lohn- und Gehaltsansprüchen der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nur dann stand, wenn die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung in der Abtretungsklausel klar und deutlich bestimmt seien. Gleiches müsse für die Vorausabtretung der artverwandten Ansprüche eines Zahnarztes gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung gelten. Daß hier anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen eine offene Abtretung vorliege, ändere nichts. Regelungsbedürftig sei die gegenüber der Offenlegung ungleich wichtigere Frage, unter welchen Voraussetzungen die beklagte Bank die ihr abgetretenen Ansprüche verwerten, d.h. der Klägerin die Verfügungsbefugnis über die von der kassenzahnärztlichen Vereinigung auf das bei ihr, der Bank, geführte Konto überwiesenen Gelder entziehen dürfe. Eine solche Verwertungsregelung fehle indes sowohl in der Formularabtretung als auch in den ergänzend heranzuziehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

31

Abgesehen davon sei die formularmäßige Abtretung aller bestehenden und künftigen Ansprüche gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung auch deshalb unwirksam, weil die Klägerin vor einer unverhältnismäßigen Übersicherung der Beklagten nicht durch eine qualifizierte Freigabeklausel geschützt werde, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Globalzessionen erforderlich sei. Zur Freigabe nicht mehr benötigter Sicherheiten sei die Beklagte gemäß Nr. 4 der Formularabtretung nur nach billigem Ermessen verpflichtet. Eine Übersicherung sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deshalb ausgeschlossen, weil die gesicherten Darlehen tilgungsfrei seien. Der Umfang der abgetretenen Honoraransprüche könne sich durch eine Steigerung der Praxisumsätze derart erhöhen, daß sie die gesicherten Darlehensforderungen weit überstiegen. Ohne Belang sei auch, ob nach den Honorarverteilungsmaßstäben der kassenzahnärztlichen Vereinigung N. nur eine einheitliche Abtretung der Ansprüche möglich sei.

32

II. Diese Beurteilung ist in mehreren Punkten von Rechtsirrtum beeinflußt.

33

1. Eine Verwertungsregelung in der Formularabtretung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die offene Abtretung des pfändbaren Teils aller Ansprüche der Klägerin gegen die kassen(zahn)ärztliche Vereinigung.

34

a) Das Urteil des früher für Darlehenssachen zuständigen III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 1989 (BGHZ 108, 98, 105 f. = WM 1989, 1086, 1088), auf das sich das Berufungsgericht zu stützen versucht, ist nicht einschlägig. Die Entscheidung, nach der eine formularmäßige Vorausabtretung von Lohn- und Gehaltsansprüchen schon dann gegen § 9 Abs. 1 AGBG verstoßen soll, wenn sie keine Regelung für die Verwertung enthält, diese sich also nach den entsprechend anwendbaren gesetzlichen Pfandverwertungsvorschriften (§§ 1273 Abs. 2, 1234 BGB) bestimmen würde, betrifft eine stille Lohnabtretung. Für eine solche fordert sie eine Regelung, "unter welchen Voraussetzungen die Beklagte berechtigt sein soll, dem Drittschuldner die Zession offenzulegen und Zahlungen an sich zu verlangen" (BGHZ 108, 98, 106). Hier haben die Parteien dagegen eine offene Abtretung von Honoraransprüchen vereinbart, bei der die kassenzahnärztliche Vereinigung als Drittschuldnerin nur an die Beklagte als Zessionarin zahlen darf. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte die Abtretung offenlegen und Zahlung an sich verlangen darf, stellt sich danach nicht.

35

b) Regelungsbedürftig ist hier allenfalls die wesentlich anders gelagerte Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Klägerin über die auf ihr Konto bei der Beklagten eingehenden Zahlungen verfügen kann. Eine solche Regelung haben die Parteien indes getroffen, indem sie für das Konto der Klägerin, auf das die kassenzahnärztliche Vereinigung alle Zahlungen zu leisten hatte, eine Kreditlinie von 80.000 DM vereinbart haben. Solange diese nicht überschritten wurde, durfte die Klägerin über alle eingehenden Zahlungen frei verfügen.

36

Dies verkennt das Berufungsgericht nicht, vermißt aber eine Regelung der Verfügungsbefugnis für Zahlungen, die bei überschrittener Kreditlinie eingehen, aber nicht ausreichen, die ungenehmigte Kontoüberziehung zu beseitigen. Dabei läßt es jedoch außer acht, daß nur der pfändbare Teil der Honoraransprüche der Klägerin gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung abgetreten ist. Verfügungen über den pfändungsfreien Teil eingehender Zahlungen muß die Beklagte danach auch dann zulassen, wenn die Kreditlinie dauerhaft erheblich überschritten ist (vgl. § 850 k ZPO).

37

Die Höhe des pfändungsfreien Teils ist nach §§ 850 ff. ZPO zu bestimmen (BGHZ 96, 324, 327 f.) [BGH 05.12.1985 - IX ZR 9/85]. Eine genauere, gar eine betragsmäßige Festlegung dieses Teils eingehender Zahlungen bereits in der Formularabtretung ist nicht möglich. Die für die Berechnung des pfändungsfreien Teils bedeutsame Höhe der Zahlungen der kassenzahnärztlichen Vereinigung steht im Zeitpunkt der Abtretung noch nicht fest. Hinzu kommt, daß der Klägerin sämtliche Privatpatientenhonorare und alle Selbstbeteiligungsanteile von Kassenpatienten von durchschnittlich etwa 125.000 DM pro Jahr abtretungsfrei verblieben. Diese - ebenfalls wechselnden und im Abtretungszeitpunkt nicht überschaubaren - Einkünfte dürfen bei der Festlegung des pfändungsfreien Teils der abgetretenen Honoraransprüche nicht unberücksichtigt bleiben.

38

2. Die Wirksamkeit der Vorausabtretung aller Ansprüche der Klägerin gegen die jeweils zuständige kassen(zahn)ärztliche Vereinigung scheitert auch nicht daran, daß die Freigaberegelung in Nr. 4 der Formularabtretung nicht ermessensunabhängig ausgestaltet ist und keine bestimmte Deckungsgrenze enthält.

39

a) Die bereits angesprochene (oben A. II. 3. a) neuere Rechtsprechung des VII., VIII. und IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, nach der formularmäßige Globalabtretungen ohne qualifizierte Freigabeklausel wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG nichtig sein sollen, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Zweck dieser Rechtsprechung ist es, den Sicherungsgeber vor einer unangemessenen, seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit übermäßig einschränkenden nachträglichen Übersicherung des Gläubigers zu schützen und die Durchsetzung seines Freigabeanspruchs zu erleichtern. Erreicht werden soll auch letzteres vor allem durch eine zahlenmäßig bestimmte Deckungsgrenze, die die Entwicklung des Wertverhältnisses zwischen Sicherheiten und gesicherten Forderungen überschaubar und den Eintritt einer Übersicherungslage erkennbar machen soll (vgl. BGHZ 109, 240, 245 ff. [BGH 29.11.1989 - VIII ZR 228/88];  124, 371, 376 f.;  124, 380, 387;  BGH, Urteil vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 244/90 = WM 1991, 1499, 1500) [BGH 19.06.1991 - VIII ZR 244/90]. Beide Zielsetzungen sind auf revolvierende Globalsicherheiten zugeschnitten. Für Finanzierungsmodelle der zwischen den Parteien vereinbarten Art sind sie ohne Relevanz, da eine unangemessene Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Sicherungsgebers durch eine planmäßige nachträgliche Übersicherung des Gläubigers und eine unüberschaubare Sicherungssituation von vornherein nicht zu befürchten sind.

40

b) Nach den getroffenen formularmäßigen Vereinbarungen konnte die Klägerin über alle Zahlungen der kassenzahnärztlichen Vereinigung auf die abgetretenen Ansprüche in jeder Beziehung frei verfügen und ihre Forderung gegen die Beklagte auch zur Besicherung der Ansprüche anderer Gläubiger nutzen, solange die Kreditlinie von 80.000 DM nicht überschritten wurde. Die Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Klägerin war danach gering. Das gilt besonders, da die Abtretung nicht alle Einkünfte der Klägerin erfaßte. Sämtliche Privatpatientenhonorare und alle Selbstbeteiligungsanteile von Kassenpatienten in Höhe von durchschnittlich etwa 125.000 DM pro Jahr waren nicht abgetreten.

41

Eine für die Klägerin unüberschaubare Situation sowie eine Übersicherung der Beklagten konnte durch die Abtretung der Ansprüche gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung allein nicht eintreten. Die tilgungsfreien Existenzgründungsdarlehen und der Kontokorrentkredit beliefen sich auf insgesamt 630.000 DM. Auf die zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung erfolgten periodische Abschlagszahlungen, so daß sich die Honorarforderungen stets in Grenzen hielten und die vorgenannte Kreditsumme nicht erreichen konnten.

42

Hinzu kommt, daß nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten eine Beschränkung der Abtretung und damit auch eine Teilfreigabe der abgetretenen Ansprüche nach den Honorarverteilungsmaßstäben der kassenzahnärztlichen Vereinigung N. nicht möglich ist. Die Situation ähnelt damit der bei einer Singularsicherungsübereignung. Auch dort ist eine Teilfreigabeklausel praktisch nicht möglich und eine qualifizierte Freigabeklausel nicht erforderlich (vgl. BGHZ 124, 380, 384 ff.).

43

Eine solche Klausel ist danach nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Abtretung aller Ansprüche der Klägerin gegen die kassen(zahn) ärztliche Vereinigung. Die ermessensabhängige Ausgestaltung der Freigabepflicht führt allenfalls zur Nichtigkeit der Freigaberegelung in Nr. 4 der Formularabtretung (§ 6 Abs. 1 AGBG).

44

C. Nach allem war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit es zu ihrem Nachteil ergangen und von ihr angegriffen worden ist. Auf die Berufung der Beklagten war die Klage auch insoweit abzuweisen. Die Revision der Klägerin war dagegen zurückzuweisen.